Sprache: Englisch
Titel: Brick Lane [= Name eine Straße in London]
Autorin: Monica Ali
Genre: Urban Novel, Bildungsroman
Rating: ab 18
- wenn ab 16, dann als Gesprächsangebot nutzen; generell empfehle ich über das zu reden, was man liest
- meine Ausgabe hat circa 540 Seiten
- Preise sind massiv variierend
- auch im Deutschen unter dem Titel "Brick Lane" erschienen
Cover meiner englischen Ausgabe: Der Hintergrund ist weiß, der Titel in Großbuchstaben zweizeilig abgedruckt. Die Buchstaben werden von verschiedenen Farben und Mustern ausgefüllt.
CNs: u.a. Rassismus, soziale/emotionale/kulturelle Isolation, Zwangsehe, Migrationserlebnisse, Armut, Gewalt in der Ehe, Gewalt, Gewalt gegen Kinder, Gewalt gegen Frauen, geschlechterspezifische Gewalt, Gewalt in der Öffentlichkeit, Gewalt an Kindern, Ehebruch, Misogynie, Exorzismus, Vergewaltigung (mehrfach erwähnt), Säureangriff, Femizid, Verlust eines Babys, Tod durch Unfall, gewalttätige Aufstände, 9/11 (erwähnt), Hinrichtung (erwähnt), Schlachten von Tieren (erwähnt), Erpressung
Zitate kann ich leider nicht geben, weil das Buch nicht mehr in meiner Nähe ist.
Leseempfehlung mit der ausdrücklichen Anweisung, beim Lesen auf euch zu achten.
Das Buch zeigt extrem gut, wie einsam ein Mensch ist, der in einem anderen Land neu anfängt. Das zeigt sich in Chanu, dem Mann der Protagonistin, freiwillig nach England gegangen, der nie die Beförderungen und Jobchancen bekommt, die ihm zustünden. Obwohl er Kontakt in die britische urbane Welt hat, bleiben im die Möglichkeiten zur Teilhabe an der weißen Welt verwehrt.
Die Isolation findet sich auch/hauptsächlich in der Protagonistin Nazneen selbst, aus einem Dorf in Bangladesh stammend, an den viel älteren Chanu verheiratet. Sie ist sprachlich, emotional und gesellschaftlich isoliert und verbringt die meiste Zeit in der kleinen Wohnung in einem Sozialwohnblock in Brick Lane, London.
Ihre Isolation bricht erst auf, als Frauen aus ihrer Community zu ihr Kontakt aufnehmen, sie dazu motivieren, einen Job aufzunehmen (Näherin; in der Wohnung) und Englisch zu lernen, um sich in der Außenwelt navigieren zu können/Teilhabe außerhalb der Wohnung und des Wohnblocks zu haben. Von der inneren emotionalen Ausweitung erweitert sich auch ihr äußerer Kreis über Brick Lane hinaus, in dem sie auch allein(!) in andere Gebiete Londons vordringt - und teils innerlich und äußerlich verloren und angstvoll ist.
Immer wieder schreibst sie Briefe an ihre Schwester und die Korrespondenz macht den Kontrast zum isolierten Leben deutlich, da sie teils die einzige ehrliche Unterhaltung ist, die Nazneen führen kann bzw. aufzeigt, wann sie bewusst Dinge auslässt, um das Bild zu schönen.
Die Briefe von ihrer Schwester beschreiben sehr beiläufig unglaublich viel Gewalt. Und ich denke, das hat es für mich so erschreckend und schwer zu verarbeiten gemacht, dass einfach von einem Gewaltakt nach dem anderen berichtet wird und der Raum zu Aufarbeitung innerhalb der Geschichte gar nicht entsteht und auch nicht entstehen kann.
Die Briefe von Nazneens Schwester sind zudem in einem extrem brüchigem englisch gehalten, was das Lesen für mich ziemlich erschwert hat. -- Allerdings ist dieser Bruch vom Englisch, in dem über die Protagonistin beichtet wird und das Englisch der Briefe, fantastisch und zeigt ziemlich deutlich, wie schwer die Kommunikation der Schwestern ist - räumlicher Abstand von mehreren tausenden Kilometern, andere soziale Umgebung, andere Lebensumstände, anderer sozialer Stand, andere Sprache - und dennoch verständigen sie sich.
Geradezu gleichgültige Gewalt ist auch sehr präsent Erinnerungen von Nazneen an ihre Kindheit im Dorf.
Ich hätte mir sehr sehr gern CNs gewünscht, um zu wissen, worauf ich mich beim Lesen einlasse.
(Appell an alle, die in der Branche der Veröffentlichung arbeiten - wie wäre es mit CNs? Bitte inkludiert sie! Es sind keine Spoiler!)
Das Buch zeigt den schmerzhaften Spagat zwischen den Werten der eigenen Kultur und der Anpassung an das neue/unbekannte/feindliche(?) Umfeld - dem Druck von beiden Seiten zu genügen und der Ausgrenzung, falls dies nicht gelingt - und sich selbst dabei nicht zu verlieren. Die Suche nach Zugehörigkeit und Entfaltung des Selbstwertes. Das zeigt sich in Nazneen, ihrer Schwester, ihren Freundinnen, ihren Kindern, ihrem Mann.