Anastasia und Iwan haben aufgefahren. Ihre Gäste sitzen erwartungsfroh zu Tisch und wie bei Festen in Russland üblich, türmen sich die Speiseberge auf der Tischplatte. Es soll ja niemand hungrig nach Hause gehen, oder wie es so schön heißt: in einen leeren Topf gucken.
Natürlich gibt es in einem solch riesigen Land wie Russland abertausende Rezepte, mit noch einmal mindestens genauso vielen lokalen Variationen und Abwandlungen. Da die Russische Förderation ein Vielvölkerstaat, mit ganz unterschiedlichen kulturellen Einflüssen ist, ist die Küche daher mindestens genauso divers.
Darum beschränke ich mich hier auf die wohl international bekanntesten Gerichte Zentralrusslands (das Gebiet, welches am westlichsten liegt, generell die Region um Moskau), sowie Nordwestrusslands (die Region um St. Petersburg und Teile Sibiriens).
Anbei also einmal ein kleiner Blick auf die Tafel von Anastasia und Iwan.
Die "Klassiker" - die man zumindest schon einmal irgendwie irgendwo gehört hat.
Borschtsch
Ihr müsst jetzt stark sein, aber das Gericht, das wohl am ehesten mit Russland in Verbindung gebracht wird, ist überhaupt nicht russisch. Es stammt ursprünglich aus der Ukraine, wurde in Russland aber über die Jahrhunderte so beliebt, dass man es mittlerweile eher mit Russland, als der Ukraine assoziiert.
Nun, was also ist Borschtsch?
Borschtsch ist auch unter dem Namen "rote Suppe" bekannt. Und der Name ist Programm, was vor allem auf seine Hauptzutat zurückzuführen ist: rote Bete. Im Prinzip ist es - je nachdem, wie lange man es einkochen lässt - entweder eine Rote-Bete-Suppe oder eben ein Rote-Bete-Eintopf. Die rote Bete wird fein gehackt (oder gerieben) und mit Kartoffeln, Zwiebeln, Weißkohl, Speck und/oder Fleisch eine ziemlich lange Weile köcheln gelassen. Kann je nach Anzahl der Gäste auch nach Belieben mit Wasser gestreckt werden. ;-) Traditionell serviert wird die rote Suppe mit einem Klecks saurer Sahne oder Schmand.
Pelmeni
Pelmeni sind Russlands Antwort auf Italiens Tortellini. Kleine, mit Hackfleisch und Zwiebeln gefüllte Teigtäschchen, die in heißem Wasser gegart werden. Serviert werden sie traditionell mit zerlassener Butter oder saurer Sahne, in separaten kleinen Schälchen zum Stippen.
Wareniki
Wenn man so will, sind Wareniki die großen, wesentlich mächtigeren Brüder der Pelmeni. Es sind ebenfalls gefüllte Teigtaschen, allerdings bedeutend größer als Pelmeni. Wo Pelmeni traditionell mit Fleisch gefüllt werden, sind der Kreativität bei Wareniki bald keine Grenzen gesetzt. Es gibt sie in herzhaft (gefüllt mit Weißkohl, Kartoffeln, Fleisch, Pilzen...) und süß (Marmelade, Obstkompott, frischen Beeren...).
Soljanka
In Russland ist es im Winter bekanntlich mächtig frisch. Daher erfreuen sich wärmende Eintöpfe nach wie vor großer Beliebtheit. Die Soljanka ist ein solcher Eintopf. Prinzipiell - und das ist nicht böse gemeint - kann man in die Soljanka so ziemlich alles packen, was man noch im Kühlschrank oder in der Vorratskammer hat. Die Rezepte variieren ins Endlose. Typische Bestandteile sind Fleisch, Wurst, Pilze aber wie gesagt, man nimmt, was man zur Hand hat. Das einzige, was alle Soljankas eint: sie müssen in irgendeiner Form eingelegte bzw. saure Gurken enthalten. Daher hat die Soljanka nämlich ihren Namen: die Gesalzene. Die Gurken geben dem, was auch immer man in seinen Topf geschnippelt hat, erst den richtigen Geschmack.
Blini
Blini sind russische Pfannkuchen. Blini werden oftmals gefüllt, oder in der Mitte durchgefaltet serviert. Fleisch- oder Quarkfüllungen sind auf der Beliebtheitsskala ganz weit oben, aber prinzipiell kann man sie füllen, womit man möchte. Das Rezept ist das eines klassischen Pfann- bzw. Eierkuchens.
Piroschki (die kleine Pirogge)
Piroschki sind kleine, gefüllte Teigtaschen aus Hefeteig. Gefüllt werden können Piroschki ganz unterschiedlich - süß oder herzhaft, beides ist möglich. Die ganz klassische Variaton der Piroschki ist gefüllt mit einer Mischung aus Weißkohl und Speck. Sehr lecker - und macht ungemein satt. Serviert werden Piroschki - ebenso wie Pelmeni - mit zerlassener Butter oder saurer Sahne zum Stippen. Kann man auch wunderbar kalt essen.
Pirog (die große Pirogge)
Der große Bruder der Piroschki. Im Prinzip ist der Pirog das, was die Piroschki in klein sind, nur eben auf der Größe eines ganzen Backofenblechs. Es ist eine gedeckte Hefepastete, welche mit denselben Füllungen ausstaffiert werden kann, wie seine kleine Schwester. Nur eben in: echt groß!
Watruschki
Watruschki sind kleine, oftmals mit Quark, aber auch gerne mit z.B. Marmelade oder Kompott gefüllte Teigtaschen aus Hefeteig. Sie sind oben offen, sodass man die hübsche Füllung sehen kann.
Selga Kekse
Wie schon im Kapitel "Teekultur in Russland"geschrieben: gesüßte Kondensmilch (u.a. auch in der Geschmacksrichtung Kakao erhältlich) ist a thing in Russland. Darum gibt es nicht nur die Milch für den Tee, sondern auch gleich die passenden Kekse mit dem Geschmack gesüßter Kondensmilch zum Knabbern dazu.
Wer sich in Deutschland mit typisch russischen Lebensmitteln, wie zum Beispiel den Selga Keksen, eindecken möchte und keinen kleinen russischen Laden um die Ecke hat, kann mittlerweile in vielen Edeka Filialen fündig werden. Grade in den großen Edeka Centern gibt es oftmals ein bis zwei Regalreihen, in der sich haltbare polnische und russische Lebensmittel die Hände reichen. Alternativ kann man die Produkte auch online bestellen. Ganz vorne weg bei russischen Lebensmittelimporten sind die Firmen Dovgan und Sojus.
Kleine Anmerkung zum Schluss:
Russischer Zupfkuchen ist nicht russisch!
Noch nicht einmal ansatzweise.
Der gute, alter Dr. Oetker (aus Bielefeld) suchte seinerzeit nach einem chicen, catchy Namen für seine neuste Backmischungskreation und da ihn die schokoladigen Tupfen auf dem Kuchen irgendwie - mit gaaanz viel Fantasie - an die Zwiebeltürmchen der orthodoxen Kirchen in Russland erinnerten: tada!
War ein neuer Name geboren und Generationen von Deutschen halten "russischen" Zupfkuchen seitdem für ein traditonelles russisches Gebäck, das eine Babuschka mit Kopftuch mühsam in ihrer Blockhütte herstellt.