Inktober: Zähne
Jeden Tag ging Styzz in die Fabrik. Als Männchen hatte er von Natur aus keine Flügel und so verdiente er, wie die meisten Männchen, seinen Lebensunterhalt hier beim Schleifen. Das, was abgehobelt wurde, kam in andere Auffangbehälter und wurde weiterverarbeitet - nicht ein Staubkorn verließ unentdeckt das Gelände. Manchmal wurde ein armer Teufel dabei erwischt, wie er versuchte den ein oder anderen Splitter mit hinaus zu schmuggeln und ward nie mehr gesehen. Bei so etwas verstand die Königin wahrlich keinen Spaß.
Auch seine Frau Pyra und die anderen Weibchen hatten es nicht viel einfacher. Zwar hatten sie etwas, was er nie würde nachvollziehen können - die Fähigkeit zu fliegen - doch wurden sie dafür ebenso ausgebeutet, wie er. Manchmal erzählte Pyra ihm davon, wie es war ihre Flügel auszubreiten und durch die Nachtluft zu gleiten, wie der Wind mit ihrem Haar spielte und sie über die Welt trug. Das musste wundervoll sein, kam aber mit hohen Risiken. Wenn sie entdeckt wurde, war es aus mit ihr.
Außerdem wurde es immer schwieriger welche zu finden. Die Märchen gerieten langsam in Vergessenheit und ihre Konkurrenz war groß. Jede von ihnen suchte verzweifelt. Jede Nacht.
Da hatte er es fast leichter. Styzz ging in die Fabrik und schleifte. Und hobelte. Und polierte. Er musste nicht viel schleppen, das machten die Jüngeren, und er hatte durch seine Kunstfertigkeit das Privileg, nichts anderes tun zu müssen, als kleine Wunder zu erschaffen.
Mit seinem Werkzeug schnitzte er kleine Figuren und Teelichter. Manchmal bekam er auch einen Auftrag für größere Werke und die wurden auch etwas besser bezahlt. Das Material ließ sich gut bearbeiten, war allerdings auch sehr scharfkantig, weshalb er sich nicht selten daran verletzte. Meistens waren seine Hände und Finger bandagiert. Und manchmal, wenn niemand hinsah, verschwand auch mal ein kleiner Splitter hinter solch einer Bandage.
Menschenzähne waren das weiße Gold der Elfenwelt.