Damals, du mit deinen Haaren, so durcheinander wie nach einem Sturm. Dein Lächeln im Gesicht. Ich habe mich immer gefragt, wieso du lächelst. Das habe ich nie verstanden. Wie konntest du in dem Moment glücklich sein? Keiner war jemals glücklich, also so richtig glücklich.
Ich wusste gar nicht wie das geht. Glücklich zu sein. Es war einfach alles so leer.
Du sagtest, dass du mir was zeigen musst. Ein Geheimnis. Ich bin dir gefolgt, war gespannt was du mir so geheimnisvolles zeigen könntest.
Dann sah ich es. Der ganze Raum war überfüllt mit alten Schriften. Ich konnte damals nicht lesen, denn es hat keinen interessiert. Ihnen war alles egal. Es war einfach alles nicht so wichtig.
Wofür das ganze? Ich konnte es nie verstehen.
Doch als ich diese ganzen Bücher sah, mit ihren verzierten Buchstaben, ihren Kunstvoll verzierten Einbänden, ihrer Magie die sie ausstrahlten.
Das hat mich fasziniert. Denn ich hatte bisher noch keine einzige Schrift gesehen. Nur die ganzen Zettel mit den Gesetzten, die von den Soldaten aufgehängt werden.
Ich wollte diese nicht lesen, denn laut den Reaktionen der anderen war es nicht wichtig.
Es gab einfach keinen Grund lesen zu lernen.
Doch jetzt wollte ich es lernen. Wollte wissen was darin steht. Dein Blick, die Art wie du diese Schriften angesehen hast, deine Begeisterung hat mich mitgerissen.
Es war das erste Mal, dass ich jemanden so begeistert gesehen habe. Es war magisch.
Du brachtest mir lesen bei. Wir fingen an zu Träumen. Von Gefühlen. Von Freiheit. Vom Leben. Und deine Eltern fanden es sogar toll.
Dabei war ich mir sicher, dass es verboten war.
Aber es war uns egal. Jeden Tag trafen wir uns zum Lesen, meine Eltern fingen schon langsam an zu meckern, warum ich so oft weg sei. Ich sollte lieber arbeiten. Immer arbeiten.
Wir lasen über grausame Kriege und dass das Leben damals so viel schöner war.
Diese Träume, sie waren das Schönste was ich erlebt hatte.
Ich fühlte mich nicht leer, sondern voller Leben.
Leider war diese Zeit nicht unendlich.
Wir haben nie darüber geredet, aber es hat unsere Freundschaft zerstört. Und uns.
Sie haben die Bibliothek entdeckt.
Einfach angezündet. Alle Schriften vor unseren Augen verbrannt.
Und dann. Dann haben sie deine Eltern wie wilde Tiere angegriffen. Haben ihnen Finger abgebissen, alle möglichen Knochen zertrümmert, Beine abgetrennt, Augen ausgestochen, die Organe und Gedärme aus dem zuckenden Körper gerissen und einfach im eigenen Blut sterben lassen. Genau geplant. Schritt für Schritt. Wie Monster. Einfach nur aus Spaß am Quälen.
Die ganze Zeit vor Freude gelacht. Mit blutverschmierten Mündern. Manche haben sogar absichtlich das Blut aufgeleckt.
Dann sind sie einfach verschwunden. Wir waren alleine. Saßen im Blut deiner Eltern.
Du warst seitdem immer still. Konnte nie wieder mit dir vernünftig reden. Du bist erloschen, wie eine Lampe. Und ich war wieder leer. Schlimmer als vorher.
Ich habe meinen Vater angebettelt, dass du im Laden arbeiten darfst.
Wir arbeiteten jeden Tag zusammen, waren noch stärker verbunden und uns doch so fremd.
Wir waren andere Personen. Personen ohne Leben.
Erst Jahre später hörten diese Albträume auf.
Ich konnte all das Überwinden, indem ich wurde wie alle anderen. Leblos im Inneren. Kalt.
Doch dir gelang es nicht. Habe gesehen, wie du darunter gelitten hast. Doch ich konnte dir nicht helfen. Keiner konnte dir helfen.
Du musstest alleine klar kommen.
Komplett allein.
Und keiner weiß davon.
Mein Vater mag dich nicht, weil du manchmal nicht arbeiten kannst. Du bist unzuverlässig. Doch er hat keine Ahnung. Keiner hat Ahnung davon.
Selbst ich nicht.
Und das ist das schlimmste daran.
Dich so zerstört zu sehen.
Und nichts machen zu können.