Die darauffolgenden Tage, waren erfüllt von Glück und Freude. Jonathan und Nathalie genossen ihre gemeinsame Zeit in vollen Zügen. Dem jungen Indianer gefiel es in St. Gallen und er wollte so viel wie möglich von der Stadt und deren näherem Umkreis erkunden.
Wenn Nathalie jeweils zur Arbeit musste, erledigte Jonathan die Hausarbeit. Auch kochen konnte er sehr gut. Ab und zu gingen sie auch in ein Restaurant, ins Kino oder zusammen einkaufen.
Nathalie stellte den jungen Mann sogar ihrer Familie vor und diese schlossen ihn sogleich ins Herz. Sie waren sehr interessiert an der indianischen Kultur und hörten gebannt zu, wenn Jonathan jeweils von seiner Heimat berichtete.
Eines Abends, als das Paar, wie üblich, in trauter Zweisamkeit beisammensass, klingelte es auf einmal an der Tür. „Wer das wohl zu so später Stunde noch sein mag?“ murmelte Nathalie erstaunt und erhob sich, um nachzusehen.
Sie blickte durch den Türspion und das Blut gefror ihr in den Adern. „Meine Güte!“ ging es ihr durch den Kopf „es ist… Marc!“ Am liebsten hätte sie gar nicht aufgemacht. Doch das konnte sie auch nicht tun, denn bestimmt hatte Marc gesehen, dass ihr Auto in der Einfahrt stand und das Licht in ihrer Wohnung brannte.
Mit einem leisen Fluch öffnete sie deshalb. Ehe sie jedoch etwas sagen konnte, platzte Marc heraus: „Nathalie! Ich muss unbedingt mit dir reden! Ich… halte das einfach nicht mehr aus und darum bin ich vorbeigekommen! Warum nur, meldest du dich nicht mal bei mir? Ich dachte wir sind noch Freunde!“
Er trat ein und verstummte sogleich, als Jonathan ebenfalls zur Tür kam und ihn mit einem ziemlich verärgerten Ausdruck, in seinen rehbraunen Augen, musterte.
„Oh nein!“ entfuhr es Marc. „Du… bist ja gar nicht allein, du…, tut mir leid, ich verschwinde wohl besser wieder!“
Nathalie versuchte sich ihren eigenen Ärger nicht zu sehr anmerken zu lassen und fragte: „Es ist schon spät Marc. Was gibt es denn so Dringliches zu besprechen, dass es nicht bis Morgen warten konnte?“
Der Angesprochene lief vor Scham rot an und stotterte: „Oh… äh nichts. Ist doch nicht so wichtig…!“ Er blickte mit einer Mischung aus Eifersucht und Verlegenheit zu Jonathan herüber. „Ihr… seid… also wieder zusammen?“
„Ja,“ gab Nathalie diesmal ziemlich scharf zur Antwort.
„Allerdings,“ sprach Jonathan nun ebenfalls. „Wir erkannten, dass wir zusammengehören. Es ist unser Schicksal.“
„Euer Schicksal!“ rief Marc und auf einmal ergriff ihn Zorn. „Das stimmt doch gar nicht! Nathalie und ich gehören zusammen! Das ist unser Schicksal! Ich habe es gesehen!“
Die junge Frau zuckte, ob der Dreistigkeit, von Marc unmerklich zusammen. „Bist du jetzt von allen guten Geistern verlassen Marc?!“ erwiderte sie nun ebenfalls zornig. „Ich sagte dir doch letzte Woche, dass ich Jonathan über alles liebe und ich keine solchen Dummheiten mehr von dir hören will!“
„Dummheiten?!“ schrie der junge Schweizer. „Wie kannst du nur so arrogant sein!“
Jonathan trat darauf entschlossen zwischen Marc und Nathalie und sprach mit ruhiger, aber warnender Stimme: „Ich glaube, du solltest jetzt wieder gehen!“
„Ich soll gehen? Wie kannst du es wagen?!“ Marc verlor nun seine ganze Selbstbeherrschung. „Nathalie gehört zu mir, verstanden!?“ Er machte einen bedrohlichen Schritt auf den jungen Indianer zu, als wolle er ihm sogleich einen Faustschlag verpassen. Doch Nathalie warf sich zwischen die beiden Männer. „Hör sofort damit auf! Es ist meine Entscheidung, mit wem ich zusammen bin und ich habe mich für Jonathan entschieden. Krieg das endlich in deinen sturen Schädel, Marc!“
Der junge Schweizer riss sich mit aller Macht zusammen und sprach: „Aber das stimmt nicht! Du bist… doch meine Sonne!“
„Für dich mag das vielleicht noch so sein, aber nicht mehr für mich. Ich habe auch sehr wichtige Dinge gesehen, die mir bestätigten, dass Jonathan schon lange mein neuer Dualpartner ist.“
„Aber…“ Marc wurde nun auf einmal wieder von Trauer und Verzweiflung ergriffen. „Ich habe es doch gesehen, ich habe gesehen, dass wir das Dualpaar sind: Suna und Kangi. Das weisst du doch auch!“
„Wie schon gesagt, das war einmal. Doch du wurdest damals vom Schlangenklan getötet und danach war ich ganz allein und wurde sterbenskrank. Jonathans altes Ich- Patani, nahm sich meiner in jener Zeit an und dadurch hat sich alles verändert…“ Sie fuhr nun mit ruhigerer, aber umso eindringlicherer Stimme fort: „Marc, du wirst das früher oder später akzeptieren müssen. Es wurde mir von Vater Krähe, dem Urvater aller Krähen, der jegliches Wissen aus allen Zeiten hütet, offenbart.
Jonathan hat sich nur von mir getrennt, weil er ebenfalls glaubte, du und ich gehören zusammen. Doch als ich dann von Vater Krähe diese uralte Schriftrolle erhielt, in der alles geschrieben stand, da war es für Jonathan und mich klar, dass wir zusammengehören.“
Marc schaute die junge Frau ungläubig an. „Aber… ich habe nie von solchen Ereignissen gehört. Vielleicht war das was du erlebtest, alles nur Einbildung und…“
„Marc…,“ sprach Nathalie noch eindringlicher und legte dem jungen Mann die Hand auf den Arm. „Es war keine Einbildung. Du, der selbst ein Animalrider ist, sollte das doch am besten wissen.“
„Ja eben. Ich bin ein Animalrider, so wie du. Jonathan jedoch ist keiner von uns. Darum ist es doch naheliegend, dass wir zusammengehören.“
„Jetzt hör aber augenblicklich mit diesem Blödsinn auf!“ herrschte in Nathalie an, welche spürte wie Jonathans Körper sich vor Zorn anspannte. „Geh jetzt! Und zwar sofort!“ Sie zeigte auf die Tür.
Einen Moment lang zögerte Marc, als schwanke er zwischen Trotz und Verstehen hin und her. Doch dann trollte er sich schliesslich.
Nathalie atmete auf und auch Jonathan entspannte sich wieder. Marc verliess die Wohnung der jungen Frau und die Tür fiel, mit einem leisen Klicken, hinter ihm ins Schloss.