… Lea ging einen schmalen Wald- Pfad entlang und schaute immer wieder hinauf in die Blättern die irgendwie wundervoll transparent wirkten, im morgendlichen Schein. Es war eine wahrlich magische Atmosphäre hier. Seit ihrem Koma, sah sie nun viel mehr die Schönheit dieser Welt und konnte sich an jeder Kleinigkeit freuen. Sie achtete viel mehr auf alles. Freute sich dort an einer kleinen Schar Mücken, die in der Abendsonne tanzte, bewunderte da eine kleine Blume, die allein in einer Mauernische wuchs, erblickte dort eine wunderschöne, grüne Raupe an einem Zweig und da einen kleinen Marienkäfer auf einer wilden Hecken-Rose.
Sie ging bewusster jeden Schritt, hörte alle Geräusche der Natur, die Geräusche die sie selbst machte, die Geräusche, die ihr junger Schäferhund mit den wunderschönen, haselnussbraunen Augen machte. Er ging ein Stück vor ihr, schnupperte da und dort und hielt seine schwarzglänzende Nase in den Wind, wenn ihm eine besonders interessante Fährte in die Nase stieg. Fährten gab es hier im Wald so einige und manchmal wünschte sich Lea, sie hätte diese selbst sehen oder riechen können, wie ihr Hund es vermochte. Die Spaziergänge mit ihm, machten ihr grosse Freude und sie war froh, dass sie nun jeden Tag regelmässig an die frische Luft gehen musste, denn das tat ihrer Seele sehr gut.
Auch sonst fühlte sie sich viel verbundener mit allem was um sie war. Sie war auch viel medialer geworden. Manchmal hatte sie das Gefühl, sie müsste nur die Hand ausstrecken und hinüber in eine unsichtbare Welt gehen, eine Welt, die sie nun viel intensiver spürte, als noch vor ihrem Sprung von der Brücke. Eine Welt die nur hinter einem Vorhang verborgen lag und die sie jederzeit betreten konnte. Manchmal da hatte sie so Momente da glaube sie, dieser Vorhang gleite ein wenig zurück und gäbe den Blick auf etwas gänzlich anderes frei. Das Licht und die Farben um sie, veränderten sich dann auf einmal, wurden klarer, strahlender, feinstofflicher. Sie hatte dann seltsame Visionen, in denen sie glaubte alle Grenzen der irdischen Welt höben sich auf. Manchmal erblickte sie fremde Welten, die sie noch nie zuvor gesehen hatte. Doch irgendwie fehlte ihr der Mut diese zu betreten, denn ihre Erinnerungen an all das was sie während ihres Komas erlebt hatte, machte ihr auch irgendwie etwas Angst, denn man wusste nie, welchen Schatten man dort noch begegnen würde.
Auch wenn einer der schlimmsten Schatten sich damals hatte auflösen können- der Schatten ihrer Depression. Dieser Schatten hatte sich verwandelt und stand ihr nun zur Seite als wundervolles, geflügeltes, weisse Einhorn. Sie hatte diese Einhorn immer vor Augen, wenn es ihr mal wieder nicht so gut ging und sie sah es vor sich, wie es mit seinen Hufen die dunklen Wolken vertrieb, die sich über ihr zusammenbrauen wollten. Dann fühlte sie sich sogleich besser und sie hatte nie mehr unter Depressionen gelitten, seit dieser Reise in die seltsame Zwischenwelt. Irgendwas hatte sie jedoch von jener Welt mitgenommen, etwas Wunderbares und zugleich auch etwas Beängstigendes. Es war wie Magie. Ja Magie… sie hatte besondere magische Kräfte entdeckt, wusste jedoch noch nicht genau, wie sie damit umgehen sollte…
Ganz tief in sich versunken ging sie dahin, schaute auf den Waldboden, der hier übersäht war mit weissen und gelben Buschwindröschen. All das hatte so etwas Bezauberndes, etwas wahrlich Feenhaftes an sich. Etwas Feenhaftes… Sie hielt plötzlich inne und schaute sich um. Auf einmal war ihr, als würde der Vorhang der irdischen Welt erneut zurückgleiten, alles begann seltsam zu leuchten und zu pulsieren und… es kam ihr plötzlich vor, als sähe sie seltsame Lichtschwaden über dem Beet aus Blumen hin und her wabern. Was war das nur? Sie konnte es nicht erkennen. Sie blickte nach oben ins Geäst der Bäume, welches wie ein Dom- Dach über ihr lag und auch dort oben, schwebten so seltsame Lichterschwaden. Sie umschmeichelten alles und hinterliessen überall leuchtende Spuren. Was war das?
Lea fand sich wieder am Fusse einer mächtigen, knorrigen Buche. Diese musste schon recht alt sein. Sie fühlte sich auf einmal seltsam müde und setzte sich spontan mit dem Rücken gegen den glatten Stamm. Die Leine ihres Schäferhundes band sie ebenfalls um den Stamm und dieser legte sich sogleich neben sie und bettete seinen Kopf auf ihre Knie. Lea war irgendwie sehr berührt und streichelte das Tier sanft, während sei träumerisch alles um sich herum in sich aufnahm. Sie sah ein weiteres Mal diese seltsamen Lichterschwaden und plötzlich wurden ihre Lider ganz schwer.
Sie schloss ihre Augen, spürte den festen Stamm im Rücken, der ihr irgendwie ein Gefühl tiefer Geborgenheit und Stärke vermittelte und die Wärme ihres Hundes, der ganz nahe neben ihr lag. Irgendwo ganz nahe bei ihr, rief plötzlich ein Rabe… Und dann… auf einmal, schien sich alles um sie herum zu verändern und sie erblickte vor sich eine gänzlich fremde Welt! …
Es war ebenfalls ein Wald, doch vollkommen anders, als sie es sich gewöhnt war. Viel dichter und dunkler, wilder und voller Magie. Kleine Lichter tanzten zwischen den Stämmen, und den Ästen der mächtigen Bäume. Dies erinnerten sie irgendwie an Irrlichter, doch das waren auch noch andere grössere Lichter, die hinter sich her eine glitzernde Spur zogen, welche sich in Form von Feenstaub auf die dicht wachsende Vegetation legte. Dort wo dieser Feenstaub hinfiel, begannen Knospen zu spriessen und neue Blätter gingen auf. Es gab hier, trotz des Zwielichtes, wundervolle Blumen; Blumen, die Lea noch nie gesehen hatte.
Ungläubig schaute sie sich um. Wo war sie? Plötzlich bekam sie es wieder mit der Angst zu tun, war sie wieder ins Koma gefallen? Aber das konnte doch nicht sein, eben noch, hatte sie sich doch noch an einem Buchenstamm gelehnt. War sie möglicherweise eingeschlafen? Aber all das hier, fühlte sich irgendwie anders als Schlafen an. Wie war sie hergekommen? Auf einmal stupste sie eine feuchte Nase von der Seite an. Sie wandte sich erschrocken um und vor ihr stand ein junger Wolf mit schwarzbraunem Fell. Dieser Wolf kam ihr irgendwie seltsam bekannt vor. Sie blickte ihm in die Augen und konnte es kaum glauben. „Lupetto bist du das?“ frage sie. Lupetto war ihr Hund in der… irdischen Welt aber warum… war er nun zu einem Wolf geworden? Wo war sie, was hatte es mit all diesen Dingen bloss auf sich?
Sie schaute sich in dem Wald um und sie kannte sich hier überhaupt nicht aus. Doch irgendwie gefiel es ihr hier. Besonders die vielen Lichter, welche den doch recht finsteren Wald mit ihrem Schein erhellten. Sie folgte einem der Lichter, welches die glitzernde Spur hinter sich herzog und versuchte es näher zu betrachten. „Meine Güte!“ entfuhr es ihr, denn tatsächlich hatte diese Licht eine Form, die Form eines kleinen Mädchens. Eine Fee! Es gab hier Feen! Das war ja unglaublich! Die Feen versammelten sich nun um sie und betrachteten sie neugierig, es gab männliche und weibliche von ihnen. Der Feenstaub, der von ihnen abgegeben wurde, kitzelte sie in der Nase und sie musste plötzlich niesen. Ebenso ihr Wolf, der das leuchtende Schauspiel ebenfalls erstaunt und mit leicht schräg haltendem Kopf mitverfolgte. Die Feen umschwebten auch ihn und er schaute ihnen mit grossen Augen nach. Lea ging voller Faszination über das weiche Moos, das am Boden des Waldes wuchs, es federte wunderbar unter ihren Füssen. Es gab hier eine Menge uralte Bäume, einige davon waren auch umgestürzt, doch bereits wieder von Moos, Pflanzen und verschiedensten Pilzen überwachsen worden. Es gab hier auch Zunderpilze, in rauen Mengen sogar.
Vereinzelte helle Stahlen, einer kaum sichtbaren Sonne, fielen in Streifenmustern bis hinunter auf den Waldesgrund und zeichneten goldene Lichtpunkte darauf. Überall gab es dichte Bodenvegetation, Lea musste sich teilweise richtiggehen hindurchkämpfen. Grosse Blätter und herrliche Blumen erfreuten ihre Augen. Sogar Orchideen wuchsen auf den knorrigen Bäumen und die Luft war erfüllt von Vogelschreien. Sie lauschte und hörte erneut den Raben rufen… nein nicht nur einen Raben, es mussten mehrere sein. Ihr lautes Krächzen durchdrang den Wald, sie mussten sehr nahe sein. Sie folgte ihren Schreien und schaute dem Stamm einer uralten Esche empor. Gerade huschte ein rotbraunes Eichhörnchen an ihm hinauf und versteckte sich in den untersten Ästen und dort… erblickte sie dann auch den ersten Raben. Dieser schaute ihr direkt in die Augen und neigte leicht seinen dunkelbefiederten Kopf, als würde er sie mustern. Irgendwie war Lea das etwas unheimlich. Zumal der Rabe tatsächlich nicht allein war, sondern in Begleitung von 5 anderen, welche sie nun alle eingehend musterten.
2. Kapitel
Der schwarze Ritter
„Was… wollt ihr von mir?“ wollte dir Frau gerade fragen, doch in diesem Moment, erfüllte lautes Getöse und Geknacke den Wald und die Raben flogen laut schimpfend davon. Lea und ihr Wolf wendeten sich erschrocken in Richtung des plötzlichen Lärms. Es klang, als würde etwas ziemlich Grosses durch das Dickicht des Waldes brechen, ohne Rücksicht auf die Zerstörung die es dabei anrichtete. Auf die leuchtenden Feenlichter wurden unruhig, stoben auseinander und waren ganz plötzlich verschwunden. Dunkelheit senkte sich über den Wald und es wurde Lea mulmig zu Mute. Eigentlich wollte sie auch flüchten und sich verstecken, doch irgendwie war sie wie angewachsen und starrte einfach weiter in die Richtung des Lärms. Sie konnte nun beinahe nichts mehr erkennen und sie erinnerte sich mit Schrecken an ihre Erlebnisse in der letzten Zwischenwelt, wo immer, wenn es so dunkel wurde, das finstere Monster aufgetaucht war. Wiederholte sich diese Geschichte hier erneut? Wo war sie, was erwartete sie hier?
Der Lärm kam immer näher, Äste brachen, Erde wurde aufgewirbelt von donnernden Hufen und dann auf einmal, tauchte vor ihr ein riesiger schwarzer Ritter mit rotglühenden Augen auf. Er ritt auf einem feurigen Rappen, dessen Augen ebenfalls tiefrot blitzten und… Lea hatte das ungute Gefühl, dass hier ein weiteres, dämonisches Monster auf sie zu preschte…