Titel: La Différence Invisible
[Der unsichtbare Unterschied]
Sprache: Französisch
Autorin: Julie Dachez
Illustratorin: Mademoiselle Caroline; mit Fabienne Valses
Meine Altersempfehlung: ab 14,
- vielleicht sogar 12 oder eher; würde generell empfehlen, während des Lesens oder danach über das Gelesene zu reden -> Austausch und Reflexion
- 2016 veröffentlicht
- farbige Illustrationen
- own voice
- 200 Seiten
- circa 25 Euro neu
- seit 2020 auch auf Englisch als Hardcover erhältlich, übersetzt von Edward Gauvin; unter dem Titel "Invisible Differences: A Story of Autism Spectrum Disorder, Adulting, and Living Life in Full Color." - das Cover ist aber nicht so angenehm.
Cover: Das Cover der französischen Ausgabe ist größtenteils in grauen bis schwarzen Flächen gehalten. Im Hintergrund ist eine Menschengruppe zu sehen (und ein Hund), die aneinander vorbei gehen/in Bewegung sind. Im Vordergrund, weiß umrandet, steht Marguerite, den Betrachtenden zugewandt. Herausstechend sind ihre rotgefärbten Schuhe und die stark kontrastierende Bekleidung: Helle Pullover und Jacke vs schwarze Hose.
CN: Ableismus, emotionale Gewalt in der Beziehung, sexueller Übergriff (Kuss), Ausgrenzung aus dem sozialen Umfeld, Auseinandersetzung mit Autismus und Asperger*
Da ich kaum französisch kann, wurden mir Teile übersetzt, die sich für nicht aus de Handlung/den Bildern ergeben.
Zitate gibt es nicht wirklich, weil ich das Buch aktuell nicht in der Nähe habe. Zudem fühle ich mich nicht sicher genug, sinnvoll aus dem Französischen übersetzen zu können.
Herzensempfehlung <3
Zur Farbigkeit des Comics:
- Entwickelt sich mit Marguerite: anfänglich ziemlich graugetönt, Mehr Rotfärbung, wenn sie sich unwohl, angegriffen, ausgeschlossen oder schlichtweg überfordert fühlt; je mehr sie in ihrer Umgebung geschätzt wird/sich angenommen fühlt, desto farbiger werden die Bilder; besondere Personen und Objekte nehmen schon eher Farbigkeit an.
Zur Handlung:
- Der Comic zeigt das alltägliche Leben von Marguerite, positive und negative Reaktionen von ihrem Umfeld und klare Grenzüberschreitungen ihr gegenüber. Das wir besonders deutlich in Interaktion mit ihrem Freund, ihrem Nachbarn und ihrem Freundeskreis. Immer wieder stößt sie mit ihrem Verhalten (z.B: Rückzug von einer Party, Falsch-Verstehen von unklaren Aufforderungen auf der Arbeit) auf Ablehnung, Unverständnis und Verurteilung. Nach und nach lernt sie in ihrem Umfeld Menschen kennen, denen sie sich öffnen kann, und die ihr von Autismus erzählen, wodurch sie beginnt, sich selbst damit auseinander zu setzen. Letztendlich erfragt und erhält sie eine Diagnose von einem Autismuszentrum. Während die Diagnose und das Verstehen ihr selbst gut tut, reagiert das Umfeld unterschiedlich und teils wieder ablehnend/abwertend, wohingegen sie auch einen anderen wertschätzenden Kreis an Bekanntschaften dazugewinnt.
Ich mochte diesen Comic sehr (offensichtlich).
Marguerite finde ich nachvollziehbar, wie sie in der Welt aneckt, in der physischen und emotionalen Welt navigiert, und Dinge anders versteht - und auch ihre beiden Katzen und ihr Hund.
Ich denke, sehr viel dieser Geschichte wird durch den Zeichenstil, die Bilder und Farbgebung getragen. (Was daran liegt, dass ich sprachlich weniger verstanden habe als mir das z.B. im Englischen oder Deutschen möglich wäre.) Dadurch wird das "unsichtbare" deutlich gemacht und erlaubt einen Blick in Marguerite hinein, kehrt somit die Gefühlswelt ins sichtbare.
Wie oben bereits angedeutet finde ich, dass sich das Buch wunderbar für einen Dialog anbietet - und darüber hinaus Reflexion über eigenes Verhalten und Bewertung von Verhalten anderer ermöglicht :
- Was ist passiert?
- Wie fühlt sich Marguerite? (Woran ist das zu erkennen?) -> Würde ich mich ähnlich in der Situation fühlen? Gibt es für mich Situationen, in denen ich mich so fühle?
z.B: alles ist zu laut, unverstanden, verstanden, akzeptiert, unfair behandelt, ausgelacht
- Wie hat x auf Marguerite reagiert?
- Habe ich auch schon mal so reagiert, wenn sich jemand in meinem Umfeld so verhält?
Ingesamt bin ich ziemlich beeindruckt von dem Comic, der Herangehensweise und der Art, wie die Geschichte erzählt wird bzw. der Gewichtung der Teile, die erzählt werden.
[*ein Einschub über Asperger: Das Label basiert auf zutiefst faschistischer, menschenfeindlicher/behindertenfeindlicher Ideologie; benannt nach Hans Asperger (Arzt), der im NS-Regime an behinderten Kinder forschte und die "bildungsfähigen" (a.k.a. "lebenswerten") erhielten u.a. das Label der "autistischen Psychopathie". Diese Etikettierung wurde seit Ende der 1990 bis 2013 im DSM V unter dem Titel Asperger geführt - mittlerweile endlich gestrichen.
Nicht zu empfehlen ist der Artikel des deutschen Ärtzeblattes von 2009 - einer der ersten Seiten, die bei einer einfachen Google-Suche angezeigt wird. Der Blick auf Autismus ist teils extrem defizitär, überholt (von 2009) und ignoriert z.B. Masking-Strategien.]