Kaum hatten die Worte ihren Mund verlassen, ging Darwin auch schon um die letzte Ecke und schob Scarlett voran. Was wohl nötig war, denn ihre Füße gehorchten ihr nicht so recht. Auf der anderen Seite angekommen offenbarte sich ihr eine große Sitzecke, mit relativ tiefen, aber breiten Sofas in schwarzer Farbe, ein großer Tisch, geschnitzt aus dunklem Wallnussholz in eckigen, symmetrischen Mustern und einer Glasplatte oben drauf, wo allerlei Spirituosen, Gläser und kleinere Gerichte standen. Gegenüber des Eingangs, wie Scarlett direkt auffiel, war die Wand jedoch nur halbhoch, und wirkte wie ein Balkon, von dem man in den unteren Raum blicken konnte. Doch um sich das anzusehen hatte sie keine Zeit. Menschen. Fremde Menschen die sie nicht kannte... Ob sie sie kennen sollte?
Darwin gab eine pauschale, wenn auch eher unpersönliche Begrüßung vor sich, bevor er Scarlett als seine Freundin vorstellte. Zum Glück waren es nicht allzu viele. Lediglich drei Frauen und zwei Männer... doch es war noch früh. Gerade eine der Frauen schien sehr begeistert und funkelte sie strahlend mit ihren braunen Augen an. Ein Gesicht, das kaum perfekter wirken konnte, mit kleiner Stubsnase, weißen Zähnen, langen Wimpern und vollen roten Lippen. Doch das lag wohl eher an der offensichtlichen zehnfachen Lage Makeup die sie trug.
Scarlett fragte sich, ob sie sich vielleicht auch hätte ein wenig mehr schminken sollen, doch sie hatte noch nie sonderlich viel von dieser Art des Makeups gehalten. Sie mochte es lieber dezent.
„Hallo", zwang sie sich zu sagen und die junge Frau ebenfalls anzulächeln. Diese ganzen fremden Menschen überforderten sie ein wenig. Wäre sie mit Freunden hier, hätte sie sich wahrscheinlich einen der beiden Männer zum flirten ausgesucht, denn diese waren überaus sexy, doch sie war mit Darwin hier. Ihrem Freund. Ein Umstand, der irgendwie seltsam wirkte.
Schwungvoll erhob sich die junge Frau, was ihre kurzen blonden Haare, die ihr kaum bis über den Nacken reichten, aufgeregt schwingen ließ. „Es freut mich sehr dich kennenzulernen! Ich bin Alexa. Setz dich zu mir!", polterte sie drauf los und ergriff fordernd Scarletts Handgelenk mit beiden Händen, um sie zu sich zu ziehen. Scarlett hatte kaum eine Chance auf Widerstand, als sie alles andere als elegant neben Alexa auf der Couch landete. „Alexa hat ein kleines Koffeinproblem musst du wissen", murmelte Darwin in die Runde, während er die anderen beiden Männer begrüßte und zwischen Scarlett und einem der Männer platznahm. Doch statt das Alexa ihn feindselig anfunkelte, nickte sie nur zustimmend mit einem breiten Grinsen.
Scarlett, die sich immer noch reichlich überfahren fühlte, nickte und entschied sich dazu, einfach genau das zu tun, was sie in einer anderen Situation in einer Bar ebenfalls getan hätte. Sich mit den Leuten bekannt zu machen.
„Freu mich dich kennenzulernen", gab sie von sich und versuchte sich an einem Lächeln. Alexa war ihr nicht unsympathisch, doch da auch Darwin ein kleines Problem mit zu viel Energie hatte, wusste sie nicht, ob sie zwingend noch jemanden in ihrer Nähe brauchte, der ihre Geduld auf die Probe stellte.
„Darwin hat lange niemanden mehr mitgebracht, besonders niemanden, der seine Jacke anziehen darf", lächelte sie neugierig und ergriff den Stoff von der Jacke, die Scarlett noch immer trug. Darwin selbst hatte es sich derweil auf der Couch gemütlich gemacht und die Arme auf der Lehne ausgebreitet.
„Sie ist nicht so eine Art Freundin wie du denkst, sondern meine feste", erklärte er und schielte an Scarlett vorbei zu Alexa. Diese blickte nun doch ein wenig entgeistert, wenn nicht sogar ungläubig.
„Wie fest? So richtig zusammen? So... mit: Wir unternehmen auch Sachen zusammen, ohne miteinander zu schlafen?", fragte sie irritiert und blickte immer wieder musternd zu Scarlett.
Durch die ganze Aufmerksamkeit wurde Scarlett ein wenig rot, was ihr nun zugutekam.
Sie versuchte die Blicke der anderen zu meiden, als wäre sie schüchtern und zog sogar die Jacke ein wenig enger um sich.
Sie wusste nicht genau, ob sie sich in die Unterhaltung einmischen sollte oder nicht, weshalb sie schwieg.
„Das hättest du ja wohl mal andeuten können. Wie lange geht es denn schon?", mischte sich einer der beiden Männer ein. Seine kurzen Haare waren blond und mit so viel Gel nach hinten gelegt, dass es wirkte wie bei den Halbstarken, die Scarlett aus ihrer Schulzeit kannte. Doch er war schon älter und die Sachen, die er trug, verrieten, dass er der Oberschicht angehörte.
„Vielleicht hab ich euch ja nur nichts erzählt, weil ihr sie sonst verscheuchen würdet", schlug Darwin sarkastisch vor und ignorierte beabsichtigt die Frage seines Kumpanen.
Dieser lachte bei Darwins Bemerkung laut auf. „Ist sie denn so ein Mäuschen, das man verscheuchen könnte? Das passt doch überhaupt nicht zu dir", lachte er, als würde Scarlett überhaupt nicht da sein.
Darwin schien darüber eher weniger begeistert und blickte ihn regungslos an. „Sie ist meine Freundin, also sprich nicht so von ihr", stellte er fest, was Scarlett doch sehr überraschte. „Schon schlimm genug, dass Ray das tut", murmelte er kaum hörbar, durch die laute Musik, als er nach einer Schale Nüsse griff.
Scarlett fühlte sich ein wenig geschmeichelt, dass er für sie Partei ergriff, doch sie wusste, dass er es wohl mehr tat, weil er den Schein ihrer Beziehung wahren wollte. So sollte sich ein Mann immerhin verhalten.
„Jetzt machst du mich nur noch neugieriger", grinste er, doch wandte sich Scarlett zu. Mit einem breiten Grinsen reichte er ihr die Hand. „Riley mein Name", erklärte er und Scarlett griff zögerlich nach seiner Hand. Kaum hatte sie das getan zog Riley sie nach oben. „Ein Problem damit, wenn ich deine Freundin auf die Tanzfläche entführe?", wollte er an Darwin gewandt wissen und da sich die beiden so nah standen, machte Scarlett einen Schritt zurück.
Ihre Augen verengten sich, während sie ihn anstarrte. War das sein Ernst? Er fragte Darwin, ob er mit ihr tanzen durfte? Im Normalfall hätte sie Zähne gezeigt und ihn zurechtgewiesen, doch sie wusste nicht genau, ob das hier angebracht war.
Auf einer Erdnuss kauend, hob Darwin den Blick erst zu Riley, dann zu Scarlett. Auf ihr verweilte sein grüner Blick länger, beinahe fragend. „Wenn du es schaffen solltest sie zu überreden", lächelte er amüsiert und blickte Riley herausfordernd an, als er sich wieder zurücklehnte und die Szenerie beobachtete.
Scarlett indes biss die Zähne fest zusammen. „Entschuldigt mal", sagte sie und Riley richtete seinen Blick wieder auf sie. „Was fällt dir eigentlich ein Darwin zu fragen. Wenn du mit mir tanzen willst, dann solltest du auch mich fragen", erklärte sie durch zusammengebissene Zähne. Das ging ihr dann doch zu weit. Vor allem, weil er ihr immer näherkam. Zu nah für ihren Geschmack.
Überrascht hob Riley eine Augenbraue. „Ganz schön bissig die Kleine, gefällt mir", meinte er anzüglich und trat noch ein Stückchen näher, was Scarlett dazu veranlasste ein wenig zurück zu weichen. Ihren blauen Blick dabei fest auf den Mann gerichtet, der ihr immer unsympathischer wurde.
„Ich hafte jedenfalls nicht, wenn sie dich wirklich beißt", meinte Darwin und versuchte sitzen zu bleiben.
„Treib es lieber nicht zu weit. Wir wissen immerhin nicht, wie Darwin so ist... wenn er eine Freundin hat", wandte Alexa nun besorgt ein, die immer wieder von Darwin zu Scarlett, zu Riley schielte. Auch wenn sie den letzten Teil eher zu sich selbst murmelte, doch Scarlett hatte ihn verstanden.
„Aber die Kleine ist so schnuckelig", meinte Riley ohne auf den Rest seiner Truppe zu achten. „Ich will doch nur mit ihr tanzen. Ich lass meine Hände auch bei mir. Versprochen." Während er das sagte setzte er einen Dackelblick auf und blickte damit zu Darwin und ignorierte Scarlett einfach.
Dieser gefiel das überhaupt nicht. Sie mochte solche Kerle nicht und würde auch nicht mit ihm tanzen.
„Lass meine Hand los", forderte sie und überlegte ob sie den Trick anwenden sollte, den sie in Selbstverteidigung gelernt hatte. Ihre Fingernägel waren zwar nicht mehr neu gemacht, aber immer noch lang genug, um ihm damit wegzutun. Sie müsste mit ihrem Daumennagel nur unter sein Nagelbett fahren. Aber ob das ein guter erster Eindruck war, war fraglich. Vielleicht sollte sie lieber auf Darwin warten? Auch wenn sie eigentlich nicht der Typ war.
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