Picture it! - Challenge
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Ich liebte es, wenn es Vollmond wurde. Liebte einfach alles daran. Die Kühle der Nacht, die das weiße Licht zu verstärken schien, sich nicht, wie die Sonne, auf Wärme, stattdessen auf Kälte einließ. Ich liebte die Sterne, die die unendliche Weite und meine Winzigkeit demonstrierten, vielleicht um mich einzuschüchtern, vielleicht um mich noch stärker zu machen.
Jeden Mond stand ich auf dem Balkon und blickte auf das Meer hinaus, dessen Wellen so sehr mit dem Universum übereinstimmten, dass sich Sehnsucht in mir hegte. Wie Korallenriffe, so die Sonnensysteme, wie Lebewesen, so Milliarden von Planeten. Genauso nah und doch so fern wie beide Umgebungen es waren.
Ich konnte den eiskalten Wind auf meiner Haut spüren, trotz den Kleidern und Decken, die ich mir übergeworfen hatte. Ich spürte, wie er mich streichelte und mir Sicherheit versicherte, die es nicht gab.
Eine Gänsehaut legte sich über meinen Körper und meine Augen wanderten zu dem Baum, der sich am Ufer des Meeres erhoben hatte und sich mit aller Kraft an die Böschung klammerte. Würde ich meine Hand ausstrecken, würde ich ihn berühren können, diese Lebenslust in seiner Rinde spüren. Aber ich tat es nicht. Ich konnte es einfach nicht mehr.
Ich schwieg eine Weile, betrachtete nur stumm die Wurzeln, die sich mühsam verrenkt hatten, bis der Wind zu einem Sturm ausartete und mir die Haare aus dem Gesicht trieb. Mir wurde noch kälter und ich fröstelte, doch ich kehrte nicht in das warme Innere des Gebäudes zurück auf dessen Balkon ich stand. Ich hatte nur auf diesen Moment gewartet.
Denn in diesem einen Augenblick bewegten sich die kahlen Äste des Baumes, dessen Art mir genauso ein Rätsel war, wie das Geschehen, das sich jeden Vollmond hier abspielte. Die Zweige schwangen hin und her, doch nicht so, wie sie der Wind bewegte, nein. Es war ein Tanz, dessen Zweck ich nicht begriff und der mir doch so gefiel, dass ich jedes Mal aufs neue auf den Balkon stieg.
Nur wenige Sekunden später mischte sich ein feines Geräusch zu denen des Sturmes. Zunächst nur ganz leise, doch dann artete es zu einem Gesang aus. Einen Gesang, dessen Töne so schauerlich klangen, dass mir ein eiskalter Schauer über den Rücken jagte und meine Zähne unwillkürlich zu klappern anfingen.
Einige Minuten verharrte ich noch an Ort und Stelle und lauschte dem Phänomen, das sich mir hier bot, bevor sich der Sturm urplötzlich legte und die Musik verstummte. Der alte Baum kam zur Ruhe und seine Zweige nahmen ihre ursprüngliche Position ein.
Und ich kehrte zurück in das Haus.