Du bist Allyster der Sehende.
Deine Begleiter stimmen dir rasch zu. Also wendet ihr euch von der Straße ab und schlagt euch tiefer in die dichten Tannenwälder. Bald wird es um euch her dunkler, bis ihr kaum eine Pferdelänge weit sehen könnt. Die Schatten unter der dichten Tannenkrone verbergen Gräben, Dornensträucher und andere Hindernisse, sodass ihr schließlich aus dem Sattel steigt und die Pferde zu Fuß durch das Unterholz führt.
Flüsse hört ihr glücklicherweise am rauschenden Wasser, bevor ihr hineinstolpert. Doch andere Gefahren seht ihr oft gar nicht erst kommen.
Immerhin seid ihr sicher, dass niemand euch zufällig hören oder euer abendliches Feuer sehen könnte. Es fühlt sich an, als wärt ihr meilenweit in der Wildnis, auch wenn das eigentlich nicht sein kann. Der Wald ist erstickend still, allerdings nicht leise. Im Gegenteil, überall raschelt es im Unterholz, manchmal erklingen die Rufe fremdartiger Wesen. Hirsche in der Brunft? Wölfe? Bärenknurren? Du kannst nichts davon einordnen. Doch der Wald schluckt gleichzeitig Geräusche wie euere Stimme. Wenn du hinten reitest, kannst du Elred an der Spitze der Gruppe, kannst du ihn kaum verstehen. Das lässt die Tierrufe nur noch bedrohlicher erscheinen. Als würde der Wald nur ihnen Raum bieten, während er euch deutlich zeigt, dass ihr hier nicht willkommen seid.
Da ihr die Sonne kaum erkennen könnt, könnt ihr euch auch nicht gut orientieren. Ihr haltet euch so gut wie möglich in südlicher Richtung und vertraut notgedrungen darauf, dass der Wald schon irgendwo enden wird.
Vielleicht ist das Ende ja schon dicht vor euch! Denn als ihr in den Wald geritten seid, dauerte es auch nicht lange, bis er euch so dicht umhüllte, dass ihr euch isoliert gefühlt habt.
Als der Abend anbricht, schwindet das letzte Licht, das euch begleitete. Ihr haltet früher als geplant, da ihr schlichtweg nichts mehr erkennen könnt.
„Wir brauchen ein Feuer“, stellt Elred fest. „Und zwar schnell.“
„Können wir hier überhaupt rasten?“, fragst du. Du weißt nicht, wie viel Gebüsch um euch herum ist. Du möchtest den Wald natürlich auch nicht abfackeln.
Also bestimmt ihr zuerst tastend die Größe eures Lagerplatzes, dann schichtest du blind das Feuerholz auf. Noch während ihr damit beschäftigt seid, raschelt es in den dichten Büschen um euch herum.
„Wer von euch war das?“, fragt Karja alarmiert.
Du siehst dich um. Es ist tatsächlich vollkommen unmöglich, etwas zu sehen. Entschlossen hebst du die Hand und murmelst: „Elya!“ Licht. Sofort erscheint eine goldene Kugel schwebend über deiner ausgestreckten Handfläche.
Ihr Licht blendet dich im ersten Moment. Im nächsten reißt dich etwas von den Beinen. Undeutlich erkennst du dunkle Schatten, die euch fast bis zur Hüfte gehen und auf die Lichtung stürmen. Du wirst zu Boden geschleudert, prallst ab und wirst sogar ein Stück in die Luft gehoben. Dort bleibst du schweben, das Licht noch in der Hand.
Elred hat das Tigerauge aktiviert.
So kannst du fast armlange Hauer in der Dunkelheit schimmern sehen. Es sind Wildschweine, jedoch sind sie gewaltig. Die Rotte donnert mit stampfenden Hufen über eure Lichtung. Sie zertrampeln das aufgeschichtete Holz, das unter ihrem Gewicht splittert. Dabei sind sie jedoch unheimlich still. Kein Quieken, kein Schnaufen, nichts, als das Geräusch der Hufe auf dem Waldboden.
Du drehst dich in der Luft. Wieder kommt der Boden auf dich zu. Du versuchst, deinen Sturz abzufedern und Halt auf der Erde zu finden, doch du hast deinen Schwung unterschätzt. Wieder prallst du ab und fliegst in die Luft, wo du verzweifelt nach Gräsern haschst. Jetzt spürst du auch den Schmerz in deiner Seite, wo dich irgendetwas angerempelt hatte. Zwar blutest du nicht, doch der Schlag war so kräftig, dass er seine Rippen bei jedem unendlich langsamen Atemzug schmerzen lässt.
Du siehst deine Gefährten aus dem Augenwinkel. Elred steht am Rand der Lichtung und greift nach Pfeil und Bogen. Karja hat ihren Säbel bereits gezückt und richtet ihn auf die Stirn einer riesigen Bache. Die Klinge trifft, die Piratin lehnt sich mit ihrem gesamten Gewicht hinein. Doch das Wildschwein stürmt nicht nur weiter, es wird sogar schneller, reißt den Kopf hoch und schleudert Karja in den Himmel. Kurz begegnest du ihrem panischem Blick, dann fliegt sie über die Grenzen deiner Lichtkugel hinaus in die Dunkelheit.
Wie stark sind diese Monster? Einige sind so nah hinter dir, dass du ihren Atem riechen kannst. Hufe, Hauer und die Mäuler kommen immer näher. In ihren Augen steht nichts als Irrsinn und Angst.
Du bemerkst eine Bewegung hinter Elred. Außerhalb der Lichtung sind noch mehr Wildschweine. Eines stößt die Bäume hinter dem Elfen zur Seite, ein großer, hellbrauner Keiler, der im nächsten Moment mit den Hauern nach Elred schlägt.
Egal, wie langsam die Zeit gerade vergeht, du kannst ihn nicht warnen. Der Keiler erwischt Elred im Rücken, reißt ihn von den Beinen und wirft ihn in die Masse der restlichen Rotte. Blut spritzt auf. Du kannst sehen, wie Elreds Finger den Griff um den Schöpferstein lockern, unendlich langsam. Der Elf hat den Keiler nicht kommen sehen, er wurde überrascht.
Das Schnaufen und Trampeln um euch her wird lauter und schneller, je schwächer das Tigerauge wird. Erneut schlägst du auf der Erde auf. Dann ist die Rotte über dir. Hufe treffen auf dich, das Gewicht der springenden Schweine bricht dir sämtliche Knochen. Glücklicherweise verliert Elred das Tigerauge nun völlig aus den Fingern. Als letztes siehst zu Karja, die aus dem Himmel in die Wildschweine stürzt, um genau wie du zu Tode getrampelt zu werden.
Dann geht alles gnädiger Weise ganz schnell.
Dies ist kein Canon-Ende, deswegen gibt es hier keine Fortsetzung.
Um das Canon-Ende für Allysters Teil der Geschichte zu erreichen, musst du den Selenit für eine Vision nutzen.
Vielen Dank fürs Lesen und viel Spaß beim Weiterspielen!