Für Dark war dies nicht einfach.
Wenigstens hatte dieser verrückte Alte die blonde Kurzhaarperücke herausgerückt – trotzdem war e deshalb nicht weniger lächerlich. Ein Vampir als Engel. Worauf hatte er sich da nur eingelassen?
Während er zaudernd auf dem Kopfsteinpflaster entlangschritt und auf dem Weg zum Tanz war – der Weg dorthin war gut beschildert und nicht zu übersehen – fragte er sich, warum das Teleportieren über den Talisman nicht mehr funktionierte. Zugegeben, vom Kostümladen zum Fest war es nicht weit. Es fehlte ihm aber so die Bestätigung, dass er das Richtige tat.
Mittlerweile konnte er einige kostümierte Belleeinwohner entdecken, die offensichtlich das gleiche Ziel hatten. Dark vermutete, dass angesichts der drohenden Gefahr die Stimmung auf diesem Fest weit weniger ausgelassen sein würde als üblich. Trotzdem konnte man in einiger Entfernung bereits die Musik hören.
Dark war ein begnadeter Tänzer und hatte Spaß daran, sich im Einklang des Taktes zu bewegen. Meist mied er es trotzdem.
Als Blutsauger war es nicht leicht, den schlanken Hälsen in Kombination mit den verlockenden Gerüchen zu widerstehen. Menschlicher Schweiß, flirtende Menschen ... ein spezieller Duftcocktail, der all seine Selbstbeherrschung herausforderte, egal, wie viel Blut man zuvor genommen hatte.
Er selbst verglich es oft mit Süßigkeiten – auch sie aß man unabhängig vom eigenen Hunger.
Inzwischen hatte er den Ort des Geschehens erreicht.
Mit gemischten Gefühlen beobachtete er die gut gelaunten Belletristicans, die sich im Takt der Musik wiegten oder an einer der vielen Bars herumlungerten. Dark vermutete, dass es sich überwiegend um Pseudonyme handelte, die mit Einverständnis ihrer Schöpfer hier etwas Ablenkung suchten. Allerdings merkte man auch hier die drohende Gefahr; obwohl die Festbesucher sich durchaus zu amüsieren wussten. Die Stimmung schien leicht bedrückt und er hatte das Gefühl, dass viele aufgesetzt fröhlich daherkamen.
Egal – seine Aufgabe war es, diese dumme Maske zu finden und dann wieder von hier zu verschwinden.
Er würde sich der Herausforderung stellen – den tanzenden Sterblichen und der Albernheit seiner Verkleidung. So unterdrückte er ein ungeduldiges Knurren und dem Impuls, diese Federflügel einfach auszuziehen und sie auf den Boden zu werfen.
„Oh, ein Engel! Bist du Gabriel?“, fragte ihn eine weibliche Stimme von hinten.
„Nein, ich bin ein gefallener Engel, ich sehe nur so nett aus“, fauchte er unwillig und drehte sich um. Das fehlte ihm noch, dass ihn jemand aufgrund dieser albernen Aufmachung attraktiv fand. „Ich bin dem gefallenen Engel Luzifer viel näher.“
Ein Lachen war die Antwort. „Schlagfertig geantwortet. Ich mag böse Buben. Wie wäre es mit einem Tanz, du weißer Engelsteufel?“
Misstrauisch musterte er seine Gesprächspartnerin. Eine Frau zweifellos, die ein venezianisches Kostüm trug.
Die Verzierungen waren wunderschön, wenn auch nicht ganz so pompös wie die Originale in Italien. Der Blutsauger hatte einst diesen Karneval aus purer Neugierde besucht und die Verkleidungen mit ihren weiten Reifröcken als höchst unpraktisch empfunden. Daher erkannte er sofort, dass es sich hier um eine Nachahmung handelte – trotzdem war sie sehr geschmackvoll und kein Kostüm von der Stange. Inklusive der bekannten Porzellanmaske, die kunstvoll bemalt war und das gesamte Gesicht der Frau bedeckte.
Er würde sterben hinter so einem Teil. Ihm reichte seine aus Stoff vollkommen.
Andererseits konnte er ebenso den einen oder anderen Tanz wagen. Es war es unhöflich, einer Frau einen Korb zu geben, das verbot ihm seine gute Erziehung.
So streckte er ihr einer direkten Antwort die Hand entgegen und gemeinsam betraten sie die Tanzfläche.