Well... no.
Just don't.
Sprache: Englisch
Titel: A Long Way Down
[Ein Langer Weg nach Unten]
Autor: Nick Hornby
Genre: Urban Novel
Meine Altersempfehlung: 18
Erschienen: 2005
Einzelband
Cover meiner Ausgabe: Orangener Hintergrund, Autorenname in gelb. Der Titel ist in schwarzen großbuchstabigen Lettern, die den Silhouetten von Häusern ähneln, darauf teils Silhouetten kleiner Figuren, die den Blick nach unten gerichtet haben.
weiteres:
- das Buch gibt es auch in Deutscher Übersetzung, den Titel kenne ich allerdings nicht
- das Buch wurde gleichnamig verfilmt und ich meine mich an die Werbungen im Kino zu erinnern. Zufälligerweise besitze ich diesen Film auf DVD, werde ihn mir aber nicht ansehen.
CNs: Suizid, ungeklärtes Verschwinden, Depression, Ableismus (Darstellung von Behinderten als Last; Darstellung der pflegenden Person als universell bemitleidenswert; Verrücktheit; abwertende Sprache), Misogynie, Sexismus, geschiedene Ehepartner (erwähnt), Sexualisierung und Entsexualisierung weiblicher Figuren, Ehebruch, Alkohol, Erbrechen, Exkrete, Gewalt, Positive Darstellung von Gewalt im Namen (eines christlichen) Gottes, Schlägerei, 9/11 (erwähnt), Anti-Muslimische Narrative, rassistische Narrative, Drogenmissbrauch (mehrfach erwähnt), Mord (erwähnt), Machtgefälle in einer Beziehung, Fille-Fatale-Trope (= Sex mit einer Minderjährigen, die gelogen und den erwachsenen Protagonisten "verführt" hat)
Ich musste es lesen. Es ist schrecklich. Ich habe eine Hausarbeit darüber geschrieben - die Note steht noch aus. Sobald sie da ist, werde ich dieses Buch zeremoniell irgendwohin verbannen. (Thema - so ungefähr: (urbane) Bewegungsräume der Protas repräsentiert durch Nutzung/Interaktion mit öffentlichen/privaten Toiletten.)
Zur Formatierung meiner Ausgabe: Die Schrift ist relativ klein, was einige Teile schwerer zu lesen macht.
Zum Inhalt -- "Disclaimer": Ich verstehe den Humor in diesem Buch kaum (Ausnahme: Das Interview über den Engel, ein bisschen geschmacklos, aber das Setting ist herrlich). Einiges soll humoristisch sein, für mich ist dieses Buch kapitelweise herablassend, sexistisch und ableistisch. Besonders Martin; einer von 4 Protagonisten/Protagonistinnen. Zu Martin später mehr.
Erster Absatz: CN Suizidale Intention. Ableismus.
"Can I explain why I wanted to jump off the top of a tower block? Of course I can explain why I wanted to jump off the top of a tower block. I’m not a bloody idiot."
[Kann ich Erklären warum ich vom Dach eines Hochhauses springen wollte? Natürlich kann ich erklären, warum ich vom Dach eines Hochhauses springen wollte. Ich bin kein verdammter I*.]
Nach diesem Absatz führt der Protagonist (Martin) auf, wie logisch seine Entscheidung ist. Ich nehme an, die Fehler in seiner Logik sollen Humor sein - könnte ich annehmen, allerdings wandelt sich seine Haltung gegenüber seiner eigenen intellektuellen Überlegenheit und Fähigkeiten kaum bis gar nicht bis zum Ende des Buches. Null Selbstreflexion diesbezüglich. Und somit hinterlässt dieser eventuelle Humor einen mega negativen Beigeschmack.
Dann mal ein Blick auf die Figuren:
Es gibt 4 Hauptfiguren, mit deren Perspektive erzählt wird.
Martin, weiß, englisch, männlich, Anfang 40, TV-Gastgeber, Mittelschicht (scheinbar), zwei Töchter, die bei der geschiedenen Frau leben, kaum Kontakt zu den Kindern, wohnt aktuell in einer Wohnung/einem Apartment:
- hatte Sex mit einer Minderjährigen und bereut, dass er erwischt wurde; das Eingeständnis, dass er es nicht hätte tun sollen, ist kaum bis nie davon getrennt. Herausgehoben wird mehrmals, dass sie gesagt hat, sie sei erwachsen und dass er jetzt gehasst wird, weil das ganze öffentlich geworden ist.
- bringt unangebrachte/unnötige Vergleiche zu Sex mit seiner Ex-Frau oder aktuellen Partnerin, in dem Sinn: als sexuell aktiv, attraktiv und missverstanden gekennzeichnet -> ein echter Held??
- hält sich für gewitzt (oder ich verstehe seinen Humor nicht), ist u.a. stolz darauf, dass er seine Ex-Frau in einem Telefonat 2x mit verschiedenen Tiernamen beleidigt (ich nehme an: cow und bitch)
- schiebt extreme Eifersucht als er den neuen Partner seiner Ex-Frau kennenlernt, beleidigt Pfleger
- stilisitsche Auffälligkeit: spricht Leser*innen an (you would do..., what would you do, you would think...), es gibt einen Absatz, der aus einer komplett anderen POV über ihn geschrieben ist, wie eine Einleitung, die ein TV-Host geben könnte
- er ist ein misogyner Arsch, hat selbstverliebte Tendenzen, Frauen sind für Sex gut, es sei denn, sie ist jung und von sich aus sexuell aktiv, dann ist das schlecht (vgl. Abneigung gegen Jess, teilweise Abwertung, Annahme einer "Mentorenrolle" ggü ihr - eine der Protagonistinnen; Abneigung gegen seine minderjährige Affäre) und gegenüber Maureen kommt ein bedauernswerter Ton durch (Maureen lebt in Isolation, kümmert sich um schwer behindertes Kind, hat gar kein Sex; sinngemäßes Zitat: "Es wäre wie ein Märchen, wenn maureen und ich zusammenkommen würden. So ist es aber nicht." --> auch eine Frau, an der er nicht interessiert ist, wird hypothetisch in eine potenzielle Beziehung gestellt.
Maureen, weiß, englisch, weiblich, Anfang bis Mitte 50, pflegt ihren Sohn/keine Arbeit außerhalb der Care Arbeit, Arbeiterschicht (angenommen), hat das Haus ihrer Schwester geerbt; einziger Kontakt: Kirche; guckt ansonsten Trash-TV und zieht daraus ihr Wissen über andere Menschen
- sehr entsexualisiert und unsichtbar, mausgrau, depressiv, einsam, isoliert, sehr ins Private gekehrt
- hatte einmal Sex (vorehelich!), die Beziehung ist auseinander gegangen, ein Sohn mit Behinderung (nicht näher benannt: Rollstuhl, Atemmaschine und unklar, ob er Dinge wahrnimmt) kommt aus dieser einmaligen Sex-Sache --> wirkt als wäre das behinderte Kind die Strafe und ihre Isolation die Buße - wandelt sich zum Glück zum Ende des Romans, da sie an sozialen Kontakten gewinnt, einen Job annimmt und sich die Pflege teilt --> Maureen wäre ein fantastischer Charakter um die soziale Benachteiligung, tatsächliche Isolation und eingeschränkten Bewegungsradius von Menschen, die als Hauptpfleger*innen für ihre pflegebedürftigen Angehörigen zuständig sind, aufzuarbeiten - allerdings wird sie hauptsächlich als Mitleidsoutlet/Tränendrüse verwendet und Punchline, wenn es darum geht, wer es am meisten verdient hat, sich umzubringen
- christlich-religiös, genaue Denomination kann ich nicht bestimmen, zweifelt teils am Glauben, bestärkt ihn später wieder
- auch die Vorurteile, die sie äußert könnten dafür verwendet werden, um genau jene aufzuarbeiten.... aber irgendwie wirkt sie hauptsächlich moralisierend
Jess, weiß, englisch, weiblich, ca Anfang 20, Tochter des Bildungsministers, Oberschicht/hohe Mittelschicht, lebt im Haus ihrer Eltern, zieht später mit einem Partner in eine DIY-Wohnung und lässt ihr privilegiertes Umfeld hinter sich
- übersexualisiert, kehrt das Private von allen und sich selbst ins Außen, übertritt ständig alle Grenzen
- als oberflächlich, naiv, und unempathisch/grenzübertretend (Drogen, Kommunikation, Handeln gegen den Willen anderer, Gewaltbereitschaft) und manipulativ/offen lügend gekennzeichnet -> Problemjugendliche und "verrückt" --> jungen manipulativen Frau? teils verdorben wegen Drogen und Sex
- Anti-Maureen
- führ einfühlsame Episoden und soziales Engagement, das die Figuren vereint, wird der Charakter nicht gewürdigt
- sie wird erst "angenehmer" nachdem sie ihren Partner am Ende kennenlernt
- stilistische Besonderheit: kein Absatz bei neuen Dialogen, keine Anführungszeichen, viel "like, you know"
JJ, weiß, US-amerikanisch, ca Ende 20, untere Mittelschicht/Unterschicht, arbeitet im prekären Schichtsystem
- Musiker einer ehemaligen Band
-hat lange Haare und ist Amerikaner, darum wird es als super witzig dargestellt, dass er schwul sein könnte --> Stereotype/angenommene Sexualität als Witz
- liest "komplexere" Bücher, hauptsächlich von nachweislich depressiven und/oder suizidierten Autor*innen, herablassend auf den Intellekt/das Allgemeinwissen der anderen
- verbündet sich mit Maureen und hilft ihr aus ihrer Schale herauszukommen
- jung, sexuell aktiv, hatte eine Freundin, prügelt sich mit ehemaligen Bandmitglied
- stärkstes anti-islamistisches Narrative, "legitimiert" durch 9/11
- positiv. macht tatsächlich auf prekäre Situation von Immigranten aufmerksam; verwendet dabei dennoch rassistische Strukturen (die Menschen aus Afrika werden nur dadurch gekennzeichnet, dass sie aus Afrika sind; wohingegen Menschen von anderen Kontinenten mit Ländern kategorisiert werden)
--> JJ und Martin agieren je teilweise als Mentoren für die weiblichen Charaktere, wohingegen die Mühen der weiblichen Charaktere unsichtbar bleiben
--> alle reden irgendwie davon, dass sie sexuell aktiv sind; außer Maureen - da ist es super hervorgehoben, dass sie das Gegenteil ist
--> alle Figuren sind mehr oder weniger christlich. Maureen am Stärksten, jess am wenigsten.
--> ich habe mir mal den Spaß gemacht und den Anteil, der aus Sicht der jeweiligen Figuren in Seiten ausgezählt: Anteil im Buch - absteigend sortiert:
Martin,
JJ,
Maureen,
Jess*
*bei Jess, kann es daran liegen, dass ich Seiten und nicht Wörter gezahlt habe; wären ihre Dialoge stilistisch richtig ausgeschrieben, hätte sie eindeutig mehr Seiten
Auseinandersetzung mit Suizid
- erstmal nett, dass es behandelt wird; sollte als Thema viel mehr im öffentlichen Diskurs stehen und nicht so tabuisiert werden
- das zeigt sich in einer Unterhaltung am Ende des Buches, in der Jess dafür argumentiert, dass Suizid (bzw Toilettendinge - die Unterhaltung wird in dem Moment mit substituierten Thema geführt; aber es ist recht deutlich, dass Suizid und Toilettendinge in dieser Unterhaltung gleichbedeutend genutzt werden) mehr in der Öffentlichkeit stehen sollten, Martin argumentiert dagegen; JJ nimmt eine vermittelnde Rolle ein a.k.a. alle sollen selbst entscheiden
(auch interessant, dass der einzige Immigrant, der in dieser Geschichte was zu sagen hat, zwischen dem älteren halbwegs gut situiertem Mann und der jungen reichen Frau vermittelt
---> Umgang mit Suizid: Anfänglich wird (herablassend, a.k.a. scheinbar humorvoll) diskutiert, wer es am meisten verdient hätte, sich umzubringen
a) Martin, weil sein Leben im TV vorbei ist > sozialer Abstieg, im Bild des erfolgreichen Mannes gescheitert, von den Medien zerfressen
b) JJ, weil er gescheitert ist im Leben und kein wirkliches Ziel hat --denkt sich allerdings eine unheilbare Krankheit aus, um "besser" dazustehen
c) Jess, weil die Beziehung zu ihren Eltern katastrophal ist und sie alle mit dem Verlust ihrer älteren Schwester nicht klarkommen
dI Maureen, weil sie ein behindertes Kind pflegt.
Die Wahl fällt einstimmig auf Maureen, ihr Leben wird auf das grausamste dargestellt, was sich die Protas vorstellen können.
Schlussfolgerung: Lest es nicht. Wenn ihr es lesen wollt, bitte geht sicher, dass der Autor kein Geld dafür kriegt - und bestenfalls Amazon auch nicht.