Mit ratternden Rädern jagt der Zug durch das leichte Schneegestöber der bergigen Höhenlagen. Eine Reihe von nahezu zwanzig Waggons rauscht funkenschlagend durch die Wildnis, einen Berghang hinauf, über die Kronen der dunklen Tannen im Tal.
Es könnte so schön friedlich sein für die Ordnungsordnung, die Bösewichte, die diesen Zug besetzen und in ihm ihr Material transportieren: Waffen, Kisten voller Klemmbretter und den wölfischen Gefangenen. Einfach ein friedlicher Nachmittag, den man mit bösartigen Weltherrschaftsplänen zubringt und vielleicht noch gemütlich ein paar Gefangene foltert.
Nun ja ... gemütlich ist das für die Ordnungsordner, nicht für die Gefangenen. Deshalb bin ich eher mäßig begeistert, als jemand die Schiebetür zu meinem Abteil aufreißt und gemeinsam mit einem Stoß Schneeflocken hereinschneit.
"Sooo, Wolf. Du bist hoffentlich bereit, mir jetzt endlich die Wahrheit zu erzählen."
"Ich habe euch schon alles gesagt, was ich weiß", beteuere ich nicht zum ersten Mal.
"Ja, klar. Du bist ein Autor aus einem anderen Universum."
"Genau!"
"Und Nick Calm hat dich entführt, dir Superkräfte verliehen und dich in den Kampf geschickt."
"Jupp. Aber halt keine richtigen Superkräfte."
Der Mann tritt vor. Er trägt eine gepolsterte Uniform und einen Helm mit einer großen, getönten Skibrille, die mir jeden Blick auf sein Gesicht verwehrt. Er beugt sich vor das Gitter. "Und wieso schickt er dich ganz ohne Kräfte einfach los?"
"Tja, also ..."
In diesem Moment erklingt ein Bonk! vom Dach. Wir sehen beide nach oben.
"Bonk?", fragte ich verwirrt.
Der maskierte Typ reißt seine Waffe hoch - die haben sie alle - und marschiert zur Schiebetür. Er tritt hinaus.
"He! Wer ist daaaaaaaahhhh!"
Die Tür rollt ins Schloss, bevor ich mehr erfahren kann.
*
Verwundert starren die Ordner auf die drei Wölfe, die auf ihrem Dach gelandet sind. Vom Kopf des Zuges her strömen ihnen gepanzerte Waffenträger entgegen. Die zwanzig Leute fühlen sich sichtbar zuversichtlich, dass sie die ungebetenen Gäste schnell loswerden können. Jedenfalls, bis grüne Laser aus den Augen des Robowolfs schießen und zwei der Gegner durchlöchern.
"Die sind auch von Calm!", brüllt einer und reißt die Waffe hoch.
"Es sind Chaoten!", wird die Warnung nach vorne weitergegeben und noch mehr Menschen klettern auf das Dach. Das Feuer wird eröffnet.
Die Schüsse prallen blitzend von Cybs Panzer ab. Der Cyberwolf stemmt die Pfoten in das Zugdach und krümmt sich leicht, bevor er den Kopf vorstößt, die Augen aufreißt und neue Laser auf die Gegner prasseln lässt. Urdoggo nimmt die Hammerschlaufe ins Maul und schwingt die Waffe, bis er Hammer wild kreisend die nächsten Schüsse abblockt. Dann reißt die Waffe Urdoggo nach vorne und mitten in die Gegner. Blitze und Schreie erklingen aus dem anschließenden Chaos. Maskierte Feinde regnen vom Zug.
Mit einem mechanischen Knurren, das klingt, als würden ungeölte Zahnräder übereinanderschaben, schiebt sich Cyb Schritt für Schritt vor und schießt einen Angreifer nach dem anderen vom Dach, sobald die Schussbahn frei ist. Oder halbwegs frei. Wie auch jedes Mal, wenn er Computerspiele spielt, nutzt er einen Zielassistenten in Form von Minion, seinem Kreaich.
Ein Schuss prallt vom linken Ohr des Robowolfs ab und reißt es herum. Cyb springt los und jagt mitten unter die Gegner.
Das Geschrei lässt nach und Knochi hebt langsam den Kopf, den er zuvor unter den Pfoten verborgen hatte. Er blinzelt.
"Sie sind weg." Urdoggo landet mit kreisendem Hammer neben ihm, rutscht auf dem glatten Metall aus und rollt über den Zug, bevor er zum Liegen kommt. "Also, das macht schon Spaß, aber ich brauche noch etwas Übung mit dem Ding."
"Na toll. Ihr beide dürft metzeln, und ausgerechnet ich kann gar nichts tun!", meckert der Knochenknurpsler. "Das ist unfair."
"Du hättest ja mitmischen können."
"Ich bin schon froh, dass ich den Sprung aus dem Jet überlebt habe! Ich habe ja keine Kräfte ..."
"Ich dachte auch, die zeigen sich im Kampf." Nachdenklich steht Urdoggo auf. "Bist du dir sicher, dass da nichts ist?"
"Da war nicht mal ein Kitzeln!"
"Vielleicht braucht es die richtige Situation. Deine Kraft klappt vielleicht nur in der Sonne oder so. Vielleicht ist der Zug aus Kryptonit."
"Das wäre lächerlich. Und absolut unpassend."
"Es hätte eine gewisse Ironie, das stimmt schon ..."
Cyb kommt mit klirrenden Metallpfoten an. Er piepst.
"Oh, stimmt. Du hast recht, machen wir das zuerst." Urdoggo nickt und hüpft die Strecke vom Dach der Waggons nach unten auf das Verbindungsteil, um eine der schweren Rolltüren aufzuziehen. "Suchen wir Marv, bevor der Zug noch entgleist. Das könnte eine Weile dau- oh, hallo Marv."
Ich hebe den Kopf von den Pfoten und sehe meine Retter erstaunt an. "Cyb? Knochi? Urdoggo? Was macht ihr denn hier?"
"Na, wir retten dich", erklärt mir Urdoggo grinsend.
"Hat Nick Calm euch etwa auch entführt?"
Die drei Brüder nicken. Cyb piepst aufgeregt und führt seine Laseraugen vor.
"Wenigstens klappen deine Kräfte", murmele ich niedergeschlagen und geduckt. Geduckt, weil Cyb bei seiner Vorführung ziemlich dicht über meine Ohrspitzen geguckt hat. Ich fühle die Hitze noch jetzt in der Luft, hinter mir pfeift der Wind durch zwei glühende Schusslöcher. "Mir hat er nur einen Schild in die Pfoten gedrückt."
"Hat er dir auch so ein Zeug gespritzt, das nicht wirkt?", fragt der Knochenknurpsler. "Und wieso hast du einen Schild bekommen? Ich will auch irgendwas bekommen." Anklagend deutet er mit der Pfote auf Urdoggos Hammer.
"Scheinbar funktionieren diese Serumsdinger bei Wölfen nicht", überlege ich, während ich durch die Tür trete. Cybs Laseraugen haben auch das Käfigschloss geschmolzen. "Das hätte er ruhig vorher feststellen können, dann wäre euch dieser Ausflug erspart geblieben."
"Och, ich fand es ganz witzig", erklärt Urdoggo.
"Gehen wir", knurrt der Knochenknurpsler. Er hat an der Geschichte ebenso wenig Spaß wie ich. "Vergessen wir diesen Ausflug einfach."