Eine Viertelstunde zuvor, in Nick Calms Hochhaus:
"Wie, die haben sich zerstritten?" Thunder Wolf starrt den einäugigen Menschen entgeistert an.
"Nachdem ihr aufgebrochen seid, konnten sie sich nicht einig werden, wie sie mit Captain Chaos verfahren sollten", erklärt Nick. "Also haben sie begonnen, sich untereinander zu bekämpfen und noch ein paar weitere Helden zu rekrutieren."
"Aber ... wir haben das Gegenmittel. Captain Chaos wurde tatsächlich von der Ordnungsordnung gehirngewaschen, aber wir können ihn zurückprogrammieren. Und das waren erst die guten Neuigkeiten!" Thunder schüttelt den Kopf. "Were Wolf hat noch etwas entdeckt."
"Etwas Großes", bestätigt Were Wolf. "Uns steht ein Krieg bevor."
"Und wir müssen Marv ... ähh, Captain Chaos heilen."
Nick mustert die beiden Wölfe. "Also, eigentlich dachte ich, das wird schwierig. Immerhin sind sie alle aus der Stadt geflohen. Aber dann ... kommt mal mit." Er führt die beiden zum Kerker, ohne ihnen weitere Fragen zu beantworten, bevor sie im langen Gang vor den Zellen sind und sich Nivram nähern. "Ich hatte mich gewundert, dass er plötzlich ständig was sortieren will. Also habe ich die Überwachungskameras überprüft. Und wer sagt es? Sie haben Mischief und Captain Chaos ausgetauscht."
"Das ist also Marv?" Unsicher sehen die beiden Wölfe auf den anderen Grauwolf.
Ich summe, während ich abgefallenes Fell neu sortierte, und beachte sie gar nicht. Ich trage Mischiefs gehörnten Helm und seinen grünen Umhang.
"Einhundert Prozent", sagt Nick.
"Gut. Lassen wir ihn frei und heilen ihn!" Thunder stellt sich vor die Barrikade. "Marv? Hörst du mich? Die haben dich gehirngewaschen. Aber du magst Ordnung nicht so sehr wie du schreiben magst, erinnerst du dich?"
Auf der anderen Seite der Barriere spitze ich die Ohren. "Bringt ihr mir was zum Sortieren? Socken vielleicht?"
"Nick, wir brauchen eine Schreibmaschine und fünf Krawatten hier unten, schnell", drängt Were Wolf.
Nick Calm runzelt die Stirn, rennt aber los, während Thunder beruhigend auf mich einredet. Er verfällt in einen hypnotischen Singsang. Ich höre ihm zu und überlege gleichzeitig, wie man die Noten seiner Stimmlage am besten sortieren könnte. Ich bin wirklich auf Ordnungs-Entzug!
Nick kommt mit dem Gewünschten wieder. Die Barriere zu meiner Zelle wird geöffnet und Were Wolf platziert die Schreibmaschine auf der einen, die Krawatten auf der anderen Seite.
Mein Blick gleitet zu den Krawatten. Hmm. Die könnte man sortieren. Nach Farbe! Oder Form! Oder Streifenbreite! Herrlich!
Ich mache ein paar tapsende Schritte, dann zuckt mein Ohr, als Were Wolf auf eine Taste der Schreibmaschine tippt.
Schreiben ...
Ich wende mich um und flitze an die Tasten. Schreiben! Herrlich! Klackerdiklack!
"Uuund geheilt", verkündet Thunder stolz.
Ich tapse weiter auf die Tasten, ohne irgendwas von Sinn zu erschaffen. Dann wird das rapide Klappern langsamer und ich sehe meine Pseudonyme an.
"Habe ich ... wirklich ... Geschichten gelöscht?" Entsetzen vibriert in meiner Stimme.
"Ach, der Junge hatte bestimmt ein Backup", meint Thunder und stupst mich an.
"Wir haben auch wirklich größere Probleme", wirft Were Wolf ein. "Im Zug haben wir neben der Heilmethode für dich auch noch Pläne gefunden. Die Ordnung will uns ein riesiges Monster schicken. Und es wird bald hier sein! Wenn wir es besiegen wollen, müssen wir alle zusammenarbeiten."
"Was schwierig ist, solange die anderen Helden sich untereinander zoffen." Nick seufzt. "Das klingt düster."
"Die streiten sich?", entfährt es mir. "Oh nein ... wegen mir, oder?" Langsam erinnere ich mich. "Sylas war auch plötzlich hier ..."
"Wir müssen die anderen schleunigst zusammentrommeln", drängelt Were Wolf.
"Das kann ich übernehmen", meldet sich eine Stimme aus dem Schatten hinter Nick.
Wir drehen uns um und sehen einen braunhäutigen, grauhaarigen Mann neben Nick treten, dessen spitze Ohren sich an den Spitzen nach unten neigen. Der Feuerelb in weiten, dunklen Roben hält ein in schwere Ketten geschlagenes, dickes Buch in den Händen.
"Mobu? Hyph? Aber ... was macht ihr denn hier?", stammele ich.
Nick Calm nickt Mobu zu. "Hol sie her, Doktor Hyphurion."
Der alte Elb hebt die Hände und das Buch beginnt, purpurn zu glühen und zu schweben. Die Ketten lösen sich von selbst und das Hyphurion schlägt auf. An der Decke erscheinen lauter funkensprühende, goldene Kreise. Etwas Schnee flockt herein, dann stürzen mehrere Pseudonyme und ein Schild aus der Decke.
"Aaaaaaaaahhhh!" Sie landen als chaotischer Haufen auf dem Boden.
Ich starre Doktor Hyphurion an. "Du warst das! Du hast mich damals hierhergelockt!"
"Oh ja, ich war es", bestätigt der Elb. "Und ich habe gemeinsam mit Nick überwacht, dass ihr euch an eure neuen Fähigkeiten gewöhnt. Damit ihr jetzt bereit seid, um diese Realität und das Chaos zu schützen."
"Wie konntest du?" Bevor ich allerdings weiter schimpfen kann, gibt es noch einige andere erstaunte Ausrufe abzuarbeiten. Zunächst einmal wundern sich die zurückgeholten Pseudonyme natürlich, dass sie plötzlich wieder im Turm sind. Dann umso mehr, als sie mich sehen. Dann muss ich beweisen, dass ich wirklich wieder geheilt bin. Während ich von Mischief meine Lederrüstung und den Schild zurückerhalte, umkreist Golden Panter mich mit kritischem Funkeln.
"Es tut mir wirklich leid um die Geschichten", betone ich. "Aber ich glaube, die kann man wiederherstellen. Ich hatte auch gar keine Gelegenheit, den Papierkorb zu leeren."
"Na gut", sagt das Dunkel-Ich zähneknirschend. "Dann darfst du leben. Vorerst."
"Wir müssen unsere Streitigkeiten begraben", beschwört Were Wolf uns erneut. "Denn uns steht ein viel schlimmerer Kampf bevor."
Dieses Mal hat er unsere Aufmerksamkeit.
"Er kommt", sagt der bebrillte Horrorwolf. "Gnundro kommt."