Gefrorene Blätter knirschten leise unter den Füßen der kleinen Gestalt; blonde Haare hingen ihr in fettigen Strähnen in das ausgezehrte Gesicht. Das Mädchen lief stur geradeaus, den Blick hatte sie nach vorne gerichtet. Sie hatte sich ihre graue Kapuze tief in das Gesicht gezogen; der dreckige, leicht zerschlissene Stoff konnte sie kaum vor dem eisigen Wind schützen, welcher durch die Straßen fegte. Es wirkte fast so, als ob der Wind sie von dem Bürgersteig und am besten aus der Welt fegen wollen würde. Bei diesem Gedanken lächelte die junge Frau grimmig und setzte ihren Weg fort.
In einer recht windgeschützten Seitenstraße hielt das Mädchen an und setzte sich auf ihren Rucksack. Dort holte sie eine kleine, abgenutzt wirkende Karte hervor; ihr eigenes Bild blickte ihr von dort aus entgegen. Jünger, gesünder und doch mit dem gleichen entschlossenen, kühlen Blick. Sie schnaubte und zog die Beine an die Brust, als ein Windhauch in die Straße wehte. Kurz ließ er sie erzittern, dann rollte sie sich um ihren Rucksack herum zusammen und schloss die Augen. Als sie erwachte, fühlte sich ihr Körper klamm an und kribbelte. Ihre Zehen und Finger konnte sie beinahe nicht mehr spüren. Der Wind war ihr in die Knochen geweht und hatte ihr Innerstes mit seiner Kälte gefüllt. Stockend richtete sie sich auf und besah sich ihren blau gefrorenen Fingerspitzen. Testend bewegte sie jeden Finger einzeln, bevor sie langsam die Beine ausstreckte. Dreck sammelte sich vor ihren Fußspitzen zu einem kleinen Häufchen. Zwei Häufchen Dreck auf dem Boden einer Gasse. Wie schön. Ihre Gedanken zauberten ihr ein bitteres Lächeln auf die Lippen. Trotzdem richtete sie sich langsam vollständig auf, schulterte ihren Rucksack und stolperte auf den Bürgersteig. Es wunderte sie selbst, dass ihre Beine sie noch trugen. Jedoch war sie sehr froh darüber; schaudernd dachte sie an die zahlreichen Menschen, welche nicht so viel Glück hatten. Es gab sicherlich einige, die diese Nacht nicht überstanden hatten. Seufzend lief sie schneller, an einer Fußgängerampel blieb sie stehen und sah kurz in den Himmel. Die graue Wolkendecke über ihr brach langsam auf und ein einzelner Sonnenstrahl schien nach unten, auf die Erde. Ein kleines Lächeln stahl sich auf ihre rissigen Lippen und so vergaß sie fast, über die nun grün gewordene Ampel zu laufen. Schnell fing sie sich wieder und lief los; an einer Ecke vor ihr fiel ihr ein dunkelhaariger Mann auf, welcher sie musterte. Fragend blieb sie stehen und straffte voll unangenehmer Erwartung schon mal etwas die Schultern. Doch statt einer Hasstirade über Obdachlose bekam sie etwas, was ihr schon lange gefehlt hatte: Ein Lächeln. Es wirkte ehrlich und ein wenig spitzbübisch, wie das Lächeln eines kleinen Kindes. Überrascht sah das Mädchen zu dem lächelnden Fremden auf und schenkte ihm dann ebenfalls ein zögerliches Zucken der Lippen. Sein Lächeln erschien der Blonden wie ein Hoffnungsschimmer. Der junge Mann musterte sie und streckte schließlich eine Hand aus. » Hallo, ich bin Milo. Ich möchte mit dir frühstücken, du siehst so aus, als ob es dir nicht schaden könnte.« Das Lächeln des Mädchens wurde breiter, aber sie zögerte. »Warum?« Er hielt weiterhin seine Hand ausgestreckt. Nicht fordernd, eher als ein Angebot. »Du hast in den Himmel geschaut und einen Sonnenstrahl betrachtet. Der ist mir auch aufgefallen. Früher nannte man sie "Gottes Finger". Ich nenne sie Hoffnungsschimmer. Und du siehst so aus, als ob du ein wenig mehr Hoffnung brauchen könntest.« Zusammen bewegten sie sich auf ein kleines Café zu, Milo musterte das Mädchen neben sich aufmerksam. »Außerdem haben manche einfach zu wenig. Das ist nicht fair. Die Nächte sind kalt. Ich habe zu viel. Lass mich dir Frühstück kaufen.«, setzte er fort. Die Blondine neben ihm lächelte und dabei sah sie trotz der zerschlissenen Kleidung aus wie ein kleiner Sonnenstrahl. »Okay. Okay, danke. Ich bin Sira.«
[Das hier ist eine kleine...Backstory zu den zwei Charakteren vom letzten Mal. Mal schauen, was aus ihnen noch so wird.]