Sprache: Englisch
Titel: False Value
[Falscher Wert]
Genre: Urban Fantasy, Krimi
Autor: Ben Aaronovitch
Meine Altersempfehlung:: Jugendliche bis Erwachsene
Erschienen: 2020
Band 8 einer Reihe (Einstieg mitten in die Reihe ist nicht zu empfehlen.)
CNs: ableistische Sprache, (wiederholt) erwähnte Schwangerschaft, Rassismus, Erwähnung rassistischer Strukturen
Leseempfehlung und Zwischendurchlektüre. Das Buch ließ sich entspannt lesen und trotz genügend Spannung zur Seite legen und unterbrechen, wenn es sein musste. Ich mag die Die-Flüsse-von-London-Reihe seit sie erstmals erschienen ist und warte auf die neuen Bände. Deswegen "musste" ich False Value jetzt lesen, weil ein neuer Teil rauskommt (vermutlich sogar schon übersetzt ist). Ins Folly zurückzukehren hat ein bisschen was von Heimat. Ich weiß grob, was mich erwartet und ich weiß, dass ich überrascht werde. Ein chaotisch-genialer Hauptcharakter, der was von Architektur versteht. Ein direkter Vorgesetzter, der sich nach und nach mit unserer Zeit anfreundet sowie mittlerweile eine große Gruppe an Stammcharakteren, die - obwohl sie nur kurz auftauchen - ihren Teil zur Atmosphäre beitragen. Und mindestens eine*r bleibt immer.
Dieses Buch spielte in einer Art Computer-Security-Company und fügte dem bisherigen Ermittlungsflair eine Prise humorvoller Spionage hinzu, ein paar Verschwörungstheorien und eine neue Dimension der etablierten Magie. Ich steh' auf das Gewirr an unterschiedlich platzierten Lügen und doppeltem Spiel, das gefährlich werden könnte - aber nicht muss - und mit wenig/keiner Gewalt auskommt.
Cover: Ich habe nur das englische Cover der Taschenbuchausgabe vor mir. Das Hardcover soll im Dunkeln leuchten! Grün-schwarz gehalten, erinnert mich stark an Hacker-Szenen aus den Serien, in denen der Hintergrund schwarz wird und im Vordergrund in grellem Computergrün Zahlen über den Bildschirm fließen. Nur ist es hier ein Ausschnitt des Londoner Stadtplans, durch den sich eine wabernde Dunkelheit zieht.
Erster Satz:
My final interview at the Serious Cybernetics Corporation was with the company's head of security himself - Tyrel Johnson.
[Mein letztes/finales Einstellungsgespräch bei der SCC fand mit dem Leiter des Sicherheitsabteilung selbst statt - Tyrel Johnson.]
Mag nicht der spannendste Satz des Buches sein, steckt jedoch den Rahmen ab.
Lieblingszitate:
Eines davon befindet sich direkt auf dem Cover und ist, glaube ich, nur in der englischen Taschenbuchversion abgedruckt. Im unteren rechtsseitigen dunklen unförmigen Blop steht:
A global phenomenon.
- The Sun.
[Ein globales Phänomen. - Die Sonne]
Darüber lache ich immer noch. Ob es durch Zufall ausgesucht wurde oder ob es lediglich ein PR-Gag ist, bei mir funktioniert es. In der ersten Hälfte des Buches gab es immer wieder solche und ähnliche Stellen, die mich zum Kichern gebracht haben.
Ein weiteres tolles Zitat:
'No,' she said. 'I don't want a personal friend in Jesus.'
I showed her my warrant card.
'But have you let the Metropolitan Police in your heart?' I asked.
["Nein," sagte sie. "Ich möchte Jesus nicht als persönlichen Begleiter/Ich möchte nichts von Jesus hören."
Ich zeigte ihr meinen Dienstausweis.
"Aber haben Sie die Metropolitan Police schon in Ihr Herz gelassen?"]
Mit solcher Situationskomik habe ich mich durchs Buch gekichert.
Lieblingsfiguren und besondere Stellen überschneiden sich bei mir. Vorweg muss ich sagen, dass ich viele Figuren sympathisch bzw. zugänglich und auf irgendeiner Ebene nachvollziehbar geschrieben finde und es mir deswegen schwerfällt, Lieblingsfiguren zu haben und dabei anderen zugleich diesen Wert einer Lieblingsfigur abzusprechen. Darum nur drei Figuren, sonst werde ich nicht fertig.
Ich mag die Hauptfigur Peter Grant sehr gern, seine Ablenkbarkeit, der Fokus auf Nebensächlichkeiten, bei denen eine aus zehn auf lange Sicht handlungsrelevant wird, drei davon auf den nächsten Seiten und die anderen eventuell gar nicht. Dadurch kann ich mitraten, welcher Hinweis und welche Beobachtung die wichtigen sind und welche auf eine falsche Fährte führen könnten. Ich mag die Katastrophen, in die er gerät und bei denen er sich mittlerweile bewusst ist, dass er die Tendenz dazu hat, im Mittelpunkt des Dramas zu landen. Er nimmt sich selbst nicht zu ernst.
Zu den Katastrophen und Peters persönlicher deus-ex-machina-Lösung gehört sein Vorgesetzter, Nightingale. Ich habe ein bisschen Sorge, was passiert, wenn Nightingale mal nicht das Ein-Mann-Rettungskommando ist und habe das Gefühl, dass so eine Situation in den nächsten Bänden auftauchen könnte.
Nightingale ist eine Figur, die ich ab dem ersten Auftauchen im ersten Band, ab der ersten Zeile, toll fand. Ich liebe die Mischung, dass er aus der Erlebenswelt der Hauptfigur heraus gewissermaßen Overpowered ist und seine Defizite im Umgang mit der postmodernen Welt Humor reinbringen. Seine Vergangenheit kommt nur Stückweise ans Licht - hier gehörte der Vergangenheitsblock zu meinen Lieblingsstellen im Buch. Und seine "Kampfszenen", wenn ich das so nennen kann. Duelle wäre wohl das passendere Wort. Bei Nightingales Duellen fiebere ich mit und hänge an jedem Handgriff, der beschrieben wird. Die Präzision seiner Figur ist nur ein Teil des Charaktermodells, das ich mag. Mysterium, klare und strenge Erwartungshaltung, Bescheidenheit gemischt mit dem Wissen gut zu sein, aber ohne die angeberische Arroganz, ein nicht-ganz-reinpassen, jeder weiß etwas über ihn, aber keiner alles.
Die Flüsse selbst (unter anderem Tyburn und Beverly) gehören auch zu meinen Lieblingsfiguren. Mit Magie, Fluss und Personifikation bin ich leicht rumzukriegen, das ist für mich einer der ausschlaggebenden Gründe gewesen, um diese Buchreihe anzufangen. Leider kam Tyburn dieses mal gar nicht vor, Beverly hatte wenige aktiv handelnde Szenen, was ich schade fand, aber je weiter das Buch fortschritt, desto aussagekräftiger wurde ihr Wirken auf die übergeordnete Geschichte (Hintergrund-Lore).
Kritikpunkte: Wie bereits erwähnt, die Flüsse kamen mir etwas zu kurz. Von den Patholog*innen war dieses Mal auch wenig dabei. Und kein Wort von Lesley. Die fehlenden Figuren sind weniger eine Kritik, mehr eine unerfüllte Hoffnung, dass sie hätten dabei sein können. Allerdings werden sie wieder erscheinen, da bin ich mir sicher, wenn es zum Beispiel um die Hintergrundlore geht oder den übergeordneten Handlungsbogen, der sich durch die Bücher zieht. Also warte ich einfach.
Die meisten Popkultur-Referenzen habe ich verstanden, Aaronovitch arbeitet relativ viel damit, aber sie sind nicht so relevant, dass es notwendig wäre, sie zu verstehen. Ich merkte dann nur, dass der entsprechende Witz an mir vorbei ging. Mag sein, dass für einige zu viele Referenzen störend wirken. Bei mir hielt es sich im erträglichen Rahmen.
Das Buch ist mittlerweile übersetzt, also lässt sich die Geschichte auch in deutscher Sprache lesen.