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Nach dem Prompt „Pfirsichköpfchen“ der Gruppe „Crikey!“
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Wenn diese Böden sprechen könnten ...
Dieser weiße Staub im flachen Tal, vermengt mit Geröll und uralten Knochen, nur spärlich durchsetzt durch dunkles Gehölz. Dieser Zeuge von Abermilliarden Wasserfällen, vom ewigen Tanz der Jahreszeiten, jede so rasch wie ein Wimpernschlag entglitten ...
Wenn diese Böden sprechen könnten, so wüssten sie viel zu erzählen. Von einer Zeit der Macht und einer Zeit der Stille, von einer Zeit der Finsternis und einer Zeit des Wachens. Sie würden von jenem Blinzeln berichten, mit dem zum Gesang der Vögel zwei kleine, braunbehaarte Wesen aus jener Höhle dort vorne traten. Eng zusammengeschmiegt, verwundernd zur Sonne blicken, als sähen sie sie zum ersten Mal. Ein Funke springt, als ihre kräftigen Finger einander berühren, und plötzlich hat dieses helle Licht dort oben einen Namen. Mit einem Mal hat die Zeit, da es leuchtet, einen Namen; und einen Namen hat auch die erste Blüte, die sich nach einem Regenfall öffnet.
Wenn diese Böden sprechen könnten, so würden sie womöglich von all den Tänzen berichten, die hier getanzt wurden. Ob kleine Vögel auf den Ästen oder Zwerge auf dem Boden, wie oft wurde hier getanzt und gelacht! Kinder tollten über diese Hänge, sahen einander an und machten große Versprechen in der festen Absicht, sie zu halten. "Wir bleiben immer zusammen", sagt der Junge. Das Mädchen nickt, dann zögert es. "Aber heute Abend musst du doch zurück zu deinen Eltern." Das weiß der Junge natürlich. "Ja, aber morgen sind wir wieder hier. Und jeden Tag danach." Sie lächelt, denn sie versteht. 'Immer' bedeutet nicht 'jede einzelne Sekunde', es bedeutet 'für alle Ewigkeit'.
Wenn diese Böden sprechen könnten, was würden sie nur erzählen? Vielleicht vom Tau des Sommerregens, der alle Welt durchtränkt. Von schweren, dicken, süßen Tropfen, die Blätter aus der Tiefe locken und einen schützenden Wall bilden. Ein Geäst, in dem Papageien ihre Nester bauen, und das Schutz bietet vor den Blicken jener, die nicht verstehen wollen. Zwei Männer, weißen Lehm auf der Haut verschmiert, stehlen einander Küsse im feuchten Boten des Sommers. Heimliche, schnelle, ängstliche Küsse sind es, wehmütig und voller Sehnsucht nach einer besseren Welt. Sie schmecken nach Regen und Nektar. Regentropfen glitzern auf dunkler Haut, die mit Sand bestäubt ist.
Wenn diese Böden, ihre Felsen und Nischen, sprechen könnten, dann würden sie wohl von ihrem ganzen Stolz berichten: Von den Bildern in hellen Farben, die sich über die großen Steine ziehen. Von einem Vater, der seinem Sohn zeigt, wie er die Striche zu führen, die Punkte zu setzen hat, während hoch über ihnen junge Küken um die Aufmerksamkeit der Eltern piepsen. Mit ruhigen Bewegungen und Farben aus der Erde und den Wurzeln Castas erschafft der Vater Zauberbilder. Mit staunendem Blick sieht der Sohn zu, streichelt die Gazellen und Elefanten und läuft lachend, die Arme ausgebreitet, neben dem Schwarm bunter Vögel her. Ein Ruf und es kommt, mit warmem Lächeln, die Mutter mit neuer Farbe.
Wenn diese Böden sprechen könnten, dann wäre ihre Stimme nun leise und sanft. Eine Geschichte über zwei Seelen, altvertraut und neugeliebt, die auf den Felsen sitzen und dem Lauf der Monde zusehen. Ein Murmeln unter dem Sternenzelt, leise wie ein Bach, der im Boden versickert, erzählt uns von Schwingen, die zwar die Luft nicht mehr spüren, jedoch die Wolken streifen werden. Eine Geschichte ohne Worte, weil es nach manchen Jahren keine Worte mehr braucht.
Wenn diese Böden sprechen könnten, so würde ihre Sage niemals enden. Denn das Gedächtnis der Erde ist ewig. Jede Berührung, jedes Beben, jeder Tropfen und jede Träne, ja, selbst der Hauch eines kleinen Flügelschlags dringt unter den Staub vor und wird dort bewahrt. Ein Zeugnis für die Ewigkeit, nicht sichtbar wie die Felsmalereien, doch für jene, die hören wollen, wie das leise Lied eines ewigfließenden, munteren Bächleins.
Welch Wunder kannte die Welt, wenn diese Böden nur sprechen könnten.