Inktober: Dünen
Suche mich hinter den Dünen,
Nur dort kann ich meine Schuld sühnen
Ich will kein schlechter Mensch mehr sein
Lebe deshalb ganz allein
Damit ich andre nicht mehr störe
Und besser auf die Stille höre
Niemand wird mich hier vermissen
Such ich stattdessen so verbissen
Eine Muschel nach der andern
Tagein, tagaus am Strand lang wandern
Bis tausend schöne ich gefunden
Um zu heilen deine Wunden
Die in dein Herz, ohne zu wissen
Ich unbedacht habe gerissen
Heilen werd ich sie wohl nicht
Doch auferlegte ich mir Pflicht
Alles zu tun was ich vermag
Bis zum wundervollen Tag
Da du meiner Unbedacht verzeihst
Mir deine Gunst nochmal verleihst
Tausend schöne Muscheln, denk ich. Was für ein dämlicher Schwur. Doch er hat dich zum Lächeln gebracht, das erste Mal seit langem. Also bin ich losgezogen und nicht eher will ich dir unter die Augen treten, bis ich sie gesammelt habe.
Und ich bin wählerisch.
Nur die schönsten der Schönsten sollen es in meine Sammlung schaffen und in den einsamen Stunden am Strand habe ich Zeit zu reflektieren, was ich alles falsch gemacht habe. Als wir schon über zwei Jahre zusammen waren, wurde deine Depression diagnostiziert und ich habe alle Fehler begangen, die Angehörige begehen können.
„Lach doch mal wieder“, habe ich zu dir gesagt. Vielleicht um dich aufzuheitern und vielleicht, um mich selbst nicht mehr schlecht zu fühlen.
„Du musst einfach wieder öfter rauskommen.“ Das ist ein dummer Vorschlag für jemanden ohne Antrieb auch nur zu essen oder zu duschen.
Ich verfluche mich selbst für meine Leichtfertigkeit und sehe eine Muschel im Sand, die deiner vielleicht würdig ist. Erst habe ich nicht wahrhaben wollen, dass ich Teil des Problems bin. Was soll ich denn mit deiner Krankheit zu tun haben? Doch du hast es mir erklärt. Ganz ruhig und ohne Wut hast du mir deine Sicht der Dinge geschildert, wie mein Verhalten dein Verhalten und Empfinden beeinflusst. Nicht, weil ich ein schlechter Mensch sei, hast du gesagt. Warum fühle ich mich dann so?
Die nächste Muschel, die ich aufhebe, schafft es nicht in meine Sammlung und landet wieder im nassen Sand. Meine Fingerspitzen sind schon ganz rot vor Kälte, aber bis die Sonne untergeht und mir das Licht nimmt, werde ich nicht aufhören zu suchen.
Tausend Muscheln für tausend unbedachte Worte.
Das scheint mir angemessen.