"Ich werde das Gefühl nicht los, dass Nick eigentlich etwas anderes von uns erwartet hat", murmelt Urdoggo. "Irgendwas ... Heldenhafteres."
"Das ist dann aber Nicks Schuld. Niemand bei Verstand kann sich diese Riesenviecher ansehen und glauben, dass ausgerechnet wir uns dem stellen würden!"
"Sprich nur für dich, Marv", grollt Knochi. "Wenn ich Kräfte hätte, so wie ihr ..."
"Ich spreche für uns alle!", unterbreche ich ihn scharf. "Vergiss nicht, dass ihr nur Pseudonyme seid. Ihr seid Teile von mir!"
"Mutigere Teile", knurrt der Knochenknurpsler.
Cyb piepst wütend und wir unterbrechen unseren Streit. Der Robo-Wolf muss sich aufs Fliegen konzentrieren und wir dürfen ihn nicht ablenken. Momentan befinden wir uns im Jet, den Nick uns geschenkt hat. (Das bereut er gerade bestimmt.) Fast lautlos rauscht der flache Flugkörper zwischen den Wolken dahin. Die Luftschlangen sind uns anfangs gefolgt, scheinen uns inzwischen jedoch glücklicherweise aus den Augen verloren zu haben.
"Ich muss Urdoggo aber zustimmen", meldet sich der Weltenwanderer. "Wir sollten wirklich versuchen, Nivrams Armee aufzuhalten."
Ich seufze. "Seht ihr das alle so?"
Meine Pseudonyme nicken ernst.
"Aber wir sind nur sechs! Was können wir schon ausrichten?"
"Nun, für den Anfang einmal haben wir Kräfte. Jedenfalls die meisten von uns. Na, oder wenigstens ein paar", erklärt Urdoggo. "Und wir kennen Nivram, im Gegenteil zu Nick und den Zivilisten dieser Welt. Nivram ist einer von uns. Wir sind für ihn verantwortlich."
Ich seufze. "Na gut. Wenn ihr gerne die Helden spielen wollt, müssen wir wohl umkehren. Anders kommen wir ja auch offensichtlich nicht nach Hause. Aber dann ist die Frage: Wie wollen wir Nivram besiegen?"
Einen Moment herrscht Stille.
"So, wie ich das sehe, ist das Problem, dass die Luftschlangen zu stark sind", beginnt Knochi langsam. "Wir können sie nicht frontal angreifen, maximal eine auf einmal."
Die Fuchsmaske beugt sich vor. "Dann lassen wir es nicht auf einen Kampf ankommen!"
"Wir schleichen uns rein", meint Knochi. "Ja, aber dann?"
"Dann ... greifen wir Nivram von allen Seiten an. Dafür bräuchten wir nur ein Angriffssignal, wenn alle auf einer Position sind, um einzugreifen."
"Das Signal sollte Vram aber nicht vorwarnen können ..."
Die beiden überlegen weiter, während wir Restlichen ihnen zusehen. Knochi als Leiter der Deathrun-Arena hat viel Erfahrung mit Kämpfen. Die Fuchsmaske unterstützt ihn dabei oft und hat das Wissen vieler Figuren, deren Gestalt sie annehmen kann. Gerade ist sie zum Beispiel Asta Traichòn, eine kampfliebende Feantíe, also dunkle Fee, aus Fanós Runenwald-Pen&Paper. Somit sind die beiden unsere Planer.
Ich lasse den Blick durch das Innere des Jets schweifen. Cyb hat sich mit der Steuerkonsole verbunden und fliegt den Jet. Superheld Centaur kontrolliert seinen Bogen und sortiert Pfeile mit unterschiedlichen Köpfen. Das sind dann wohl Netzpfeile, Seilpfeile, explodierende Pfeile, normale Pfeile, starke Pfeile, kaffeebringende Pfeile ... Der Weltenwanderer muss bei Nick fleißig zugegriffen haben.
Urdoggo müht sich mit einem roten Tuch ab. Ich sehe ihm eine Weile zu, bis er mit dem Kopf durch eine Schlaufe schlüpft und plötzlich einen roten Umhang hat. Er grinst mich sehr stolz an.
Ich schüttele den Kopf. "Mäntel sind gefährlich! Damit bleibt man überall hängen."
"Aber sie sehen episch aus."
Ich seufze. Gegen Epik darf man nichts sagen.
"Was sagt ihr zum Plan?", fragt der Knochenknurpsler.
Ich sehe wieder zu ihm und Kitsune. "Klingt toll."
"Du hast nicht zugehört, richtig?"
"Richtig. Kannst du das noch einmal wiederholen?"
"Also, hört zu ..."
*
Der Jet zischt durch die Wolken. Das Sonnenlicht blitzt auf seiner Hülle. Am Boden heben mehrere große Luftschlangen die Köpfe und schweben hoch, angelockt vom Odem des Chaos, der den Jet umweht. Mit tiefem Grollen kreisen sie den Jet ein. Schneller, als man es den gemächlichen Riesen zutrauen würde, haben sie das kleine Flugobjekt umzingelt.
Der Jet flitzt hin und her. Die Luftschlangen öffnen ihre Mäuler und spucken Karteikästchen. Die Geschosse prasseln auf den Jet ein. Riesige Mäuler nähern sich den Tragflügeln, als ... der Jet mit einem Mal explodiert.
Grollend weichen die Luftschlangen zurück und schütteln die Köpfe, benommen von dem Knall, aber nicht besonders schwer verletzt. Rauch steigt auf und rauchende Trümmer fallen nach unten.
Am Boden piepst Cyb einen traurigen Abschied an den Jet, dann beendet er die Fernsteuerung des Autopiloten und setzt sich mit knirschenden Gelenken und zischender Hydraulik in Bewegung. Etwas schneller, als ein normaler Wolf laufen könnte, huscht er in die Außenbezirke der sehr ordentlichen Stadt. Sein Visier verfärbt sich, als Minion einen Scan der Umgebung ausführt. Er findet Nivram und markiert dessen Position für Cyb. Der fernen, roten Markierung entgegen setzt sich cyber_doggo in Bewegung.
Überall stehlen sich heimliche Superhelden über die Stadtgrenze hinein ins Zentrum des Chaos. Nick Furys sechs Hoffnungen tarnen sich zwischen den Passanten (meist nicht sehr gut, aber was will man von vier Wölfen schon erwarten?) und schleichen sich dadurch vorsichtig immer näher an Nivram heran. Sie sind ausgerüstet mit viel gutem Willen, einem halb-besprochenen Plan und sehr viel Spontanität.
Ihr Feind ahnt nicht, welches Chaos ihm droht. Allerdings wissen auch die Ähh-wer-ngers nicht so genau, welches Chaos ihnen droht.