Inktober: Ekel
Triggerwarnung: Ausgrenzung
Eklig.
Ich kam zur Welt mit einer seltenen Hautkrankheit. Die Schwester, die mich dem Doktor abnehmen sollte, hätte mich vor Schreck fast fallen gelassen, hat mein Vater mir mal erzählt. Dinge, die man eigentlich nicht wissen will. Meine Eltern waren ebenso entsetzt, als sie hörten, dass es kein Heilmittel gäbe. Natürlich haben sie trotzdem alles versucht, jeden Spezialisten zu Rate gezogen, mich in jedem Wunderelixier gebadet und dabei Haus und Hof verloren.
Obwohl mir keiner direkt dafür die Schuld zuweisen kann, schwebt der Vorwurf doch immer ungesehen über mir, wie das Damoklesschwert der Sagenwelt.
Meine Kindheit verbrachte ich ziemlich isoliert. Nicht nur, dass es meinen Eltern wohl zu peinlich war, mich auf Familienfeiern mitzunehmen - oder allgemein mich den Blicken der Öffentlichkeit preiszugeben - natürlich mieden auch die anderen Kinder mich wie die Pest. Spiele wurden erfunden, um den Kontakt mit mir zu vermeiden, da ich ja vielleicht ansteckend sein könnte.
Ich mag nicht jammern, das ist meiner Ansicht ein Verhalten, welches in der Menschheitsgeschichte noch keine Verbesserung der Situation herbeigeführt hat. Auch wütend bin ich über die Reaktionen meiner Mitmenschen nie geworden; vielleicht hätte mir das geholfen. Durch die Abweisung habe ich nur gelernt, wie man sich für seine Existenz entschuldigt.
Wenn ich aus Versehen jemanden berührte. Selbst Zuhause, wenn ich meiner Mutter beim Zubereiten des Essens helfen wollte, bekam ich diesen Blick absoluter Abscheu und ein hastiges: „Nein, danke, wirklich. Du brauchst nicht mitzuhelfen, geh doch auf dein Zimmer spielen, ja?“
Ich weiß, dass meine Eltern versuchten mich zu lieben und nur nicht zurecht damit kamen, wie anders ich bin. So ist das in der Natur. Wer nicht dazu passt, wird ausgegrenzt und muss sterben. Tatsächlich sollte ich wohl Dankbarkeit empfinden, nicht verstoßen worden zu sein, doch dazu kann ich mich auch nicht bringen. Den größten Gefallen tue ich den meisten, wenn ich ihnen aus dem Weg gehe. Auf meinem Zimmer habe ich die Möglichkeit mein Aussehen hinter mir zu lassen. Niemand stört mich hier, niemand kommt nach mir sehen und ich kann ich selbst sein. Meistens mache ich das Licht aus und die Vorhänge zu, damit ich mich selbst nicht mit allen Details meiner Gestalt auseinander setzen muss, und versinke in der Welt des Internets. Dort gibt es Menschen, denen mein Aussehen nicht wichtig ist und wir können uns ohne visuellen Kontakt austauschen. Musik teilen, die uns gefällt. Geschichten erzählen, die wir mögen und philosophischen Gedankengängen nachhängen. Es ist beinahe amüsant, aber dort, wo mich niemand sehen kann, werde ich akzeptiert. Sogar oft um Rat gefragt und vermisst, wenn ich mal keine Zeit habe. Keiner empfindet Ekel vor mir, zumindest nicht, wenn er mich nicht sehen muss.