Rating: P12 [CN: Milder, psychologischer Horror]
Nach dem Prompt „Halsbandsittich“ der Gruppe „Crikey!“
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Fadils Lider schienen mit jedem Schritt schwerer zu werden. Seine Augen brannten vor Müdigkeit und Hitze. Er schluckte trocken, und Schmerz zog sich durch seinen ausgedörrten Hals.
Er war ein Narr gewesen. Das wusste er noch. Das meiste andere hatte der heiße Wüstenwind davongeblasen. Er musste durch die Mimoria geflohen sein, jene verhexte Wüste, die jeden Reisenden um seine Erinnerungen brachte.
Warum hatte er diesen Weg gewählt? Wage erinnerte er sich, dass große Not ihn getrieben hatte. Eine tödliche und unmittelbare Gefahr vielleicht. Er war geflohen. Doch vor wem und aus welchem Grund, das war nun ein Rätsel.
War er im Recht gewesen? Oder ein Verbrecher?
Seine Ausrüstung gehörte nun der Wüste - falls er sie besessen hatte. Er trug keine Waffen bei sich, keine Raubbeute, kein persönliches Kleinod, das ihm mehr verraten hätte. Sein Hemd war weiß gewesen. Er trug es als Turban auf dem Kopf. Vielleicht hatte er es zu irgendeinem Punkt mit Wasser durchtränkt, doch dieses was längst verdunstet.
Seine Hose war braun. Ein sackartiger Schnitt, Bände um die Waden, kein Gürtel. Vielleicht hatte er alles abgelegt, um seine Spuren zu verwischen oder weil es ihm zu schwer geworden war. Seine Füße, barfuß, waren verbrannt. Die Kleidung starrte so vor Sand, dass er nicht ermitteln konnte, wie teuer sie womöglich gewesen war. Er wusste nur, aus der Trockenheit seines Leibes, dass er schon viel zu lange ohne Wasser durch die Wüste irrte.
Immer verzweifelter klammerte er sich an das, was er noch wusste: Er war Fadil. Er war geflohen. Er musste weiterlaufen, wenn er leben wollte.
Er hatte Durst.
Die Mimoria musste hinter ihm liegen. Er klammerte sich trotzdem an jede Erinnerung, bevor die Wüste sie ihm doch noch entriss, und verzweifelte über all das, was verloren war.
Gab es eine Familie? Er erahnte verschwommene Gesichter. Freunde? Geliebte? Hatte er Feinde? Die Fetzen, die ihm aus dem Nebel des Vergessens entgegenkamen, waren unverständlich. Mit etwas Ruhe könnte er sie womöglich sortieren. Sich erinnern.
Vielleicht.
Er hob den Blick. Der quälende Durst vertrieb all diese Gedanken wieder, zwang sie in einen Winkel, wo sie ihm verloren gehen konnten. Er musste trinken!
Vor ihm flimmerte die Luft in schwarzen Schwaden, die ihn an Rauch erinnerten. Waren das Feuer? Die Spiegelungen eines Sees? Er wurde schneller.
Dann stockte er. Es könnte eine Fata Morgana sein, die ihn in die Irre leiten wollte. Eine tödliche Falle.
Er hielt inne und sah über die Dünen. Nur diese Wolke war zu sehen, die nicht hier sein konnte. Sollte er wirklich dorthin gehen? Er erinnerte sich nicht mehr an die Namen von Städten oder Dörfern. War er jemals hier gewesen?
Er lenkte seine Schritte zur Wolke. Selbst wenn es eine Fata Morgana war - er hatte keine andere Chance. Wäre dort kein Wasser, würde er keines mehr finden.
Wie er ging, Schritt für Schritt aus der Hitze heraus, vernahm er das Rufen von Vögeln. Ein lautes Zanken und Kreischen, das bald alles um ihn herum ertränkte. Er schleppte sich voran und wurde von einem Gewirr flatternder Schwingen begrüßt. Wind peitschte kühlend gegen seine gemarterte Haut, ersehnte Linderung nach der Tortur der Mimoria.
Seine bloßen Füße trafen in kühles Wasser. Ein See. Darüber die tanzenden Vögel.
Während er sich hinkniete und trank, drang ein Name an die Oberfläche seines Bewusstseins. Ramis. Wüstensittiche. Das waren sie! In den Wüsten konnte man ihre Schwärme über Wasserquellen tanzen sehen. Er hätte sich nicht fürchten brauchen.
Er stillte seinen Durst und durchtränkte das Tuch auf seinem Kopf. Dann richtete er sich auf, trat aus dem lärmenden Schwarm und suchte am Horizont nach einem Anhaltspunkt.
Er sah weder Berg noch Haus. Nur Dünen, wohin der Blick schweifte, und darüber die Sonne am klaren Himmel.
Der Mann stockte. Was war noch gleich sein Name gewesen?