Mein Atem geht schneller als je zuvor. Ja. Genau das ist es, wonach ich mich gesehnt habe.
Ich fühle, dass mein Körper auf Höchstform läuft, mein Puls hämmert in meinen Ohren. Mit automatischen Bewegungen fliege ich förmlich durch das Unterholz, meine Beine tragen mich, ohne dass ich darüber nachdenken kann, wohin.
Mein Verfolger kracht nicht weit von mir auf eine Lichtung und brüllt vor Zorn. Es hallt so laut, dass ich mir beim Laufen die Hände über die Ohren halte und leise wimmere. Er ist schon viel zu nah dran und meine Lungen haben längst zu brennen begonnen.
Überall an meinen Armen und Beinen sind kleine Wunden, gerissen an vorüberziehenden Ästen und Dornen, doch unbemerkt von mir, solange ich nicht anhalte. Anhalten ist das Letzte, was ich mir erlauben kann, obwohl alles in mir nach einer kleinen Pause schreit.
Ich kann auch nicht darüber nachdenken, wie ich in diese Situation geraten bin und welche Ereignisse dafür verantwortlich waren - nichts zählt mehr außer meiner Flucht. Kein Gedanke stört mich. Kein Gefühl verwirrt mich, da ist nur Angst. Reine und nackte Angst, die mich voran treibt.
Manche Menschen sehnen sich nach Reichtum. Sie wollen Schätze aufhäufen und wie Drachen darüber wachen. Andere Menschen, die schon erkannt haben, dass Geld nicht glücklich macht, sehnen sich nach anderen Menschen. Nach Verbindung, die ihnen Bedeutung und Halt gibt.
Mein Verfolger sehnt sich nach Macht. Er sehnt sich danach mich zu zerfetzen und zu unterwerfen; mir seinen Willen aufzuzwingen und sich an meiner Angst und meinem Schmerz zu berauschen. Ich bin der Schatz, dem er nachjagt, aber keiner, den er unbedingt behüten will.
Und ich… ich sehne mich danach diese Angst auszuleben. Ich will seine Beute sein und laufen, bis ich nicht mehr laufen kann, meine Instinkte übernehmen lassen und versuchen ihm zu entkommen. Wirklich um mein Leben rennen, um mein Leben zu fühlen.
Mein Schatz ist meine Angst.