Prompt: anschmiegsam
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Auf der Arbeit versuchte Silas seine miese Stimmung von heute Morgen wieder wettzumachen, indem er sich noch alberner benahm als sonst.
Schlechte Witze über meinen Chef folgten den ironischen Aussagen über meine Mitarbeiterin Andrea und ihren tiefen Ausschnitt. Kurzum: Ich war wiedermal super genervt von ihm und seiner nervtötenden Präsenz.
Zähneknirschend fuchtelte ich mit der Hand neben meinem Gesicht herum, als Silas sich unschuldig mit dem Kopf an mich schmiegte. Warum mussten Geister auch so verflucht kalt sein?
"Hey, hast du mich etwa geschlagen?", brüskierte Silas sich und legte in gespieltem Entsetzen die Hand auf seine Brust. Wohlwissend, dass ich ihn nichtmal wirklich berühren konnte.
Augenverdrehend unterdrückte ich ein Stöhnen und widmete mich lieber meiner Arbeit.
Kurze Zeit später klebte Silas' Wange wieder an meiner und er rieb sie grinsend an meiner erhitzten Haut. Wieder verkrampfte ich mich, ballte die Hände zu Fäusten. Natürlich konnte ich nicht wirklich seine Haut auf meiner spüren. Da war nichts als Kälte ... Dennoch ließ mich die Intimität dieser Handlung rot anlaufen. Seufzend verkniff ich mir eine Bemerkung und ließ ihn einfach so verweilen.
Man, dieser Kerl konnte aber auch anschmiegsam sein ... Wie eine kleine Katze. Eine nervtötende, eiskalte Katze, der ich gerne eine überziehen wollte. Und ohne den flauschigen, niedlichen Aspekt. Wenn ich so darüber nachdachte, gab es eigentlich keinerlei positive Attribute für Silas' Anwesenheit. Überhaupt keine. Ich sollte doch mal über eine Geisteraustreibung nachdenken.
Mit funkelnden Augen musterte ich ihn, er starrte gutgläubig zurück. Ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen.
"Gehen wir heute Abend nach deiner Arbeit in den Stripclub?", kam es wie aus dem Nichts von ihm.
Ich blies miesepetrig die Backen auf, nur um dann lautstark die Luft entweichen zu lassen. Andrea neben mir hob fragend die Augenbrauen, ich winkte nur ab.
"Du weißt, wie wichtig das für mich ist, oder?", legte Silas nach und ich drehte ausweichend den Kopf von ihm weg. "Wir müssen herausfinden, was man schon über meinen Mord weiß. Und da ist mein alter Arbeitsplatz eben die beste Anlaufstelle." Abwartend musterte er mich, wartete auf eine zufriedenstellende Antwort.
Nickend gab ich mich letztendlich geschlagen. Es war an der Zeit, diesen Schritt hinter mich zu bringen. Auch wenn ich mich in Grund und Boden schämen würde.
"Ja!", freute sich Silas und lehnte sich glücklich wieder bei mir an - so gut er das als Geist eben konnte.
Mit der Kälte an meiner Seite tippte ich weiter auf meinem PC herum, als wäre nichts gewesen.
Herr Hagestolz war es, der die ruhig Idylle nach einiger Zeit durchbrach. Mein Chef war wirklich unverbesserlich dämlich. Wie er hereinstolzierte und sich an dem Türrahmen abstützte, als wäre er der geilste Bock überhaupt ...
Silas' überdramatisches Stöhnen zeigte mir, dass er sich über Herrn Hagestolzes Anwesenheit ebenso freute wie ich.
"Na super", sprach er das aus, was ich mir dachte.
"Guten Tag, Herr ... ähm ... Christian", erinnerte ich mich, dass ich ihn mit Vornamen ansprechen sollte. Silas würgte neben mir. Ich verzog meine Mundwinkel zu einem höflichen Lächeln.
"Guten Tag, die Damen", grüßte mein Chef zurück, allerdings ohne Andrea groß eines Blickes zu würdigen. "Einige der Kollegen und ich wollten uns heute Abend noch auf ein Bier treffen. Es ist zwar unter der Woche, aber ... wir müssen es ja nicht übertreiben." Sein schmieriger Blick glitt über meine zusammengesunkene Erscheinung.
Ich horchte stirnrunzelnd auf.
"Na jedenfalls wollte ich fragen, ob Sie beide nicht mitkommen möchten."
Andrea begann unkontrolliert neben mir zu kichern und sagte sofort zu, ich starrte hingegen etwas ratlos vor mich her.
"Also ..."
Bevor ich etwas sagen konnte, baute Silas sich protestierend vor mir auf, versperrte damit die Sicht auf Herrn Hagestolz. "Nein. Denk gar nicht daran! Du weißt, was wir heute vorhaben. Sag ihm, du hast keine Zeit!", verlangte er nachdrücklich.
"Also ich ... Ich weiß nicht ...", murmelte ich, Silas' Nasenflügel bebten und im nächsten Moment zersprang die Lampe an der Decke mit einem lauten Knall.
Quietschend machte Andrea einen Satz nach hinten, während ich entsetzt Silas' Namen schrie. Als mir das klar wurde, biss ich mir beschämt auf die Unterlippe.
Herr Hagestolz schien mich durch Andreas Gekreische zum Glück nicht verstanden zu haben. Er sah lediglich vollkommen überfordert an die Decke. "Aber wie? Das ... Das kann doch gar nicht sein. Es ist, als wäre diese Woche verflucht."
Empört stieß ich ein Schnauben aus und musterte wutentbrannt den Geist vor meiner Nase.
Etwas verloren stand Silas im Raum herum und schien selbst nicht ganz zu begriffen, was er gerade getan hatte.
"'Tschuldigung", brabbelte er und kratzte sich verlegen am Kopf. "Ich war vielleicht ein bisschen ... aufgebracht."
Ein bisschen? EIN BISSCHEN? In diesem Falle wollte ich ihn lieber nie stinksauer erleben.