Das Kraék war eines jener heruntergekommenen Seelenverkäufer, wie sie häufig abseits etablierter Schifffahrtsrouten anzutreffen waren. Ihre Besatzung stand dem in nichts nach. Jedoch gab es nichts Besseres, zumal diese Reise beinahe die gesamten finanziellen Mittel verschlang.
Als reiner Frachtsegler bot das Schiff keinen Komfort. Die Passagiere mussten sich zu der Fracht in den dunklen und muffigen Laderaum zwängen. Vondel erinnerte sich an einen Ratschlag seines Vaters selig und mied die nasskalten hölzernen Bordwände und fand einen Platz direkt am Großmast zwischen Ballen von Nordschaf-Fellen.
In ruhigen Gewässern war eine Reise zur See für Landratten annehmbar. Das raue Ryf aber war erbarmungslos und forderte seinen Tribut: die meisten Passagiere kotzten sich die Seele aus dem Leib, sobald das Schiff die schützende Bucht verließ. Auch Vondel wurde nicht davon verschont. Obgleich ihn schon bald der Hunger plagte, konnte er nichts zu sich nehmen. Zudem war an Schlaf kaum zu denken. Tag und Nacht ächzte das alte Holz in allen Tonlagen. Schweres Segeltuch schlug im Wind. Tauwerk knarrte in einem fort. Kommandos vom Achterdeck scheuchten die Besatzung über das Deck und selbst in der tiefsten Nacht schlug die Schiffsglocke zu jeder vollen Stunde. Das Jammern und Wehklagen der Passagiere und aufkommender übler Geruch nach Schweiß, Erbrochenem und Urin besserte keineswegs die Stimmung. Vondel gab nicht klein bei. Allmählich erholte er sich. Wurde seefest. Konnte bald wieder leicht Verdauliches zu sich nehmen.
Obwohl der Kontakt dürftig und distanziert blieb, erfuhr Vondel einiges über seine Mitreisenden.
Jenes Ehepaar in den mittleren Jahren wollte es mit schwarzen Eisenholz zu schnellem Reichtum bringen. Jedoch fanden sie nicht, wonach sie suchten und kehrten nun mittellos nach Askim zurück.
Dem Gebaren nach war der hoch aufgeschossene, schmächtige Kerl unbestimmten Alters ein Gelehrter. Steinkundler, wie es schien. Wenn er sich nicht übergab oder unruhig auf seinem Nachtlager Schlaf zu finden suchte, setzte er den Zwicker mit den dicken Gläsern auf die Nase und beschäftigte sich mit verschiedenen Steinbrocken, die er in seinem Gepäck aufbewahrte.
Der knurrige Waldläufer war das Misstrauen in Person. Sämtliche Jagderfolge während seines letzten Streifzuges durch die tiefen Wälder rund um Helmkir trug er nun selbst zum großen Markt. Zu sehr befürchtete er, von falschen Freunden und windigen Händlern übervorteilt zu werden. Selbst im Schlaf schien er mit einem Auge über die Schneebären-Felle, Fässer mit gepökeltem Fleisch und Schatullen voller Krallen und Zahnbein zu wachen.
Auffällig unauffällig benahm sich der vierschrötige Kerl im äußersten hinteren Winkel des Frachtraumes. Stets vermied er, Aufmerksamkeit auf sich zu lenken oder im Zentrum von Unterhaltungen und Geschichten zu stehen. Gleichzeitig jedoch beobachtete er alles und jeden mit geradezu krankhafter Ausdauer. Wer er war und welchem Geschäft er nachging, wusste niemand. Alles an dem Kerl schien falsch. Vondel war sich sicher, dass er seine Seekrankheit lediglich vortäuschte. Wenn er sich die Beine vertrat, glich er das Rollen des Schiffes mit schlafwandlerischer Sicherheit aus, als ob er sein Lebtag nichts anderes getan hätte. Jedoch machte er ihm und den anderen keinen Ärger und so beließ es Vondel dabei.
Der Küstensegler war nicht sonderlich flink. Zwischen zwei und drei Knoten machte er über Grund. Etwa so schnell, wie Vondel zu Gehen in der Lage war. Doch besaß das Schiff Ausdauer. Unermüdlich legte es Meile um Meile zurück. Folgte der zerklüfteten Küstenlinie, ohne dass sie jemals hinter dem Horizont verschwand.
Vondel zählte weder die Tage noch Nächte. Irgendwann erreichten sie Grimstadt. In ihrer Bedeutungslosigkeit glich die kleine Siedlung in der windgeschützten Bucht Helmkir. Während Rattengesicht zwischen den Hütten verschwand, wurde ein Teil der Ladung gelöscht. Neue Fracht gestaut. Mit den ersten Sonnenstrahlen den neuen Tages setzte das Schiff seine Reise fort.
Eines grauen Tages endete die Eintönigkeit abrupt. Es lag nicht daran, dass sie die Mündung des Ejszo kreuzten und die starke Strömung den Küstensegler von der Küste weg auf das Ryf hinaus trieb. Das von achtern aufkommende Segelschiff beunruhigte die Seeleute zutiefst!