Du bist Elred Aramys Nuvian.
„Und?“
Die gleiche Frage wie jedes Mal, wenn du in die Taverne trittst. Du hast die Tür noch nicht einmal hinter dir geschlossen. Mit einem müden Kopfschütteln antwortest du Allyster.
Deine Amsel hat euch immer noch keine Botschaft gebracht.
Niemand sonst ist im Schankraum der Taverne. So brennt auch kein Feuer, an dem du dich aufwärmen könntest. Fröstelnd setzt du dich zu deinen Gefährten. Der Wirt ist noch nicht wach, sodass ihr das gesamte Gasthaus für euch habt.
Ihr habt keine Nachricht von Arthrax, Brenna und Aji. Dabei wartet ihr schon zwei Wochen in der Taverne. Die letzte Nachricht habt ihr auf dem Rückweg von Flutheim erhalten, darin schrieben eure Gefährten, dass sie die Dschungel erreicht hätten. Seitdem kam nichts mehr. Weder über die Elster noch indirekt – etwa, dass die Nordgrenze von Oylen ja Bereenga angegriffen wurde oder etwas in der Art, was euch sagen könnte, was aus euren Freunden geworden ist.
Viel kann passiert sein. Ein Horrorszenario ist schlimmer als das letzte. Brauchen eure Freunde einfach nur mehr Zeit für ihre Mission? Oder wurden sie gefangen? Getötet? Konvertiert, wie es der Jarl bei dir versucht hat?
Ihr sprecht nicht darüber, doch die Sorgen sind überwältigend. Warum sonst sitzt ihr noch vor dem Morgengrauen im Schankraum und hofft auf ein Wunder? Die Angst um eure Freunde raubt euch den Schlaf. Ihr mögt in dieser Gruppe nicht immer einer Meinung sein, aber ihr seid dennoch ein Team.
Ein Klopfen an der Scheibe lässt euch zusammenfahren. Du wirbelst herum und sieht einen Vogel auf dem Fensterbrett. Deine Amsel hüpft auf und ab und blickt euch mit ihren Knopfaugen an.
„Endlich!“ Gefolgt von Karja und Allyster stürmst du nach draußen. Der Vogel flattert dir sofort auf die Schulter. Er ist abgemagert und pickt auf der Suche nach Körnern an deinem Kragen. Du hast den Beutel immer bei dir.
Während du den Vogel in der hohlen Hand fütterst, suchst du nach dem Zettel an seinem Bein.
Doch da ist nichts. Deine Amsel ist ohne eine Nachricht heimgekehrt. Das bedeutet, dass sie die beiden Krieger und Allysters Lehrling nicht gefunden hat.
Allyster und Karja haben es ebenfalls bemerkt. Mit verzweifelten Blicken sehen sie dich an, als könntest du durch irgendeine Magie entschlüsseln, was geschehen ist.
„Allyster“, sagst du leise. „Kannst du mir nochmal den Brief zeigen? Die letzte Nachricht?“
Hoffentlich war es nicht die allerletzte Nachricht deiner Freunde. Dein Herz sinkt bei diesem Gedanken noch etwas tiefer.
Der Zauberer entrollt das Papier, das ihr schon tausendmal gelesen habt.
Es ist die letzte Spur, die von der zweiten Gruppe geblieben ist.
- Nach einer wochenlangen Reise standen sie endlich vor einer undurchdringlichen, grünen Wand, dem Dschungelreich, das sich sehr abrupt an die Wiesen anschließt. Lies weiter in „Gefangen im Dschungel der Kannibalen“, Kapitel 1.
[https://belletristica.com/de/chapters/344049/edit]
- Optional: Bereenga, das Reich der Dschungel, ist ein giftiges Labyrinth aus lebenden Pflanzen, unter dessen dichter Blätterkrone fremdartige Rufe schallen. Lies zuvor „Gefangen im Dschungel der Kannibalen“, Prolog.
[https://belletristica.com/de/chapters/337518/edit]
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Das ist natürlich kein Zwang und du solltest das nur tun, wenn du gerade etwas entbehren kannst.
So oder so bedanke ich mich vielmals für's Lesen!