Diese Geschichte ist Jay gewidmet und wurde im Rahmen des Geburtstagswichteln 2019, das MazedMind organisiert, für Jay verfasst. Seine Genrewünsche waren Science-Fiction, Humor und Freundschaft; seine Themenvorschläge Wasser, Buch und eine Panne irgendeiner Art. Viel Spaß beim Lesen!
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Es begann mit einem Namen. Um ihn herum tobten die Lichter, donnerten die Geschütze und zerbarsten die Schiffe. Und dennoch wurde all das irrelevant, verschwand unter der Last der Vergangenheit, als Nantwin nur diesen Namen hörte. Mit den Händen navigierte er weiterhin die Manduchai, ließ das Schiff ausweichen und das Feuer auf ein gegnerisches Trägerschiff ausrichten, doch seine Gedanken, sein Sein fokussierte sich auf den Funkspruch.
„Manduchai an Theophanu. Geben Sie die Koordinaten der letzten Sichtung durch.“ Ungeduld schwang in seiner Stimme mit, während er darauf wartete, dass die Daten von der Theophanu übermittelt worden.
Endlich erschienen Zahlen auf seinem Bildschirm, der rasch zu einer Karte sprang. Es war nicht weit, stellte Nantwin fest. Auch wenn Entfernung im Weltraum relativ war. Schon jetzt konnte sein Ziel auf den Weg zu seinem Heimatplaneten oder einem ganz anderen Ort sein. Es mochte unwahrscheinlich sein, aber durchaus möglich. Dennoch - allein diese Sichtung erfüllte den Piloten mit grimmiger Genugtuung.
Draußen erfüllte ein Feuerball den Himmel, als das Trägerschiff zerbarst. Eilig verstärkte Nantwin den Schutzschild und lenkte die Manduchai fort, um nicht von herumfliegenden Trümmern getroffen zu werden. Aber all das tat er automatisch, es waren nur Zeichen jahrelanger Erfahrung.
Funkspruch zur Hatschepsut aufbauen, befahl er dem Computer, während die Farbe aus seinen Fingern schwand, so fest umfasste er den Steuerknüppel.
„Hatschepsut hört“, erklang General Gregorius, in dessen Stimme eine ruhige Anspannung lag, die verdeutlichte, dass der Kampf zu ihren Gunsten zu verlaufen schien.
Nantwin holte Luft. „Ich werde einen Blutschwur erfüllen und aus der Formation ausbrechen“, verkündete er. Es war eine Feststellung, keine Bitte. Selbst wenn Gregorius dagegen sein sollte, würde er es nicht wagen, es ihm zu verbieten. Nantwin hatte ihm diesen Entschluss aus nichts mehr als reiner Höflichkeit mitgeteilt.
„Mögest du einen Namen zurückerobern und einer Seele Frieden schenken“, wünschte der General vom Kommandoschiff, so wie es der Ritus verlangte.
Dann wurde der Funkspruch unterbrochen und ohne sich weiter um die Schlacht zu kümmern, brach die Manduchai aus der Formation aus und folgte den angegebenen Koordinaten.
„Layiel, wo bist du?“ Den Namen spuckte er mit Verachtung aus. Immer wieder murmelte er ihn, derweil er den Himmel absuchte. Irgendwo hier musste er sein, der Mann, den er zu töten geschworen hatte.
Doch dann wurde der Name durch einen Fluch unterbrochen. Der unsichere Flug, der Ausfall des Schildes und die Feuermeldung, all das, waren Anzeichen dafür, dass sein Schiff getroffen worden war. Nur war der Gegner nirgendwo zu sehen.
Eilig drückte Nantwin einige Knöpfe, um den Flug zu stabilisieren und das Feuer zu löschen, während er zugleich den Steuerknüppel mit seinen schweißnassen Fingern bewegte.
„Viljo?“, rief er nach hinten, „Viljo!“
Doch von seinem Roboterschützen war nichts zu hören. Stattdessen piepte die Warnmeldung wieder. Löschung fehlgeschlagen. Bitte, um weitere Anweisungen. „Wozu hat man Roboter eigentlich, wenn sie sowieso nichts auf die Reihe kriegen“, murrte der Pilot der Manduchai. Seine Finger gaben von selbst den Befehl, die vom Feuer betroffenen Räumlichkeiten abzuriegeln, derweil die Augen nach dem feindlichen Schiff suchten.
Energielevel und Kameras zeigen, bat er den Computer. Es hätte durchaus schlimmer kommen können, stellte Nantwin fest. Der Frachtraum war getroffen und die Ladung verloren, aber das Feuer griff nicht weiter um sich und es waren keine wichtigen Funktionen betroffen. Die Lenkung ging schwerfälliger und die Manduchai flog linkslastig.
Erleichtert war er dennoch nicht.
Immer noch war der Himmel um ihn herum leer, die Monitore zeigten keine feindlichen Flieger. Weiter hinten tobte die Schlacht, aber sie waren außer Schussweite. Der Meinung war Nantwin zumindest bis eben gewesen. Es sei denn…Ein Gedanke überkam ihn.
Wenn der Funkspruch eine Falle gewesen war…Er versuchte sich an die Stimmen der Mannschaft der Theophanu zu erinnern und sie mit jener zu vergleichen, die er empfangen hatte, doch gelang ihm das nicht. Mit einem Stirnrunzeln bat er den Computer die Daten, die ihm übermittelt worden war, aufzuschlüsseln. Keine Auffälligkeiten. Aber waren…Ein unwohles Gefühl beschlich ihn. Ein Gefühl, auf das er bisher jedes Mal gehört hatte.
Für einen Moment schwebten seine Finger noch über dem Hebel, dann drückte er ihn hinab und schaltete somit auf manuelle Steuerung. Lichter erloschen, Geräusche verstummten. Stille. Fast hatte er vergessen, was es war und zugleich die Geräusche, die ihn die ganze Zeit umgeben hatten, als selbstverständlich hingenommen.
Dann hörte er das Knirschen und spürte den leichten Luftzug, den es nach den Daten nicht hätte geben dürfen. Irgendetwas, jemand musste die Daten der Manduchai überspielt haben. Dabei entsprach das weder Layiels Stil noch dem seines Volkes. Du Narr, schalt ihn die innere Stimme, wer hat je behauptet, dass er sein Schiff allein lenkt? Nur du. Er ist nicht allein, Idiot.
„Viljo!“, rief er erneut nach hinten. Das Schweigen gab keine Antworten hervor.
Ein unwohles Gefühl überkam Nantwin. Ohne den Blick vom Fenster und die Hand vom Steuerknüppel zu nehmen, griff nach dem Beschleuniger. Er wagte es nicht, auf Automatik zu schalten, um hinten nach dem Rechten zu sehen, dafür kannte er die Taktiken seiner Feinde schon zu lange. Noch hatte er Zeit. Die Hivkas, die er dort hinten vermutete, waren nicht so intelligent wie diejenigen, von denen sie ausgesandt worden waren und kamen selten auf den Gedanken, zuerst den Piloten auszuschalten. Angetrieben wurden sie von der Gier nach den Metallen des Raumschiffes, gemächlich würden sie die Außenhülle zersetzen, um dann gegen das Innere vorzugehen. Allein bei dem Gedanken was seiner Manduchai gerade geschah, schmerzte Nantwins Herz, aber er wusste, dass er hier vorne wachsam bleiben musste.
Gemächlich schwebte er durch den Weltraum, alle Positionslichter waren gelöscht, so dass er bestmöglich sehen konnte. Allein unter ihm verstrahlte Taras sein sanftglühendes Licht, die Lichter, die durch die Schlacht hinter ihm entstanden, verschwammen bereits.
„Okay, meine Süße“, flüsterte er, während seine Finger über Tasten und Knöpfe huschten, Kabel zogen und neu verbanden.
„Bereit?“ Ruckartig schoss das Schiff vorwärts, während zugleich die Technik wieder anging, die Nantwin zuvor neu verbunden hatte. Ein Dutzend Warnlichter blinkten zugleich, als die Daten nun wieder richtig abgespielt wurden. Die Positionen der kleinen Biester wurden angezeigt, drei hatten sich bereits ins Innere vorgearbeitet.
Während er die Manduchai eine Drehung vollbringen ließ, drückte er auf den roten Knopf rechts von ihm. Die Positionslichter der Hivkas verschwanden, dafür erschien ein neuer Warnhinweis.
„Luftzufuhr unterbrechen“, befahl er und merkte gar nicht, dass er es laut aussprach. Da. Es war ein Licht, das einmal aufblinkte. Er will, dass du denkst, dass er da ist, Narr. Für einen Moment lenkte Nantwin die Manduchai auf den Punkt zu, dann riss er sie abrupt herum und schoss blindlings in die Dunkelheit. Ein Knall ertönte und die Lichter eines Schiffes wurden sichtbar. Ein Schiff, das jetzt leicht ins Trudeln geriet. Ihre Technik wird auch immer besser, verdammt und langsam verstehen sie, dass knallige Farben zwar super aussehen, aber auch dezent auffällig sind. Eine Möglichkeit, Schiffe unsichtbar werden zu lassen, war Nantwin bisher noch nicht begegnet. Egal.
Erneut feuerte er einen Schuss ab. Ohne seinen Schützen konnte er diese zwar nicht sehr gut ausrichten, aber in diesem Moment war das gleichgültig.
Feindlichen Schutzschild analysieren.
Einige Daten erschienen auf dem Monitor und mit einem Blick überflog er sie, während er zugleich eine schnelle Wendung flog, um feindlichen Geschossen auszuweichen. Sein Schiff gab ihr Bestes. Die Motoren brummten, Stahl knirschte und der Wind pfiff, aber das andere Schiff war noch wendiger. Flammen schossen aus dem Rumpf, als die Schutzschilde durchbrochen wurden.
Abriegeln, befahl er, während der Monitor Bilder des getroffenen Teils anzeigte. Ein weiterer Schuss riss einen der Geschütztürme ab, dessen Trümmer an den Außenwänden der Manduchai herabregneten. Luft pfiff durch die zerbrochene Decke herein und eilig stellte Nantwin seinen Sauerstofftank an.
Er riss das Schiff herum und bekam endlich das feindliche Schiff vor den verbliebenen Geschützturm. Ein grelles Licht leuchtete auf, als er feuerte, aber nun schlugen auch Flammen aus dem Deck des anderen Schiffes. Dieses vollführte einen Schlenker, tauchte unter der Manduchai ab und war blitzschnell vor dem Schiff, so dass Nantwin durch die gegnerische Frontscheibe hätte sehen können, wenn sie näher heran wäre. Dann richtete das Schiff das Feuer aus. Es war ein anderer Strahl als zuvor, nicht flammfarben sondern blau.
Alle Motoren Vollkraft. Der Geschwindigkeitsregler ging nach oben und die Manduchai machte einen Satz nach oben. Dort, inmitten der Luft, erfasste der Strahl die Manduchai. Verdammt. Für einen Moment schien die Welt still zu stehen. In Wirklichkeit, das wusste er, bewegten er und das andere Schiff sich in rasender Geschwindigkeit durch das All. All das dauerte nur wenige Sekunden, dann bewegte sich das Außenbild durch die Frontscheibe wieder.
Position anzeigen. Der Computer piepte, dann erschien eine Karte. Im Heykajas-System. Verdammter Rahosi. Soeben hatten sie einmal das halbe Universum durchquert.
In diesem Moment ertönte eine schrille Alarmglocke. Für einen Moment hatte Nantwin seinen Gegner aus den Augen verloren und das feindliche Schiff beschoss ihn nun von hinten. Die Schilde wurden beständig geschwächt.
Notfallgeneratoren aktivieren und Ballast abwerfen. Sein Schiff beschleunigte nochmals, als die Container abgeworfen wurden und mehr Energie zugeführt wurde.
Schilde verstärken. Wo war der Kerl? Hatte er wieder diesen Unsichtbarkeitstrick angewandt? Um ihn herum vibrierte die Luft vor Spannung. Mehr Energie konnte die Manduchai nicht aufnehmen und die, die sie jetzt besaß, würde sie nur kurze Zeit halten können. Da. Das Licht des Mondes hinter ihm schien eine Stelle in der Luft nicht erreichen zu können. Dort war Schwärze, als ob etwas das Licht verbrauchen oder aufhalten würde. Oder war es doch nur eine Täuschung des Lichts? Er zögerte. Der Computer konnte keine Auffälligkeit feststellen, aber Maschinen waren fehleranfällig und in Gegenwart der verfluchten Rahosi, die sie hervorragend zu täuschen vermochten, noch mehr. Achte auf die kleinen Dinge, Junge. Die großen kann jeder verbergen, aber selbst der beste Soldat vergisst Kleinigkeiten. „Verdammt, Vater“, murmelte er, „Immerhin in diesem Punkt hattest du Recht.“
Er richtete den verbliebenen Geschützturm aus, dann schlug er einen Kurs an, der die Manduchai parallel der Stelle führte. Absichtlich verschob er einige Regler, so dass sie in ihrem Flug schlingerte und bockte wie eines dieser legendären Pferde, die schon vor Lichtjahren ausgestorben waren.
Nantwin fokussierte sich auf die Stelle, die sich nun links neben sich befand. Immer noch war dort nur Schwärze. Der unruhige Flug eines vermeintlich schwachen Opfers hatte ihn nicht hervorgelockt. Gut. Dann würde er den ersten Schritt tun müssen.
Als sich das Schiff genau parallel befand, riss er den Steuerknüppel herum, so dass er eine geringere Trefferfläche darbot und der Geschützturm die besten Vorraussetzungen hatte. Ohne zu zögern, schoss er. Grelles Licht blitzte auf und Flammen schossen aus dem nun plötzlich sichtbaren Schiff, das rasant an Höhe verlor. Jetzt habe ich dich, Bastard. Er legte die Hebel um und befahl der Manduchai einem Senkrechtflug, derweil er erneut feuerte. Dieser Schuss verfehlte, aber der nächste traf und riss die linke Tragfläche ab. Trümmer kamen ihm entgegen, doch gekonnt wich Nantwin ihm aus. Die Positionslichter und das Feuer leuchteten vor ihm in der Dämmerung, die nur durch diese und die Strahlen des Mondes hinter ihnen durchbrochen wurde. Unter ihnen hing ein Planet, dessen Oberfläche dunkel schimmerte. Auf diesen stürzte das feindliche Schiff zu. Hoffte es sich dort zu verbergen oder landen zu können?
In diesem Moment dröhnte ein schrilles Piepen durch die Manduchai. Asteroiden, erkannte Nantwin und fluchte leise. Natürlich tat ihm der andere nicht den Gefallen, durch das Feld zu fliegen, stattdessen überließ er das Nantwin. Immer noch fluchend und zugleich hoch konzentriert ließ er das Schiff Gesteinsbrocken ausweichen. Ein Knirschen ertönte als ein Asteroid den verbliebenen Geschützturm glatt absäbelte. Die Trümmer stürzten auf ihn herab und einer durchschlug die Decke über dem hinteren Kontrollraum. Noch mehr Lämpchen leuchteten und Warnhinweise erschienen, als die kostbare Luft entwich. Irgendetwas schien dort ausgelöst zu werden, denn die Energie, die er zuvor sorgfältig aufgespart hatte, entlud sich in einer Explosion. Nantwin wurde nach vorne geschleudert, eine Hitzewelle kroch über seinen Rücken und die Flammen prasselten unaufhörlich.
Abriegeln, befahl er, während er sich aufrichtete, doch nichts geschah. Abriegeln. Das Computersystem schwieg. Eilig machte er sich daran, den Riegel per Hand umzulegen. Verdammt! So etwas war ihm in den fünfzehn Jahren, die er dieses Schiff schon führte, noch nie passiert.
Nun befand auch er sich im freien Fall abwärts. Mit der einen Hand trennte er die Energieverbindung und verband sie erneut, mit der anderen fuhr er die Notfallstabilisatoren aus. Weder ersteres noch letzteres funktionierte. Das System hatte komplett den Geist aufgegeben. Stattdessen aktivierte er seinen eigenen Computer, der als kleiner Chip in seinen linken Handrücken implantiert worden war.
Soll es ein Kompliment oder eine Strafe sein, dass du mich erst aktivierst, wenn dieses große, angeberische System dich im Stich gelassen hat?, piepte es.
Sei still und tue deinen Job, knurrte er und versuchte erneut die Energieverbindung zu legen.
Gut, entgegnete es spitz, wir tauchen in 2.000 Meter in die Atmosphäre ein.
Lokalisiere das andere Schiff. Verdammt! Es funktionierte einfach nicht. Er bekam keine Energie in die Manduchai. Es schien, als ob alles Leben mit dem Feuer aus ihr gewichen war.
Wann bricht das Feuer durch?
Geduld, Meister, entgegnete System 31101517, Der Gegner ist in die Atmosphäre eingetaucht und das Schiff ist unkontrolliert. Ach, und ich würde die Dauer nur bedingt ausprobieren wollen. Ich rate dir dringend zu springen.
So weit war ich auch schon.
Wir sind in der Atmosphäre. 15000 Meter. 14.000, piepte das System mit einer fast fröhlichen Stimme.
Noch immer befand sich die Manduchai im freien Fall. Das System hatte komplett den Geist aufgegeben. Egal wie oft Nantwin die Energieverbindungen neu aufeinander abstimmte, es geschah nichts. 10.000. Nantwin strich ein letztes Mal über die Armaturen, dann griff er nach seinem bereitstehenden Notfallrucksack und befestigte den Fallschirm. 7.000 Meter.
Atmosphäre?, fragte er. Das System kannte ihn mittlerweile so gut, dass es auch diese Ein-Wort-Frage verstand. Der Stickstoffgehalt und Kohlenstoffdioxid sind höher, aber es ist kompatibel. Gut.
Er öffnete die Bodenluke und blickte hinab. Wolken, durch die grünes Land schimmerte. Der Wind pfiff durch die Manduchai, kalt und rau, so wie das Land unter ihm. Gebirgsketten erschienen von hier winzig, Seen als blaue Flecken. Die Sonneneinstrahlung war deutlich geringer als auf seinem Heimatplaneten und ihm fröstelte schon jetzt. Hinter ihm erhitzte sich der Rumpf des Schiffes, die Flammen schienen sich zu verbreiten.
4.000 Meter.
„Leb wohl“, flüsterte er. Fünfzehn Jahre hatte sie ihn begleitet.
Dann sprang er.
Und das letztendlich nur, weil jemand einen Namen in ein Mikrofon gesprochen hatte. Den Namen.