Nach dem schönen Abend mit Jess haben Jamie und ich uns am nächsten Morgen direkt nach dem Frühstück auf den Weg gemacht. Nach einer über 4stündigen Fahrt mit dem Wagen sind wir endlich in Baden-Baden angekommen. Er hat für uns ein Hotel direkt an der Spielbank rausgesucht. Morgen werden wir uns den geplanten Drehort ansehen. Das Schloss liegt oberhalb der Stadt in etwa 800m Höhe. Aber heute gehen wir erstmal zusammen Essen und wenn wir dann noch Laune haben, dann gehen wir ein bisschen unser Geld verzocken.
Die Stadt ist die ideale Kulisse für unseren Film. Wenn ich Zeit habe, dann werde ich morgen mal einen Spaziergang machen. Jede Menge historische Gebäude habe ich schon ausgemacht. Eine Stadt wie diese hab ich vorher noch nie gesehen. Ich meine, ich kenne Monte Carlo aber eine Bäderstadt kannte ich bisher nicht. Klar weiß ich was Thermalwasser ist und was Heilquellen sind, aber in den USA gibt es diese Kultur nicht. Bei der Reinfahrt in die Stadt habe ich ein Schild gesehen, dass sofort meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Das Schild ‚UNESCO Welterbe‘. Ich muss gestehen, ich habe eine heimliche Bucketlist. Einmal alle Welterbestätten besuchen. Ob Gebäude, Städte, Landschaften, egal, ich will mir das alles einmal ansehen. Und Baden-Baden scheint ja auch dazu zu gehören. Gleich heute Abend werde ich mich dazu mal näher informieren.
Aber jetzt müssen wir erstmal einchecken.
Auf meinem Zimmer lege ich mich auf mein Bett und atme erstmal tief durch. Viel geschlafen habe ich gestern nicht. Jess schwirrte ständig in meinem Kopf rum. Apropos. Ich wollte mit meiner Mutter telefonieren, wegen dieser Geschichte mit den Briefen und dem blöden Passus in meinen Verträgen.
Als ich mein Handy in die Hand nehme um zum x-ten Mal die Nummer meiner Mum anzuwählen, sehe ich, dass Nachrichten von Jess eingegangen sind. Warum sofort mehrere?
14.00 Uhr von Jess
<Deine Mum ist hier. Was will sie?>
Meine Mutter ist in München? Was zum Teufel will sie da und was will sie von Jess?
15.00 Uhr von Jess
<Warum willst Du plötzlich doch nicht mehr mit mir drehen?>
WAS!!!!!! Das ist ja wohl der größte Blödsinn den ich je gelesen habe. Ich sitze kerzengerade in meinem Bett. Der Puls rast und ein dicker Kloß steckt in meinem Hals.
15.15 Uhr von Jess
<Schade, ich dachte Du hättest die Eier in der Hose um es mir selbst zu sagen. Du klärst das mit Jamie, wie ich höre.>
Gott, nein. Was macht Mum da? Panik macht sich breit. Noch bevor ich weiter denken kann, klopft es an der Türe. Ich öffne und werde an der Schulter gepackt und zurück in mein Zimmer gezwungen.
„Was ist los mit Dir?“ Scheiße, er ist wütend auf mich. Er weiß es schon. „Warum schreibt mir Deine Agentinnen-Mutter, dass Du auf keinen Fall mit Jess drehen willst?“
Ich hebe die Hände hoch, als wolle ich mich ergeben: „Ehrlich Jamie: Meine Mum zieht da gerade ein ganz mieses Ding durch. Sie ist in München bei Jess und erzählt ihr irgendeinen Scheiß. Jess hat mir wütende Nachrichten geschickt. Ich habe nie was davon gesagt. Mit meiner Mutter habe ich noch nicht mal gesprochen seit gestern. Und davor wusste ich doch nichts von Jess. Ich will unbedingt mit ihr spielen.“ erkläre ich ihm. Meine Stimme klingt so aufgewühlt, wie ich mich fühle.
„Was soll dann der Scheiß?“ Er ist echt wütend. Schon im Vorfeld eines Drehs so eine Sache, dass macht keinem Spaß und braucht man so sehr wie Herpes.
„Ich kümmere mich drum. Aber es wird wohl nötig sein, dass ich zu Jess fahre.“ erkläre ich ihm. Das werde ich schon wieder hinbekommen, mache ich mir selbst Mut.
Er schaut mich an und scheint nachzudenken. Dann sagt er:„Das mach ich. Könnte sein, dass sie Dich nicht zu ihr lassen. Die da am Set sind ziemlich strikt.“
„Würdest Du das echt machen? Sag ihr bitte, dass ich nichts mit dem Ganzen zu tun habe. Und wenn Dir Dein Hauptdarsteller was wert ist, dann schick Mum zurück in die Staaten. Wenn ich sie jetzt sehen muss, dann dreh ich durch. Wie kann sie nur?“ Ich bin so sauer auf meine Mutter.
„Wovor hat sie Angst? Sie ist doch die treibende Kraft hinter diesen „No-Flynn“ Geschichten?“ will Jamie wissen.
„Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung. Vielleicht weiß Jess mehr, aber ich glaube nicht. Sie war damals noch so klein. Kann sein, dass es mit Dad zusammen hängt. Mit seinem Tod. Auf Fragen danach weicht Mum immer aus.“
„Ob Maggie und Peter mehr wissen?“ fragt er mich.
„Davon gehe ich aus.“ Oder? Doch ganz bestimmt. Die beiden wissen sicher was. „Jess hat mir erzählt, dass sie mir unzählige Briefe geschrieben hat. Auf keinen hat sie eine Antwort bekommen. Sicher hat Mum sie alle entsorgt.“
Einen Moment ist es ganz still. Wir wissen beide, dass diese Sache geregelt werden muss. „Gut. Ich mach mich auf den Weg nach München. Ich versuche Jess zu beruhigen. Und Du fährst bitte Morgen früh wie vereinbart zur Bühlerhöhe. Dort erwartet Dich unser Location Scout Mike Benning und ein Vertreter des Besitzers. Schau Dir auch die Umgebung an. Und die Möglichkeiten die Crew und so weiter unterzubringen. Angeblich gibt es auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein kleines weiteres Hotel. Ach ja, und dann gibt es dort oben eine Klinik. Vielleicht können wir die auch nutzen. Schau Dich da mal um.“
„Werde ich erledigen. Chef!“ Ich salutiere. Versuche witzig zu sein. Obwohl mir nicht danach zu Mute ist.
Es dauert bis ich mich wieder beruhigt habe. Ich schlendere durch die Stadt um mich abzulenken. Hunger hab ich auch keinen. Meine Kamera hab ich um den Hals und mache hin und wieder ein paar Bilder.
Location Scout. Voll der gute Job. Das könnte ich mir auch vorstellen. Herumreisen und Bilder machen und dann den Studios vorstellen. Gar nicht so schlecht.
Sollte Jamie das mit Jess nicht hinbekommen, weiß ich nicht, was ich mit Mum mache. Jetzt ist sie eindeutig zu weit gegangen. Ich sollte prüfen, ob ich sie irgendwie los werden kann. Solche Geschichten wie gerade, die schaden meinem Ruf. Gut das Jamie und ich uns so gut kennen und zusammen unterwegs sind. Man stelle sich vor, der Film würde von irgendeinem der großen Studios produziert. Dann wären Jess und ich jetzt raus. Solche Sachen sind nichts, was die sich leisten können. Keine Komplikationen, ist das Motto.
Um mich abzuregen gehe ich in den Fitnessraum des Hotels. Ein paar Kilometer Rudern, Laufen. Kilos Pumpen. Am Ende bin ich fix und fertig. Auf dem Zimmer bestelle ich mir ein Clubsandwich und Pommes. Dazu ein paar Flaschen Bier. Am liebsten würde ich mich abschießen. Irgendwann greife ich zum Handy. Ich muss ihr schreiben. Sie darf nicht glauben, dass ich ein Arsch bin.
20.00 Uhr an Jess
<Ich will!!!! mit Dir drehen. Unbedingt!!!!!!>
Statt einer Antwort geht 10 Minuten später mein Telefon. Eine unbekannte amerikanische Nummer wird mir angezeigt. Wer kann das denn sein?
„Ja.“ melde ich mich kurz. Ist so eine Angewohnheit von mir. Bin gespannt, wer der Anrufer ist. Am liebsten wäre mir ja Jess Stimme zu hören.
„Hi Dean, Claire hier.“ Oh Nein, sie ist nun wirklich die letzte, mit der ich sprechen will. Ich atme tief ein und sage: „Claire. Was willst Du?“
Für einen Moment ist es ganz still. Irgendwie gefällt mir das gar nicht. „Mach mal die Türe auf.“
He? Oh nein! Sag jetzt nicht, das sie hier ist. Es klopft. Es rattert in meinem Hirn. Was mach ich nun? Wegschicken! Ja wegschicken. Das ist das einzig vernünftige. Tief einatmen, den Türgriff in die Hand nehmen. Ich setze mein Dean Harper Sunnyboy Lächeln auf, dass mich ankotzt wie kaum was anderes und öffne die Türe. Das ich nur in Shorts bin, übersehe ich. Ist ja nicht so, dass sie mich noch nie so gesehen hat.
„Hallo, Claire.“ Ich versuche so nett zu klingen wie eben nötig.
Claire hat ihr schönstes Lächeln aufgesetzt. Trotzdem verbirgt es nicht, was sie wirklich will. Die Gier nach Sex ist ihr deutlich anzusehen. „Hi. Wow, warst Du Sport machen?“ höre ich ihre Stimme, während mein Blick über ihren Körper schweift.
„Ja. Du offensichtlich nicht.“ Sie hat deutlich zugelegt seit unserem Dreh. Das ist typisch für viele meiner Kolleginnen. Sie hungern sich für einen Job runter und sobald es vorbei ist, legen sie wieder zu. Nur bei Claire…wie soll ich sagen? Ihre Schwankungen sind extrem.
„Los, zieh Dich an. Wir gehen aus.“ Ihre Finger auf meiner Brust fühlen sich schlimm an. Das hab ich irgendwie anders in Erinnerung. Sie war zwar nicht die beste Bettgeschichte, die ich je hatte, aber es fühlte sich immer gut an. Warum jetzt nicht mehr?
„Bestimmt nicht.“ sage ich, da ich nicht im geringsten Lust habe mich nochmal anzuziehen. Und auf Bilder in der Presse mit Claire habe ich auch keine Lust. Sicher haben sie oder Mum der Presse gesteckt wo sie uns finden können. Außer mir, Jamie und Jess habe ich niemandem gesagt wo ich bin. Wahrscheinlich ist es Jess meiner Mutter gegenüber rausgerutscht, weil sie nicht wusste, dass ich ihr nichts gesagt habe. Und Mum hat es Claire gesteckt. Na toll.
Noch immer stehen wir in der Tür zu meinem Hotelzimmer. Sie lehnt sich immer weiter an mich und haucht mir ins Ohr.
„Gut, dann überspringen wir diesen Part. Sex hatte ich zwar als Dessert eingeplant. Aber bei Deinem Anblick.“ Oh, nein. Ich muss sie los werden. Auf alles hab ich Lust, aber ganz bestimmt nicht auf Claire.