Damit ihr nicht ganz so enttäuscht seid, dass die andere Kapitelbenachrichtigung nicht wirklich ein Kapitel war, gibt es hier noch ein richtiges :) Viel Spaß!
(Wer nicht weiß, wovon ich rede: https://belletristica.com/de/books/23224-amigo-del-alma/chapter/383109-gibt-es-das-auch-zum-anfassen)
Spoiler: Samsas Traum (stark)
»Isaac?«
»Hey Tino.«
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Tino in den Moment rein, den ich mir nehmen wollte, um mir klarzuwerden, was ich sagen wollte. »Ist etwas passiert?«
»Nein. Also nichts, von dem du nicht eh schon weißt ...«
Tino atmete hörbar auf. »Isaac ... Ich weiß, ich hab echt Mist gebaut. Aber bitte gib mir eine Chance, mich zu erklären.«
»Darum rufe ich an. Ich muss aber vorher noch ein paar Dinge loswerden: Ich hab das Handy auf Lautsprecher. Lance und Trevor – von heute Morgen – hören mit.«
»Sind das nicht ein paar viele Leute für ein Gespräch, das wir zu zweit führen sollten?«
Wenn Tino wüsste, dass ich sogar noch mehr Leute davon hatte abhalten müssen, mitzuhören ... Ich liebte es, dass unsere Band und Wreckage sich so gut verstanden, das hatte ich mit den Death Demons so nie gehabt, aber die Besorgnis machte es mir gerade nicht einfacher.
»Darum ruf ich an ... Alles was ich gesagt habe, meinte ich ernst: Ich habe eigentlich keine Zeit dafür und mein Vertrauen in dich ist gerade hinüber. Darum kann ich nicht warten, bis ich wieder zu Hause bin. Ich muss wissen, ob ich mich so sehr in dir geirrt habe oder nicht. Aber ich kann mir selbst nicht vertrauen. Ich will dir glauben, aber ich weiß, wo mich das schon einmal hingebracht hat. Ich brauche dabei Hilfe. Und Dr. Grant kann ich nicht anrufen.«
»Okay. Ich verstehe ...« Ich war nicht ganz sicher, ob Tino müde oder niedergeschlagen klang. Beides gleichzeitig hätte mich auch nicht gewundert. Es war spät in der Nacht und ich hatte ihm gerade gesagt, dass ich ihm nicht mehr vertrauen konnte. »Lance verstehe ich dafür auch, aber bist du dir sicher, dass dir ein One-Night-Stand helfen kann?«
»Trevor ist kein One-Night-Stand – sorry, ich wollte dir eigentlich heute persönlich davon erzählen – und er war heute Morgen dabei. Er hat Lance erzählt, was passiert ist, und sie machen sich beide Sorgen. Trevor hatte recht: Du hast mir eine höllische Angst gemacht.«
Tino seufzte. »Ich weiß. Ich wollte dir keine Angst machen. Ich war einfach nur stinkwütend. Dass ich da bei dir eine besonders wunde Stelle getroffen habe, ist mir erst aufgefallen, als mich – Trevor war’s? – darauf hingewiesen hat. Ich hätte es besser wissen müssen, aber in dem Moment ...«
»Du hast mir nicht nur Angst gemacht. Du hast mich in dem Moment total an Peter erinnert. Daran, wie er war, wenn er eifersüchtig war.«
»Hilft es dir, zu wissen, dass ich nicht eifersüchtig war und bin? Wütend, aber nicht eifersüchtig. Weil du gleich zwei Versprechen gebrochen hast, von denen mir eines besonders wichtig war.«
Zwei Augenpaare sahen mich fragend an, doch ich konnte nur mit den Schultern zucken. Ich hatte keine Ahnung, wovon Tino sprach. »Welche Versprechen?«
Das wütende Knurren klang durch das Telefon, auch wenn ich von der Lautstärke vermutete, dass Tino den Lautsprecher verdeckt hatte. »Du hast wirklich keine Ahnung, oder?«
Trevor legte alarmiert eine Hand auf meine, doch ich schüttelte ruhig den Kopf. Davon ließ ich mich nicht einschüchtern und es war auch kein Versuch dazu gewesen. Mir war es sogar lieber, Tino zeigte seinen Frust, als wenn er mir einfach nur nach dem Mund redete und mich davon zu überzeugen versuchte, wie leid ihm doch alles tat und wie sehr er doch bereute – nur um es beim nächsten Mal wieder genauso zu machen.
»Tino, wenn ich wüsste, welche Versprechen ich gegeben habe, dann hätte ich sie gar nicht erst gebrochen ...«
Erneut klang der Frust deutlich durch. »Isaac, ich brauche gerade ein paar Minuten für mich. Ich rufe dich danach wieder an. Hast du mich gehört? Ich laufe nicht weg, ich muss mich nur beruhigen und bin dann wieder da. Ist das okay?«
»Ich ruf dich in zehn Minuten wieder an. Oder lieber zwanzig? Wir sind in Quebec.«
»Gut, wenn dir das lieber ist. Zehn sollten reichen. Bis gleich.«
Als die Leitung tot war, sah ich fragend zwischen Trevor und Lance hin und her.
Lance hob die Hände in die Luft. »Frag mich nicht. Ich hab keine Ahnung, was ich davon halten soll. Tino kam mir sonst immer wie der Ruhigere und Ausgeglichenere von euch beiden vor. Derjenige, der dich immer wieder auf den Boden der Tatsachen holt. So wütend hab ich ihn auch noch nie erlebt. Und ich war heute Morgen nicht dabei um bewerten zu können, ob seine Reaktion als einfache Wut okay war oder zu viel. Ich weiß nur, dass sie dir Sorgen macht. Und das ist für mich genug, damit ich mir auch Sorgen mache.«
»Was Lance sagt«, pflichtete Trevor meinem besten Freund bei. »Ich habe lediglich darauf reagiert, dass die Situation dir Angst gemacht hat und sich recht schnell hochgeschaukelt hat. Ich konnte nicht einschätzen, was passieren würde, wenn ich sie nicht unterbreche, aber deine Reaktion hat mich glauben lassen, dass du Gewalt befürchtest.«
Frustriert ließ ich mich nach hinten aufs Bett fallen. »Aber das ist es doch: Ich weiß nicht, ob ich davor wirklich Angst haben musste oder ob ich überreagiert habe, weil er mich noch weiter getriggert hat.«
Trevor legte seine Hand auf meinen Bauch. »Möchtest du meinen Eindruck hören?«
»Ja.«
»Für mich war es bis zu dem Moment, wo ich bemerkt hab, dass du echt Angst hast, keine bedrohliche Situation. Ja, er war direkt wütend, aber ich hätte vermutlich auf deine pampige Antwort auch nicht anders reagiert.« Trevor schüttelte den Kopf und sah Lance an. »Macht irgendetwas von dem, was ich sage, Sinn.«
Dieser nickte. »Für dich sah es erst nach einem normalen Beziehungsstreit aus, aber als Isaac Angst bekommen hat, dachtest du, er würde aus Erfahrung schon einen Grund dafür haben, also hast du eingegriffen. Du konntest aber nicht wissen, dass die Erfahrung nicht mit Tino, sondern mit einem Ex war.«
»Aber als du es Lance erzählt hast, wusstest du von meinen Vorerfahrungen ...«
»Alles, was ich von Tino bis dahin mitbekommen hatte, war eine Situation, in der du Angst vor ihm hattest. Ja, da mache ich mir durchaus Sorgen, in was für einer Beziehung du steckst. Und das hat sich auch nicht geändert. Ich bin immer noch skeptisch. Ich möchte, dass es dir gut geht und Tino kommt mir da erstmal kontraproduktiv vor. Lance hat da eine ganz andere Sicht, weil er euch beide auch anders zusammen kennt.«
»Toll, ihr beide seid gerade nicht so hilfreich, wie ihr vielleicht glaubt ...«
»Tut mir leid, aber ich musste mich erstmal sammeln.«
»Schon okay.«
»Nur kurz, bevor ich es später vergesse: Ich hab noch etwas nachgedacht und wir müssen ein anderes Mal darüber reden, wie ich zeigen kann, dass ich wütend auf dich bin, ohne dir Angst zu machen.«
Lance lehnte sich zu Trevor rüber und raunte ihm zu: »Das ist eher, wie ich Tino kenne.«
Trevor nickte, konzentrierte sich aber weiter auf das Telefonat.
»Okay. Vielleicht kann uns Dr. Grant helfen. Weil ich hab keine Ahnung. Vor allem an so schlechten Tagen wie heute.«
»Ja ...«
»Kannst du mir dann sagen, welche Versprechen du meintest?«
»Zum einen wollten wir dein Bett gemeinsam einweihen, zum anderen hast du versprochen, mir Bescheid zu geben, wenn ich nicht in dein Zimmer kommen soll.«
»Oh.« Deshalb war er so wütend geworden? Für mich waren das Kleinigkeiten. »Ich wusste nicht, dass es dir so wichtig war, dass das erste Mal Sex in dem Bett mit dir ist. Für mich war das eher ein: Wenn es sich ergibt, bevor ich abreise, dann wäre das ganz schön, aber es muss nicht sein. Und die Tür hab ich einfach vergessen abzuschließen.«
»Ehrlich gesagt war es mir auch nicht so wichtig. Oder ich dachte zumindest, dass es mir nicht so mega wichtig ist. Aber gerade damit, dass du nicht abgeschlossen oder geschrieben hast, dass ich nicht runterkommen soll, war es einfach zu viel.«
»Nur damit ich das richtig verstehe: Du warst wütender, weil ich nicht abgeschlossen habe?« Verwirrt sah ich zu Trevor und Lance, die beide mit den Schultern zuckten.
Kurz war es still, lediglich ein Hintergrundgeräusch war zu hören. Als machte Tino eine Geste, vergas aber, dass ich ihn nicht sehen konnte. Dann schob er hinterher: »Ja.«
»Okay ... Ich werd umso mehr versuchen, daran zu denken, wenn dir das so wichtig ist. Aber ich versteh es nicht.«
»Ich finde andere Menschen beim Sex überaus eklig. Ich hab kein Problem, es zu hören oder es zu wissen, aber ich kann es einfach nicht sehen.«
»Darum wolltest du auch nicht durch mein Zimmer müssen, um Wäsche zu waschen ...«
»Und weil ich wollte, dass du in deinem Zimmer deine Privatsphäre hast. Aber ja, das ist ein großer Grund.«
Nachdenklich nickte ich. Das machte so deutlich mehr Sinn. Genau wie viele andere Situationen mit ihm; seine Reaktion auf das sehr freizügige Kontaktbild von Toby und Roger, seine Abneigung gegen das Rainbow und gemeinsames Pornoschauen, sein komplettes Desinteresse an Dreiern. Warum hatte er das bisher nie gesagt? Dann hätte ich darauf Rücksicht nehmen können. »Gut zu wissen.«
»Es kam heute Morgen einfach zu viel zusammen und es tut mir furchtbar leid, dass ich dir Angst gemacht habe. Scheinbar sogar genug, damit sich auch andere Menschen deshalb Sorgen um dich machen. Du hast recht, ich kann es nicht mit Worten wieder gut machen. Ich habe einfach nicht bedacht, dass es für dich nach Eifersucht aussehen würde. Wenn das heißt, dass ich dein Vertrauen ganz verloren habe, dann ist es leider so. Ich würde nur gern wissen, ob ich versuchen darf, es mir wieder zu erarbeiten.« Tino atmete hörbar durch. »Ich will auch gar nicht, dass du das gleich entscheiden musst. Nur je früher ich das weiß, desto eher kann ich anfangen, mir eine neue Wohnung zu suchen.«
»Tino ...« Erneut merkte ich, wie sehr mir Peter noch immer in den Knochen hing. Warum hatte er so ein charismatischer Wichser sein müssen, der genau wusste, was er sagen musste, um mich rumzubekommen? Dadurch klang jede gute Aussage für mich verlogen. »Ich weiß es gerade noch nicht. Aber ich werd dich nicht aus der Wohnung werfen. Lass mir etwas Zeit, darüber nachzudenken. Und es tut mir leid, dass ich dir nicht von Trevor erzählt habe. Es hat sich auf Tour ergeben und ich wollte mit dir persönlich reden, dass sich etwas geändert hat und es neben dir nicht mehr nur One Night Stands gibt.«
»Ich glaube dir und freue mich, dass nicht nur Lance dort auf dich aufpasst. Vielleicht magst du ja mehr über ihn mit mir teilen, wenn du wieder zu Hause bist. Ich wünsche euch noch viel Spaß auf Tour und kommt gesund wieder hier an.«
»Bis dann.« Ich legte auf und sah mein Handy dann eine Weile ratlos an.
Trevor kuschelte sich von hinten an mich an. »Vielleicht ist das ein wenig übertrieben, aber ich hätte erwartet, dass er dir sagen würde, dass er dich liebt, wenn er möchte, dass das zwischen euch weitergeht.«
Ich ließ den Kopf nach hinten auf seine Schulter fallen. »Ich bin froh, dass er es nicht gemacht hat. Mein Ex war Experte darin, mir immer wieder zu erklären, er würde mir nur wehtun, weil er mich liebt.«
Sobald ich darüber nachdachte, wurde mir klar, dass ich Tino gerade deshalb glaubte. Es fühlte sich für mich nicht so an, als hätte er mich besänftigen wollen, sondern ehrlich klären, was passiert war. Dennoch würde ich das Gespräch eine Weile sacken lassen, bevor ich eine Entscheidung traf.
Weder Lance noch Trevor sagten etwas dazu. Sie schienen nichts mehr zu sagen zu haben und mir ging es genauso. Ich spürte, wie ich vor Erschöpfung langsam eindöste.
Lance’ Stimme holte mich ein wenig in die Gegenwart zurück. »Darf ich etwas nicht ganz so Ernstes sagen?«
»Sprich.«
»Ich find es irgendwie lustig, wie gegensätzlich du und Tino sind. Er kann es nicht sehen, wenn andere Menschen Sex haben, während du total darauf stehst, mit mehr als einer Person gleichzeitig Sex zu haben oder wenn andere Leute zusehen.«
Ich schnaufte amüsiert. »Das Letzte kommt dir nur so vor, weil du darauf stehst, zuzusehen. Aber beim Rest hast du recht.«
Lance lief tiefrot an. »Selber! Und ihr ... Ihr habt damit angefangen.«
Trevor sah zwischen uns hin und her und fing dann an zu lachen. Auch Lance und ich stiegen ein. Es war absolut egal. Es war, wie es war. Mit den Konsequenzen würden wir uns nach der Tour auseinandersetzen.