Vor jenen heranrollenden Naturgewalten zeigten die Seeräuber tiefen Respekt. So gut sie nur konnten, bereiteten sie den Küstensegler auf eine Sturmfahrt vor. Sie refften die Segel. Arretierten das Ruder. Ließen das Schiff vor dem Wind treiben. Schlossen sämtliche Klappen und Luken, sicherten die Ladung und bereiteten Lenzpumpen vor. Bevor sie das Feuer in der Kombüse löschten, tischten sie auf, als wäre es die letzte Mahlzeit. Sogar Vondel und die übrigen Gefangenen bekamen ordentliche Portionen ab.
Dann war der Sturm heran. Dunkelheit legte sich über das Ryf. Heftige Winde peitschten die Wasser. Wie Furien fegten Regenböen über das Deck. Blitze gleisten und vielfache Donner schluckten die Schreie der Verzweifelten.
An die Sturmfahrt konnte sich Vondel nur bruchstückhaft erinnern. Zu hart setzte sie seinen Kräften zu. Da waren diese Wellen, so hoch wie Berge, die das Schiff erklomm, nur um im nächsten Augenblick in tiefe Abgründe zu stürzen und sich auf den nächsten Wellenkamm empor zu kämpfen. Immer wieder begruben Sturzseen das Deck unter sich. Viel zu oft drückten sie das Kraék auf die Seite. Nur mühsam richtete es sich Mal um Mal wieder auf. Gewaltige Kräfte droschen auf den kleinen Küstensegler ein und schlugen ihn an zahllosen Stellen leck. Mit Hilfe der handbetriebenen Lenzpumpen kämpften die verlorenen Seelen gegen die eingedrungene Flut an.
Zurückkehrende Seekrankheit, die Unmöglichkeit, auch nur für einen Augenblick zu ruhen sowie die harte Arbeit an den Pumpen stießen den Geist in ein Delirium. Er funktionierte nur insoweit, als dass er nicht starb. Jegliches Orientierungsgefühl ging verloren. Vondel konnte nicht sagen, wie lange dieses Martyrium anhielt. Es erschien ihm wie eine Ewigkeit.
Mit einem Male, Vondel schwor Stein und Bein, dass es von einem Moment auf den anderen geschah, herrschte Stille. Wiedergängern gleich taumelten sie an Deck - in gleißendes Sonnenlicht. Das Kraék trieb in einer Oase des Friedens. Dem Auge des Sturmes. Viele der Seeräuber sanken auf das Deck und schliefen augenblicklich ein. Andere fielen über die Vorräte her und verschlangen, was sie in die Finger bekamen. Nur von den Weinschläuchen prügelte sie ihr Kapitän mit aller Macht weg.
Einen halben Tag hielt das Wunder an. Dann holte sie der Sturm zurück. Das Ryf tat alles, um sie zu ertränken. Höher als je zuvor türmten sich die Wellenberge auf. Regenböen jagten von den Seiten heran, zertrümmerten das Schanzkleid und rissen zwei Decksleute von Bord. Unter Deck schufteten sie sich an den Pumpen die Arme lahm und die Hände blutig, doch nahm das Schiff mehr Wasser auf, als sie wieder außenbords befördern konnten.
Bis ein gewaltiger Schlag den Küstensegler aus dem Wasser hob. Krachend und splitternd brach der Rumpf auf. Das Ryf flutete die Räume und zog es in seine Tiefen.