Scarlett ließ sich derweil in dem stilvollen Esszimmer mit dem riesigen Glastisch von West bedienen. Die Lasagne war nicht nur kunstvoll mit Basilikum angerichtet worden, sondern roch auch noch so verführerisch wie sie aussah.
Zufrieden genoss Scarlett erst einmal den Geruch und versuchte sich ein wenig zu entspannen. Dass dieser Freund von Darwin aufgetaucht war, hatte sie wirklich sehr verwirrt und sorgte dafür, dass sie sich noch unwohler fühlte. Sie hatte zwar gesagt Darwin hätte ihr viel erzählt, doch dem war leider nicht so. Aber vielleicht konnte West ihr helfen? Neugierig, was dieser tat, schielte sie zu ihm.
Er stand zu ihrer rechten, ein weißes Tuch über den Arm gefaltet, während er ihr ein Glas trockenen Rotwein einschenkte, dass dunkles rot sich in dem hohen Gefäß verteilte.
„Können Sie mir etwas über Ray erzählen, damit ich nicht ganz auflaufe?", fragte Scarlett, während sie das Glas in der Hand drehte und die rote Flüssigkeit betrachtete. Sie war kein Freund von Rotwein, aber da dieser sicherlich sehr teuer war, würde er kaum mit denen zu vergleichen sein, dir sie sonst trank.
„Er ist Mister Christensens ältester Freund aus der High-School. Zu Beginn führte er ein ebenso rasantes leben wie Mister Christensen, doch seit drei Jahren arbeitet er nun im Betrieb seiner Familie und führt seit über einem Jahr eine bindende Beziehung", erklärte er nüchtern und platzierte die restliche Flasche, neben Scarletts Glas. „Sie führen zwar eine sehr vertrauliche Beziehung, doch stehen auch oft in einem Konkurrenzverhältnis zueinander."
„Verstehe. Gibt es sonst noch Dinge die Darwin einer potentiellen Freundin über ihm verraten würde? Prägende gemeinsame Erfahrungen? Was tun beide so in der Regel, wenn sie unterwegs sind?", fragte Scarlett weiter und nahm einen Schluck. Der Rotwein war ganz in Ordnung, auch wenn sie lieblich oder wenigstens halbtrocken bevorzugte.
„Sie verbringen meistens eine eher ‚wildere' Zeit miteinander. In Bezug auf aufputschende Mittel, Frauen und Glücksspiel. Nur, dass Mister Warren in letzter Zeit kürzergetreten ist und Mister Christensen dadurch mehr Zeit allein oder mit anderen Freunden verbringt", erklärte West, während Scarlett aß. „Es gab schon oft Meinungsverschiedenheiten bei ‚Besitzansprüchen' von sexuellen Verhältnissen. Zumindest vor der Beziehung."
Scarlett, die begonnen hatte zu essen, hielt nun inne und kaute, bevor sie einen Schluck Wein nahm. Dann schluckte sie und überlegte ihre Worte gut. „Ray würde also vielleicht versuchen mit mir zu flirten?", fragte sie, da sie davon ausging, dass er genau das mit Beziehungsansprüchen meinte.
„Ich spreche von vergangenen Zeiten, Miss Nolan. Er ist sehr glücklich in seiner Beziehung", erklärte er beschwichtigend.
„Also würde er sie wegen eines Konkurrenzkampfes nicht aufs Spiel setzen? Das wäre beruhigend", murmelte sie und genoss dann weiter ihre Lasagne. Sie schmeckte wirklich lecker und West war ein sehr guter Koch, wie sie fand. Dennoch lag sie ihr schwer im Magen, denn ihr war klar, dass man sie draußen erwartete. Trotzdem würde sie sich mehr Zeit lassen, als sie wahrscheinlich gebraucht hätte. Schon allein, weil sie noch mehr Geschichten von Darwin und Ray hören wollte, die ihr halfen die Beziehung zu verstehen.
„Ich gehe nicht davon aus, Madame", stimmte West leicht nickend zu. „Es bleibt nur zu sagen, dass sie beide eine Freundschaft pflegen, die über Frauen hinausgeht. Sollte dahingehend eine Entscheidung gefällt werden, würde sie zu Gunsten des ‚Männerkreises' ausfallen."
„Da tuen einen die späteren Frauen an ihrer Seite durchaus leid", murmelte sie. Aber da sie sowieso keine Freundin von Darwin war, hatte sie damit gerechnet, dass die Entscheidung sicher nicht zu ihren Gunsten ausfiel. Wobei es natürlich irgendwie Vorteile hatte. Solange Darwin sie dennoch voll bezahlte. „Sonstige Anekdoten über die letzten Jahre ihrer Beziehung, die ich wissen sollte?", fragte sie, da sie natürlich auch von speziellen Ereignissen erzählen wollte, die Darwin ihr erzählt hatte. Das wirkte authentischer.
„Sie sollten dieses Verhalten nicht unterschätzen. Die beiden sind mehr Brüder, als Mister Christensen und dessen leiblicher Bruder", erklärte West und räumte Scarletts Teller schon einmal weg, da dieser bereits leer war. „Mister Christensen hegt eine gewisse Abneigung gegenüber der Beziehung von Mister Warren. Er bezeichnet die Dame oft als Goldgräberin oder, verzeihen Sie den Ausdruck, ‚verwöhnte Tussi'. So hat er es sich einmal zum Ziel gesetzt, deren jüngere Schwester fügig zu machen. Seitdem sind Mister Warrens Freundin und Mister Christensen nicht mehr gut aufeinander zu sprechen und die kleine Schwester im Alter von neunzehn sehr auf Mister Christensen versessen", fuhr er fort und seufzte dabei sogar leise, als würde ihn diese Erinnerung selbst anstrengen.
„Und ich dachte immer wir Frauen wären anstrengend", murmelte Scarlett seufzend. Das klang alles unglaublich kompliziert.
„Ich denke, es ist eine Angewohnheit des Menschen, nicht des Geschlechts", erwiderte West und räumte nun auch das fast leere Weinglas weg.
„Das kann gut möglich sein. Ein Tipp wie ich mit ihm umgehen muss?", fragte Scarlett und lehnte sich ein wenig erschöpft zurück.
„Ich denke Sie sollten gemäß Mister Christensens Einfluss wenig zu seiner Freundin sagen, da es nichts nettes sein würde. Noch dazu wohl eher kokett, nach seinem Geschmack und recht... aufgeschlossen, wenn ich das so sagen darf" West nahm sich beim Erklären die Freiheit, neben Scarlett am Tisch Platz zu nehmen. „Mister Christensen mag anhängliche Frauen, solange sie nicht eine gewisse Grenze überqueren, die im Grunde auf seine Laune zurückgehen."
„Verstehe. Er ist kompliziert. Das könnte sehr interessant werden", murmelte Scarlett nachdenklich, die mit den Gedanken dabei war zu überlegen, ob sie es schaffte Darwin oder Ray zu verführen. Im Grunde konnte sie diese Gelegenheit nutzen, um ein wenig zu experimentieren. Oder für Basti zu üben.
„Ich bin nicht befugt das zu sagen, aber... ja, Madame", erwiderte West und schon Scarletts Stuhl zurück damit sie aufstehen konnte. „Noch dazu kann ich ihnen raten sich, um einen heimischen Eindruck zu vermitteln, zwar gemütlich, doch... aufreizend zu kleiden."
„Verstehe, vielen Dank", murmelte Scarlett nachdenklich und blickte an sich hinab. War das Kleid zu fein? Oder nicht aufreizend genug? Dann erhob sie sich. Zurück zu den Männern wollte sie eigentlich nicht.
„Nichts zu danken, Miss Nolan", erwiderte West und räumte nun auch das Glas und die Flasche weg.
Scarlett hingegen wappnete sich, denn der Abend würde lang werden. Ob es eine gute Idee war Ray abzufüllen? Oder sollte sie sich einfach wie sonst bei jungen Männern verhalten? Flirten und ihre Aufmerksamkeit genießen? Eventuell war das keine schlechte Idee.
Dennoch sollte sie aufpassen. Immerhin war sie hier immer noch trotz allem auf der Arbeit.
Scarlett seufzte und straffte die Schulter. Es wurde Zeit sich wieder hinaus zu begeben. Aber bevor sie das tat wandte sie sich noch einmal an West. „Was ist Darwins Lieblingsgetränk, Essen, Farbe und Tier?", fragte sie, weil sie leider noch nicht so viel über ihn wusste, wie es der Fall sein sollte.
„Lieblingsgetränk: Whiskey. Mahlzeit: Dänische Frikadellen. Farbe: Grau, sollte das zählen. Und Tier: Der Kuckuck. Er findet das Verhalten der Nestsuche sehr interessant", erklärte West wie aus der Pistole geschossen nebensächlich beim Abräumen.
Ein wenig erschlagen von den Antworten, obwohl sie damit gerechnet hatte, nickte Scarlett. Okay, im Moment brauchte sie nur Whiskey und dänische Frikadellen merken. Wobei sie letzteres gar nicht kannte. Aber wenn das wirklich eine Saufparty werden würde, wie sie es fast plante, dann sollte sie sich Whiskey dringend merken.
„Danke", murmelte sie und hoffte, dass sie genug vertrug, damit nicht sie diejenige war, die man abfüllte. Das könnte durchaus sehr unpraktisch werden.
„Viel Glück", flüsterte West ihr noch zu, ehe Scarlett die Türen öffnete und hinaus in den Wohnbereich trat. Dort waren die beiden jedoch nicht mehr anzutreffen.
Glück würde sie brauchen, denn beide hatten sich auf den Balkon verzogen und sie fragte sich, ob sie vielleicht die nächsten Tage einen Bikini unter ihre Kleidung ziehen sollte. Einfach falls jemand auf die Idee kam in den Whirlpool zu gehen. Immerhin wollte sie nicht dumm danebenstehen. Problem war nur, dass sie keinen Bikini hatte.
Ein wenig unruhig und nervös trat sie hinaus zu den beiden Männern auf den Balkon.
Ray war der erste der sie erblickte, während er gerade vermutlich über etwas lachte was Darwin gesagt hatte. Als Darwin seinen Blick bemerkte, drehte er sich ebenfalls zu Scarlett um.
„Da habt ihr euch versteckt", meinte Scarlett und schenkte den beiden ein Lächeln, während sie fast schon mit schwingender Hüfte auf sie zu kam. Sie wusste, dass Darwin wohl nicht erfreut sein würde.
Doch sein Blick wirkte eher prüfend als wirklich boshaft.
„Als würden wir uns verstecken", wank Ray ab und schien begeistert, dass sie sich wieder blicken ließ. „Setz dich doch zu uns und trink auch einen", lud er sie ein und Scarlett nahm seine Einladung dankend an.
„Wir haben gerade von dir gesprochen", erklärte Darwin und klopfte einladend neben sich auf die Lehne seines Sessels.
„Ja? Ich hoffe nur gutes", lachte Scarlett und trat auf die Lehne des Sessels zu, um sich dort niederzulassen und sich vertraut ein wenig an Darwin zu lehnen.
Dieser nippte an seinem Glas und legte, als wäre es das normalste der Welt, seine Hand auf ihren Oberschenkel.
„Ich hab mich nur gefragt wie es eine Frau geschafft hat, diesen Idiotien an sich zu binden", klärte Ray Scarlett auf und grinste breit. Vermutlich war er bereits angeheitert vom Alkohol.
Scarlett grinste. „Als würde ich meine Geheimnisse verraten", wank sie ab, als wäre es ein Geheimnis, das nur sie und Darwin etwas anging. Was es auch war.
„Damit meint sie ihren Hintern", ergänzte Darwin wenig später, als er kurz absetzte und gleich wieder weiter trank.
Ray lachte. „Ja, der ist nicht zu verschmähen", erklärte Ray gut gelaunt und trank weiter seinen Drink. Scarlett hingegen wusste nicht genau, was sie davon halten sollte. Eigentlich wäre das ein Moment, wo sie rot werden würde, denn sie wusste, dass es als ein Kompliment gemeint war, aber sie empfand irgendwie nicht viel. Lediglich ein wenig unangenehm war es ihr.
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