Ich wende den Blick vom Fenster und den riesigen Luftschlangen-Invasoren ab, die die Stadt zerlegen, und funkele Nick wütend an. "Du wusstest, dass das geschehen würde!"
Der Mensch steht, die Hände hinter dem Rücken gefaltet, neben mir und sieht auf die Vernichtung. "Nein."
"Natürlich wusstest du das!"
Er hat uns zwar versprochen, dass wir heute gehen können, wenn wir wollen. Doch dann haben diese komischen Riesenviecher begonnen, die Stadt anzugreifen, in der unser Hochhaus steht. Es sind irgendwelche gepanzerten, flugfähigen Riesenschlangen und ich hasse jede einzelne davon. Denn natürlich können wir nicht einfach gehen und die armen Zivilisten da unten sich selbst überlassen.
Das Problem ist nämlich nicht, dass die Luftschlangen Zerstörung bringen würden, eher im Gegenteil. Wen sie mit ihrem stinkenden Atem erwischen, der verwandelt sich in einen aktenkofferschwingenden Anzugträger mit Mobiltelefon am Ohr. Das bunte Grafitti weicht von den Wänden und selbst die Bäume wachsen plötzlich wie frisch gestutzt.
Diese doofen Dinger bringen Ordnung!
"Also gut", sage ich zu meinen versammelten Pseudonymen. "Wir müssen jetzt kurz die Welt retten. Und danach können wir nach Hause."
Alle sehe mich an.
"Was?"
"Das war keine besonders gute Motivationsrede", meckert Urdoggo. "Nimm das doch ein bisschen ernster!"
Ich sehe nach draußen. Eine der Luftschlangen spuckt gerade bunte Trennblätter, mit denen man Einheftungen in Ordnern sortieren kann.
Ich sehe zurück zu meinen Pseudonymen und schüttele den Kopf. "Nö."
*
Wenig später treten wir in voller Kampfmontur auf die Landeplattform des Turms. Cyb fährt surrend seine Drüsen hoch, hebt ab und flitzt davon.
"Dürfen wir schon?", fragt Urdoggo, der den Hammer kreist.
"Natürlich", sage ich.
"Na ja, ich dachte nur ... du sagst irgendwas. Ähh-wer-ngers Assemble, oder so."
Ich funkele ihn böse an.
Urdoggo zuckt mit den Schultern. "Dann nicht." Er schwingt den Hammer stärker und lässt sich von der Fliehkraft des Dings mitreißen.
Die Physik hat wohl gerade ein Auge zugedrückt.
Der Weltenwanderer zückt seine Pfeile und zielt auf eine der Luftschlangen. Allerdings prallt das Geschoss vom Panzer des Wesens ab.
"Hört mal, so wird das eh nichts", mischt sich Kitsune ein. "Seht euch die Dinger an. Sie kennen nur Ordnung. Und Ordnung ist unkreativ. Etwas muss sie also hergeführt haben."
"Du meinst, es gibt einen Oberboss?"
"Von den Luftschlangen, ja." Kitsune zieht ein Fernglas hervor. "Den musst du abschießen."
Während die beiden diskutieren, trottet Knochi gefrustet auf und ab und stiert durch seine neue Brille. Vielleicht hofft er, damit endlich seine Fähigkeit zu entdecken.
"He ... da!", ruft er plötzlich. "Da vorne, da ist ein Wolf auf einer der Luftschlangen!"
Kitsune folgt der Richtung, in die Knochi deutet. "Nein, das ist nur Marv."
Ich räuspere mich. "Ich bin noch hier. Das da ist also nicht Marv."
"Was? Nein, das kann nicht ..." Kitsune zögert und gibt das Fernglas an mich weiter.
Ich sehe hindurch und finde schließlich die betreffende Luftschlange. Auf ihrem Kopf turnt etwas herum, das mein Ebenbild sein könnte. Ein Schauer streicht durch mein Fell. "Nivram! Natürlich."
"Nivram?" Der Weltenwanderer zögert. "Ja, das ergibt Sinn. Dein Doppelgänger ist zwielicht, und wenn meine Analysen stimmen, ist das hier der Angriff, den im Original Loki befohlen und geleitet hat ..."
"Aber eigentlich müsste das doch ein Bruder von Urdoggo sein!", klage ich und deute auf Knochi. "Du solltest Loki sein!"
"Ich bin doch keine Witzfigur von einem Gott!", brummt der Knochenknurpsler.
Der Weltenwanderer zuckt mit den Schultern. "Ganz so genau nimmt es diese Welt wohl nicht. Aber wir wissen jetzt, was wir tun müssen: Nivram besiegen und gefangennehmen, und den Iron Wolf mit einer Rakete zurück durch das Dimensionsportal ..." Der Mensch wird leiser und sieht nach oben. "Es ... gibt kein Dimensionsportal. Wie sollten wir denn die Luftschlangen jetzt besiegen?"
"Ganz einfach", brüllt Urdoggo, der in diesem Moment mit Hammer vorbeifliegt. Beziehungsweise nach dem Schlag einer Luftschlange vorbeigeflogen wird. "Indem ihr vielleicht mal helft!"
Wir sehen wieder auf den Kampf. Iron Wolf und Thunder Wolf schlagen sich gar nicht mal so gut. Cyb weicht gerade einer Luftschlange aus, die IKEA-Regale nach ihm speit. Urdoggo kracht in den Turm über uns, rappelt sich schwerfällig auf und humpelt zurück zum Kampf.
Der Weltenwanderer - Centaur - zückt einen weiteren Pfeil und nimmt Nivram ins Visier. "Das wird jetzt leicht ..." Er feuert.
Alle sehen dem Flug unserer Hoffnung atemlos zu. Kurz, bevor der Pfeil trifft, schnappt Nivram allerdings danach und zerbeißt das Ding.
"Keine Sorge, das ist ein explosiver Pfeil", erklärt Centaur selbstbewusst.
Nivram in der Ferne spuckt die Reste schnell von der Luftschlange. Der Pfeil explodiert wirkungslos unter ihr.
"Oh", macht der Weltenwanderer.
Statt dass wir Nivram gefangen nehmen, wenden jetzt alle Luftschlangen ihre Aufmerksamkeit uns zu. Es sind fünf Stück und sie rasen mit einem Mal zum Turm, als gäbe es kein Halten mehr. Büroklammern hageln uns entgegen.
"Wisst ihr was?", sage ich angesichts dieser Übermacht. "Das Heldendasein ist nichts für mich."
"Stimme zu", sagt Knochi. "Los, rennen wir!"
Rasch machen wir vier uns auf zum Jet. Urdoggo und Cyb stoßen zu uns, als das Flugding startet, und kurz, bevor ein Nebel aus Aktenablagen den Turm einhüllt, heben wir ab und sausen heldenhaft davon.