Kapitel 4
„Möglich. Aber sie würden mich dann für einen naiven Idioten halten. Sie sollen immerhin denken, dass das was sie für mich wollen nicht das richtige ist, daher die spätere Trennung in der du... mich betrügst oder sowas, aus irgendeinem Grund“, erklärte Darwin abwinkend.
Scarlett hob eine Augenbraue. „Das klingt sehr durchdacht“, stellte sie fast schon belustigt fest.
„Wir werden eben noch sehen was am besten passt. Hauptsache sie hassen dich am Ende, obwohl sie dich vorher mochten“, erklärte Darwin schnaubend und wandte sich wieder der Aussicht zu. Kopfschüttelnd durchblätterte Scarlett die Mappe überfliegend. Sie war wirklich um einiges dicker, als ihre Familienmappe wohl sein würde. Stirnrunzelnd hielt sie inne, als sie sogar ein Bild von Prinzessin Diana entdeckte.
„Entschuldige die Frage aber wie kommt jemand wie du auf die Idee ausgerechnet ein Escort Girl anzuheuern um es als Freundin für seine Eltern auszugeben?“, fragte sie weil sie so überhaupt nicht nachvollziehen konnte, warum man sowas tat.
Darwin räusperte sich und steckte ein wenig überfordert die Hände in die Taschen seines Bademantels, während er West Hilfesuchend anblickte. „Ich war in den letzten Jahren nicht unbedingt der Liebling meiner Eltern“, erklärte er ausweichend.
„Mister Christensen kommt langsam in ein alter, in dem sich seine Eltern mehr für ihn wünschen. Und sollte er nicht bald diese stabilere Lebensrichtung einschlagen... wird ihm ‚der Hahn zugedreht‘. So haben Sie es doch geschrieben, nicht wahr?“, fügte West für ihn nüchtern hinzu, worauf Darwin nur beleidigt das Gesicht verzog.
„Danke, West“, schnaubte er verärgert.
„Nun ich schätze jeder hat so seine Probleme“, murmelte Scarlett nachdenklich. Das war unglaublich interessant. Es schien als hätten seine Eltern genug von seinen Medienauftritten.
„Sie denken sie wüssten was gut für mich wäre, aber ich bin zufrieden mit meinem Leben. Deswegen sollen sie merken, dass sie vielleicht gar nicht so richtig liegen, mit dem was sie für mich wollen“, erklärte Darwin.
„Das haben Eltern so an sich“, murmelte Scarlett. Sie wollte nicht sagen, dass sie glaubte, dass diese Aktion wohl nichts bringen würde, aber sie kannte seine Eltern auch nicht. Außerdem konnte sie diese verstehen. Wenn sie das aus den Klatschblättern für wahr erachtete, war er wirklich zu alt für diese Art von Lebensstil. Ob er überhaupt selbst Geld verdiente?
„Keine Entschuldigung mir das Leben zu verwehren“, erwiderte Darwin damit und bewegte sich wieder auf die Couch zu, um sich neben Scarlett auf die Armlehne zu setzen. „West steht dir jederzeit zur Verfügung, sollte ich mal nicht da sein oder du was brauchen. Ansonsten ist es dir verwehrt die Wohnung ohne Begleitung zu verlassen. Sprich entweder mit mir oder mit West“, erklärte Darwin weiter.
Das klang als würde er sie einsperren. Aber sie verstand schon warum. „Aber Facechat mit Freunden ist erlaubt oder?“, fragte sie sicherheitshalber.
Fragend blickte Darwin zu West, als würde er diese Frage an ihn weiterleiten. Dieser nickte leicht und beruhigend Darwin zu.
„Ich denke solange du nicht zu viele Details preisgibst ist es in Ordnung. Natürlich soll die Lüge morgen nicht als neuer Skandal in der Cosmopolitan erscheinen oder wo auch immer“, stimmte Darwin widerwillig zu.
„Ich habe kein Interesse daran, dass mein näheres Umfeld erfährt, dass ich als Escort arbeite. Also werde ich mich hüten etwas in die Richtung erfährt“, erklärte Scarlett beruhigend.
„Soll das heißen... das ist dein erster Auftrag?“, fragte Darwin nun misstrauisch und deutete demonstrativ auf den Boden.
„Habe ich das gesagt?“, fragte Scarlett gespielt überrascht. Würde er noch einmal fragen konnte sie ja sagen dass das der erste Auftrag dieser Art war. Was noch nicht einmal gelogen war.
„Du sagtest diene Freunde sollen nicht wissen, dass du als Eskorte arbeitest... das heißt doch, du machst das hier noch nicht so lange. Sonst wäre es doch aufgefallen“, wandte Darwin nun ein und schien wirklich besorgt über diese Tatsache. „Die haben mir eine Praktikantin geschickt“, wandte er fassungslos an West.
Scarlett verzog ein wenig den Mund. „Meine Freundin hat mich auf diesen Job gebracht, weil ich schnell genug Geld für die OP meiner Mutter brauche“, erklärte sie missmutig, da sie Angst hatte damit diese Sache verhauen zu haben. Sie wollte aber auch nicht zugeben, dass sie das erste Mal dabei war. „Außerdem wäre es egal, denn keine Escort hat normalerweise Erfahrung damit eine Freundin zu fake. Zumindest nicht auf diese Art.“
Darwin blickte sie noch immer alles andere als begeistert an und schien ihr nicht zu vertrauen.
„Das reicht. West bringt dich auf dein Zimmer. Essen gibt es erst um acht, du kannst West deine Wünsche zukommen lassen“, wann Darwin müde ab und erhob sich wieder, um hinaus auf den großen Balkon zu treten.
Das war eine Abfuhr, mit der die nicht gerechnet hatte. Aber zumindest schickte er sie nicht komplett zurück. Das war gut, hoffte sie.
Scarlett erhob sich, um West zu folgen. Abendessen um acht. Für ihn wohl Frühstück da er erst nach dem Mittagessen aufgestanden zu sein schien.
Er führte sie hinauf in den zweiten Stock, von wo aus sie durch die hohe gläserne Wand, Darwin auf dem Balkon erblickte, wie er anscheinend gerade telefonierte.
„Der Pool, Whirlpool sowie Wohnräume, Küche und Bäder, sind für sie frei zugänglich. Bis auf Mister Christensens Schlafzimmer, selbstverständlich“, erklärte der Mann und deutete im Vorbeigehen auf eine Tür.
„In Ordnung“, murmelte sie und Scarlett fiel ein Stein vom Herzen. Er würde also hoffentlich keine Schlafzimmerdienste einfordern. Etwas was eigentlich auch nicht zu ihrem Aufgabenbereich gehörte aber was ab und an gefordert wurde. Bei Darwin hätte sie damit auch weniger Probleme. Dennoch würde sie sich damit sehr unwohl und beschmutzt fühlen.
Sie hatte schon so einige Geschichten von Marian gehört, doch von der Agentur selbst, schien es prinzipiell unerwünscht. Doch es stand nirgends geschrieben, dass es untersagt war... Marian hatte gesagt, dass die Männer, dies meist mit den Frauen selbst vereinbarten und auch bereit waren bar zu zahlen, damit es nicht über die Agentur lief.
Darwin war ein interessanter Junggeselle und sie würde wohl nicht nein sagen, wenn es dazu kommen würde, aber das kein Vertrag sie fesselte war gut.
„Das hier ist ihr Zimmer. Ich werde mich mit Mister Christensen unterhalten und wahrscheinlich in nächster Zeit ihre Maße nehmen lassen, damit sie eine passende Garderobe bekommen“, erklärte West und öffnete die Tür zu Scarletts Wohnung für drei Monate.
Es war ein wunderschönes Zimmer, dass klinischer nicht hätte aussehen können. Doch zahlreiche Kissen, flauschige Teppiche und aufwändige Dekoration, machte es tatsächlich etwas heimischer. Vergleichbar mit zu Hause war es zwar noch lange nicht, aber ein netter Urlaub auf alle Fälle.
Ein teurer Urlaub, wie Scarlett bereits am Bett bemerkte.
„Es wird eigentlich als Gästezimmer genutzt, doch da Mister Christensen so gut wie nie Gäste hat, machen sie es sich gemütlich. Sollten sie etwas brauchen, zögern die nicht mich anzusprechen. Ich lasse sie jetzt allein“, verkündete West und Scarlett nickte ein wenig überfordert. Es wurde Zeit, dass sie mit Marian sprach.
Wobei sie fast schon Angst hatte das Handy in die Hand zu nehmen. Dennoch griff sie nach einem tiefen durchatmen danach und hob skeptisch eine Augenbraue, als sie die dreiundzwanzig verpassten Anrufe und vierundsiebzig ungelesenen Nachrichten sah. Jedoch sollte man dabei anmerken, dass Marian zu der Sorte gehörte, die nur ein zwei Wörter pro Nachricht verschickten. Nervig. Aber egal wie oft Scarlett sie bereits darauf hingewiesen hatte, sie lernte einfach nichts draus.
Scarlett überflog kurz die Nachrichten und konnte dann zusammenfassend sagen, dass Marina versucht hatte sie zu erreichen und nicht erfreut darüber war, dass sie es nicht geschafft hatte. In den letzten klang sogar ein wenig Sorge mit. Aber das war für sie recht typisch. Wenn es nach Marian ging, sollte Scarlett am besten permanent erreichbar sein.
Besonders nun an ihrem ersten Tag, schien sie sehr aufgescheucht. Gerade als Scarlett eine Antwort verschicken wollte, klingelte plötzlich das Handy und kündigte einen Facechat an, der von Marian ausging. Hatte sie wirklich gewartet, bis sie sah, dass Scarlett wieder online war? Es musste wirklich schlimm sein.
Also nahm sie mit einem Seufzen ab. „Marian, kannst du dir vorstellen, dass ich nicht permanent an mein Handy ran kann?“, fragte sie, auch wenn sie die Antwort bereits kannte.
Das braune Haar war zu einem unordentlichen Knoten hochgebunden, wo oben die violetten Spitzen überwogen. Die blauen Augen dabei kunstvoll geschminkt, wie es nur Marian schaffte. Sie hatte sie seltene Gabe mit make up einzuschlafen und am nächsten Morgen noch immer so fanatisch auszusehen wie am Vorabend. Und das ohne Hauptschäden. Doch ihr Gesicht war über die Jahre wohl schon abgehärtet.
„Kannst du dir vorstellen, dass mein Herz in der Brust implodiert bei dem Gedanken, dass du blutig in irgendeiner Gosse verwest? Und das sogar noch vor Weihnachten, wo du mir den Skiurlaub versprochen hast!“, erwiderte diese anklagend und zeigte vorwurfsvoll mit dem Finger auf ihre beste Freundin.
Scarlett verdrehte die Augen. „Du warst diejenige, die mich zu diesem Selbstverteidigungskurs geschleift hat, dann glaube wenigstens an mich. Also würde ich mich so einfach von jemanden in einer Gosse zusammenschlagen lassen“, konterte Scarlett, freute sich aber darüber, dass man sich Sorgen um sie machte.
„Sag das, nachdem du einer Kugel in die Eier getreten hast“, erwiderte diese verärgert, doch verengte nun prüfend die Augen, ehe sie dichter an die Kamera ging. „Bist du im Krankenhaus?“, fragte Marian skeptisch und machte große Augen, bei der Vorstellung.
„Nein, nein“, wank Scarlett seufzend ab. „Ich bin bei meinem Auftrag“, erklärte sie und schob ein wenig die Unterlippen vor. „Für die nächsten drei Monate. Es sei denn er entschließt sich mich doch früher rauszuwerfen. Leider wollte er jemanden erfahreneren“, murmelte sie wenig begeistert.