Als Darwin zu Hause ankam schien er eher frustriert als ausgeruht und warf unbedacht seine Jacke zur Seite auf den Boden, während er ins Wohnzimmer trat. West ging wie selbstverständlich zu dieser und hob sie auf, um sie aufzuhängen, als wäre er es bereits gewohnt. Vermutlich war er das nach all den Jahren auch.
Darwin ließ seinen Blick durch die Wohnung wandern und bemerkte den Tee, der noch auf dem Tisch im Wohnzimmer stand. Allerdings war von der schwarzhaarigen Frau, die eigentlich irgendwo hier sein sollte nichts zu sehen.
„West? Hast du schon mit dem Abendessen angefangen?", fragte er und blickte sich suchend nach der Frau um. Dabei krempelte er sich abwesend die weißen Ärmel hoch und öffnete die oberen Knöpfe des Hemdes, um sich zu entspannen.
„Es ist in wenigen Minuten angerichtet, wenn Sie das wünschen", erklärte West professionell. „Allerdings wollte ich die junge Dame nicht wecken, sie war heute sehr fleißig", erklärte er weiter und deutete nach draußen auf den Poolbereich.
Der Brünette folgte der Deutung mit dem grünen Blick und vergrub die Hände in den Hosentaschen. „Ich werde mich dem Dinner anschließen, wenn genug da sein sollte", antwortete er und nickte West damit abschließend zu, als Zeichen, dass er sich entfernen konnte. Als dieser jenes tat, setzte sich Darwin langsam wieder in Bewegung, um auf den Balkon zu treten, den man schon fast für eine Terrasse halten könnte, so groß und ausgebaut wie sie war.
Sein Blick fiel sofort auf Scarlett, weil er ungefähr wusste, wo sie lag. Immerhin hatte sie dort schon oft gesessen und die letzten Tage immer mit dem Ordner in der Hand. Selbst wenn er sehr spät erst zurückgekommen war.
Jetzt aber lag sie da, hatte sie Augen geschlossen und so wie ihre Arme und ihr Kopf lag, schlief sie tief und fest.
Mit einer fließenden Handbewegung nahm er jene aus der Tasche und drückte vorsichtig Scarletts Arm, um sie zu wecken.
Scarlett gab einen Laut von sich, der zeigte, dass sie noch nicht wirklich dabei war aufzuwachen. Stattdessen regte sie sich ein wenig und drehte den Kopf zur Seite.
Darwin hob vielsagend die Augenbrauen und begutachtete sich nochmal Scarletts Erscheinung.
Sie trug ein einfaches Sommerkleid, das weder besonders elegant, noch kleidsam an ihr aussah. Es schien allerdings bequem, denn in diesem hatte er sie schon öfter gesehen. Durch den Schnitt, der ihr ein wenig zu groß schien, zeigte es manchmal mehr, als es versteckte und so hatte er einen guten Blick auf ihr Dekolletee.
Sie war wirklich eine eigenartige Frau, jedoch nicht eigenartig genug, als dass er sie wieder zurückgeschickt hätte. Vorsichtig setzte er sich zu ihr auf die Liege und beobachtete die Lichter des Balkons, die mit dem Untergang der Sonne langsam nacheinander angingen. Erneut stieß er sie an, diesmal jedoch etwas fester. „Aufwachen."
Sie gab einen definitiv unerfreuten Laut von sich und drehte sich dann einmal komplett von Darwin weg, um sich wieder zusammen zu rollen und weiter zu schlafen.
Eine Sache hatte sie mit Darwin gemeinsam. Wenn sie einmal schlief mochte sie es gar nicht geweckt zu werden.
Er rollte dramatisch die Augen und erhob sich, während er sie als hoffnungslos abstempelte. Seufzend blickte er von Scarlett über den Balkon und blieb am naheliegenden Pool hängen. Sie hineinzuwerfen wäre wohl zu viel des Guten, doch eine kleine Erfrischung konnte nicht schaden.
Mit diesem Gedanken tauchte er die linke Hand ins Wasser, um ein wenig zu schöpfen und in Scarletts Gesicht zu katapultieren.
Mit einem erschrockenen Schrei setzte sie sich auf und hielt sich schützend die Hände vors Gesicht. Ihre blauen Augen huschten völlig desorientiert umher, während ihr Atem schnell ging und ihr Herz in ihrer Brust hämmerte. Dann entdeckte sie Darwin und ihr Blick wurde fragend, aber immer noch irritiert.
„Das Essen ist fertig", verkündete dieser nüchtern, als solle er ihr das von West ausrichten.
„Was?", fragte sie verwundert und spielte kurzzeitig mit dem Gedanken ihn ins Wasser zu schmeißen, wenn er schon so provokant davorsaß.
„Du hast mich verstanden. Steh auf bevor es kalt wird. Wir haben noch viel vor", erwiderte er und erhob sich wieder, um sich die nasse Hand an der Hose abzuwischen.
„Warum bist du manchmal so gemeint?", fragte Scarlett und stand langsam auf, bevor sie sich die Worte überhaupt richtig überlegen konnte. Sie biss sich sofort auf die Lippen und bereute ihre Worte.
„Ich bin gemein?", fragte Darwin schmunzelnd und ging wieder in Richtung Wohnzimmer. „Wie alt bist du? Acht?"
Scarlett seufzte. Sie sollte lieber nichts weiter darauf sagen, immerhin war sie nicht diejenige, die sich manchmal benahm wie ein pubertierender Teenager.
Stumm folgte sie ihm ins Wohnzimmer und dann Richtung Küche.
Diese befand sich hinter dem Esszimmer, da sie einen Zugang zum Wohnzimmer und dem Esszimmer hatte. Darwin blieb im Türrahmen zur Küche vom Esszimmer stehen und blickte hinein. „Haben wir irgendeinen feinen Tropfen da?", rief Darwin in diese wo West gerade am Anrichten war. Dieser nickte stumm mit dem Kopf, bevor er die Teller anhob, um sie zu servieren.
Scarlett ließ sich im Esszimmer nieder, um auf das Essen zu warten und Darwin zu beobachten.
Warum musste Darwin auch permanent trinken? Sie bevorzugte Säfte, doch sie wusste, dass sie sich mit Weinen auszukennen hatte.
West servierte das Gericht, das mit einem Doradenfilet auf frischem Salat in grünen Kräutern mariniert war. „Setz dich schonmal", wie's Darwin sie an und ging in die Küche, um in eine kleine Weinkammer zu gelangen.
Scarlett verzog ein wenig das Gesicht. Als hätte sie wirklich auf ihn gewartet. Dennoch fühlte sie sich nicht so schlecht, wenn sie sich bereits setzte und er noch nicht da war.
„Das sieht wahnsinnig lecker aus", bemerkte sie und nahm den Geruch des Essens wahr.
„Ich hoffe es beliebt Ihnen", erwiderte West mit einem leichten Nicken, als Darwin auch schon mit drei Flaschen Wein wieder zurückkam und sie vor Scarlett abstellte. Rot, Weiß und Rosé. „Such einen aus", wie's Darwin Scarlett an und nahm am Kopfende des Tisches neben Scarlett Platz.
Scarlett mochte am liebsten Rosé, doch da sie die letzten Tage damit verbracht hatte bestimmte Regeln zu lernen, wusste sie, dass zu einem Fischgericht Weißwein gehörte, weshalb sie fast schon widerwillig auf diesen zeigte.
Darwins Lippen umspielte ein zufriedenes Lächeln, als er West zunickte, damit er die anderen Flaschen wegbrachte. „Eigentlich ist es egal, weil dir ohnehin alles serviert werden wird, aber wir sollten für jeden Fall gewappnet sein", erklärte Darwin und entkorkte die Flasche, um sich und Scarlett einzuschenken.
„Wusste ich doch, dass das ein Test sein soll", murmelte Scarlett und betrachtete, wie Darwin ihr einschenkte.
Die Weine, die er trank waren immer sehr hochwertig und auf eine gewisse Weise schmeckten sie auch, doch Scarlett fiel es schwer sich damit anzufreunden Wein zum Essen zu trinken.
„Die ganzen nächsten drei Monate sind ein Test", murmelte er abwesend, während er ihr das Glas hinstellte und selbst zu seinem griff.
„So kann man es natürlich auch sehen", meinte sie und nahm einen kleinen Schluck, um den Wein zu kosten.
„Wie kamst du mit der Mappe zurecht?", fragte er, nachdem er einen Schluck genossen hatte und zum Besteck griff.
„Eigentlich ganz gut, aber es gibt doch sehr viele Dinge zu lernen. Gerade über deine Familie. Wie lange sollen wir denn schon zusammen sein, dass du die Zeit hattest mir das alles zu erzählen", murmelte sie, denn der Teil seiner Familie war viel größer als die allgemeinen Benimmregeln. Von denen es allerdings dennoch eine ganze Menge gab.
„Ich hab zwei Monate abgeschätzt. Das ist in der Regel die normative Grenze, nach der man seinen Partner den Eltern vorstellt... hat Ray jedenfalls so gemacht", erklärte Darwin und spülte eine Gabel Fisch mit einem Schluck Wein runter, ehe er weitersprach. „Ich dachte, als Freundin würdest du auch so in den Medien rumschnüffeln. Das ist alles was du dort finden würdest... was stimmt", fügte er nach einer kurzen Pause hinzu, bevor er weiter aß.
„Verstehe. Zwei Monate sind doch schon eine gute Zeit", murmelte Scarlett nachdenklich. Und die Fülle an Informationen würde es auch erklären.
„Gibt es eine Person, die dich besonders interessiert hat? Du könntest so sehr gut schleimen, wenn du dich zunächst auf eine Person fokussierst", bot Darwin kauend an und blickte Scarlett erwartungsvoll an.
„Dein Bruder, aber das könnte man sehr schnell, sehr falsch verstehen", meinte Scarlett nachdenklich und begann ebenfalls zu essen. Sie wusste schon jetzt, dass sie nach diesen drei Monaten West und sein Essen sehr vermissen würde.
„Das Milchgesicht?", fragte Darwin verständnislos und verzog das Gesicht. „Von meiner Mutter, meinen Vater, Schwester... ihr Mann... findest du meinen Bruder interessant?", fragte er irritiert als müsse sie ihn verwechseln.
„Ja, weil er irgendwie nicht richtig in die Familie zu passen scheint", meinte sie. „Er ist so ganz anders, als du", fügte sie hinzu und war ein wenig belustigt über Darwins Reaktion. Auch, dass er ihn Milchgesicht nannte, verriet ihr einiges.
„Chancenlos", erwiderte Darwin kopfschüttelnd. „Ich hab meine Mutter schon öfter gefragt, aber sie pocht darauf, dass er nicht adoptiert ist."
„Das habe ich auch nicht gemeint", grinste Scarlett ein wenig belustigt. Sie wollte aber auch nicht sagen, dass er ihren Geschmack traf. Zumindest vom Aussehen her. „Ich glaube aber, dass ich mit ihm gut klarkommen würde", erklärte sie weiter. Mit seiner Schwester würde sie wohl eine Weile brauchen um warm zu werden, weil diese schon Mutter war und mit den Eltern wusste sie überhaupt nicht, ob sie das schaffte. Ihnen gegenüber würde sie wohl zu viel Respekt haben, um mehr als nötig mit ihnen zu interagieren.
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