Dieses kleine Zucken reichte jedoch aus, dass sich Scarlett ihres Fehlers bewusst wurde. Statt das zu sagen, was sie hätte sagen sollen, hatte sie die Wahrheit gesagt. Aber das war wahrscheinlich auch gut, falls die Eltern sie tatsächlich durchleuchteten. Trotzdem fühlte sie sich schlagartig wieder unwohl.
„Iss lieber was, Süße. Wir haben heute noch nichts gegessen, also...", erklärte Darwin und rückte näher an den Tisch, um sich der Auswahl zu bedienen
Scarlett schenkte ihm ein Lächeln, das man, so hoffte sie, als verliebtes Lächeln interpretieren konnte und nahm sich ein paar der Speisen. Neben Obststückchen gab es eine Wurst- und Käseplatte sowie kleine Minisandwiches. Auch Bruschetta war vorbereitet, dass sich Scarlett nicht entgehen ließ.
„Wie lange geht das denn schon mit euch?", fragte Darwins Mutter plötzlich, während ein Kellner ihr einen Kaffee einschenkte.
Scarlett hielt in ihrer Bewegung inne und legte das Bruschetta zurück auf den Tisch, um in Ruhe zu ende zu kauen, in der Hoffnung Darwin sprach vor ihr. Jedoch war auch dieser gerade beim Essen. „Fast zwei Monate", erklärte Scarlett und entschied sich einfach den Tag zu nehmen, an dem sie Darwin wirklich kennengelernt hatte und diesen zwei Monate nach vorn zu setzen. So konnte sie notfalls einen Tag angeben, falls Ellen sie nach dem genauen Tag fragen würde.
Überrascht hob sie die Augenbrauen und führte die Tasse an ihre Lippen.
„Schon so lange? Und Darwin hat uns nichts erzählt", murmelte sie vorwurfsvoll und blickte ihren Sohn eindringlich an, der aber komplett mit seinem Essen beschäftigt war. „Wieso lädst du Scarlett nicht in unser Sommerhaus ein? Wir wollten nächste Woche hin", bot Ellen an und brachte Darwin ordentlich zum Husten.
„Nein... nein, nein. Ich... ich meine wir, hatten nicht vor mitzukommen", erwiderte Darwin so schnell, dass er fast keine Luft mehr bekam.
„Vielen Dank für die Einladung, aber aus familiären Gründen würde ich es lieber bevorzugen hier in der Nähe zu bleiben", erklärte Scarlett freundlich, aber bestimmt. Die Idee mit seinen Eltern mehr Zeit als nötig zu verbringen, gefiel ihr nicht sonderlich.
„Sie haben sie gehört, Mutter. Ein ander Mal", pflichtete Darwin ihr bei und nahm einen großen Schluck Orangensaft.
„Aber Olivia wollte mit Benji mitkommen. Der Kleine war noch nie dort und er würde sicher gerne seine neue Tante kennenlernen", seufzte Ellen traurig und legte ihrem Mann eine Hand auf den Arm, als würde sie Beistand suchen.
Bei dem Wort ‚Tante', konnte Scarlett nicht anders, als ein wenig die Augen aufzureißen und zu schlucken, doch sie verbarg es, indem sie sich wieder ihrem Essen widmete und Darwin das machen ließ. Immerhin waren es seine Eltern. Auch wenn er sie sehr höflich und distanziert ansprach.
„Und dann fragt ihr euch, warum ich sie nicht früher vorgestellt habe", grummelte Darwin und rieb sich angestrengt die Schläfen.
Scarlett fragte sich, ob sie bereits jetzt vortäuschen sollte, dass es ihr nicht gut ging, doch das wäre zu zeitig und wahrscheinlich zu auffällig.
Sie wusste nicht, ob sie etwas dazu sagen sollte oder nicht, als Darwins Vater das Wort ergriff: „Ellen, Liebes. Lass dem Mädchen Zeit. Du überfährst sie ja förmlich", versuchte er die ältere Frau zu beschwichtigen und tätschelte ihre Schultern.
„Aber findest du nicht sie sollte unser Haus sehen? Es war immerhin das erste was wir uns geleistet haben... da wo Darwin und Olivia aufgewachsen sind", verteidigte sie sich traurig.
„Aber doch nur, weil ich zu der Zeit die Firma geerbt habe... und Darwin war schon fünfzehn als wir dorthin gezogen sind... für zwei Jahre", korrigierte Thorkill sie ein wenig unsicher, der seine Frau nicht ganz verstand.
„Auf wessen Seite stehst du eigentlich?", fragte diese dann plötzlich und blickte ihren Mann vorwurfsvoll an.
„Wenn sie schon zwei Monate zusammen sind, dann wirst du schon noch die Gelegenheit bekommen ihr alles zu zeigen. Lass sie sich doch erst einmal an uns gewöhnen", versuchte Throkill seine Frau zu beruhigen und gleichzeitig auch ein wenig Partei für Scarlett zu ergreifen, da er Angst hatte, dass sie es schafften Darwins erste feste Freundin zu vergraulen.
„Wenn ihr uns entschuldigt. Ich wollte Scarlett gerne das Haus zeigen. Macht das unter euch aus", schaltete Darwin sich wieder ein und wischte sich den Mund ab, um aufzustehen.
Scarlett, der sowieso ein wenig das Essen vergangen war, griff ebenfalls zu der Serviette, tupfte sich den Mund ab und erhob sich unsicher, da Darwin bereits abwartend an sie herangetreten war. Sollten sie nicht erst seine Eltern fragen, ob das in Ordnung war? Trotzdem nahm sie bereits die ihr dargebotene Hand und ließ sich zu ihm ziehen.
Sobald sich die beiden von Ihnen wegbewegten, hörte Scarlett sie bereits wild miteinander diskutieren. Erst als sie wieder im Innenbereichen waren, seufzte Darwin gestresst und atmete erleichtert aus. „Ich hoffe dir ist klar, dass wenn mein Vater diese Diskussion verliert, wir übermorgen mitfliegen werden", warnte Darwin sie und schielte immer wieder misstrauisch zu den passierenden Kellnern.
„Deine Mutter ist keine Frau, die ein ‚Nein' akzeptiert oder?", fragte Scarlett unsicher, da das so nicht in den Akten gestanden hatte. Die Angst, dass dem wirklich so sein könnte, setzte ihr zu. Sie wollte wirklich nicht mehr Zeit als nötig mit ihnen verbringen, auch wenn der Vater ihr fast sympathisch war.
„Familie ist ihr sehr wichtig", erwiderte er und geleitete Scarlett die Treppe hinauf.
„Ja, das ist richtig, aber ich kann nicht mitkommen und meine Mutter alleine lassen. Sie braucht mich hier", murmelte Scarlett und das würde sie Ellen so auch sagen und sich weigern, sollte es dazu kommen. Wahrscheinlich würde sie sich damit zwar unbeliebt machen und vielleicht den Job verlieren, aber sie wollte ihre Mutter unter keinen Umständen nicht besuchen können, sollte es zu Komplikationen kommen.
„Versteh mich nicht falsch...", murmelte Darwin leise und blickte sich abermals um, ehe er oben angekommen Scarlett in das erste Zimmer zog, an dem sie vorbeikamen. „... mir hat die letzte Nacht auch gefallen, aber wir sollten nicht vergessen in welcher Beziehung wir zueinanderstehen. Ich bin dein Kunde... und du bist für meine Wünsche zuständig", stellte er klar, als sie beide sicher ungestört waren.
„Das mag sein, aber nicht für die Wünsche deiner Eltern. Du möchtest nicht, dass ich mitfahre, also werde ich eine Ausrede erfinden, warum ich nicht mitfahren kann, oder willst du das ich mitfahre, sollten sie sich dazu entscheiden?", flüsterte sie und legte den Kopf fragend schief. „Außerdem bin ich mir nicht sicher welche Ohren hier noch zuhören", fügte sie hinzu.
„Das ist Noahs Zimmer. Er ist ohnehin nicht zu Hause", winkte Darwin ab und ging einige Schritte durch das Zimmer. „Meine Eltern sollen dich mögen, denk dran. Und wenn das heißt, du musst mit uns fahren, um mit dem kleinen Hosenscheißer Badminton zu spielen, dann wirst du das tun", erklärte Darwin und blickte Scarlett eindringlich an.
Scarlett seufzte. „Was ich damit meinte war: Du solltest nicht alles für bare Münze nehmen, was ich sage, wenn uns jemand zuhören könnte. Wenn du unbedingt willst, dass ich mitkomme, dann werde ich das, aber wenn es sich ergibt, werde ich meine Mutter als Ausrede nutzen", versuchte sie sich zu erklären. Sie wollte ihre Mutter nur ungern allein lassen, aber sie wusste auch, dass sie Darwins Wunsch folge leisten musste. Im Moment gab es auch keine Anzeigen darauf, dass mit ihrer Mutter jeden Moment etwas passieren könnte. Noch hatte sie Zeit.
„Wenn wirklich irgendwas mit deiner Mutter sein sollte, werden wir dich zurückfliegen lassen."
Dieses Mal war es ein erleichtertes Seufzen, das ihre Kehle verließ, dennoch brannte noch immer eine Frage auf ihrer Zunge. „Das ist gut. Aber du möchtest, dass ich deine Freundin spiele. Dann sollten wir das auch in den Momenten durchziehen, in denen nicht sicher ist, ob uns jemand zuhören oder sehen kann. Warum also bekomme ich Ärger von dir für etwas, für das ich eigentlich hier bin?", fragte sie leise.
Prüfend verengte Darwin die Augen und schritt langsam und raubtierähnlich auf Scarlett zu, drängte sie sogar ein Stück zurück, bis sie mit dem Rücken an die Wand stieß. Dicht vor ihr hielt er inne und lehnte sich mit einem Arm gegen die Wand, so dass Scarlett eingekesselt war. „Würde ich dich wie meine Freundin behandeln, hätte ich dich schon längst übers Knie gelegt", sprach er langsam und behielt sie fest im Blick. Seine grünen Augen, schienen jede Stelle, die er ansah zu kitzeln.
Interessiert beobachtete er, wie sie erzitterte und ein wenig in Deckung ging. Gleichzeitig jedoch war da ein Ausdruck von Verlangen in ihrem Gesicht, den sie aber schnell wieder zu verstecken versuchte. „Bist du böse auf mich?", fragte sie unschuldig und blickte von unten zu ihm auf.
„Ja... ich wusste gar nicht, dass du ‚Servicemanagement' studierst", bemerkte er nüchtern und sah sie vorwurfsvoll an.
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