mi-mi1:
Das rostzerfressene Schmiedetor am unteren Ende der Kleingartenanlage schwingt leise knarrend im Wind. Dahinter verdecken die wuchernden Rosenhecken die Sicht auf das holzvertäfelte alte Haus. Vorsichtig schlüpfe ich durch das Tor. Ein Frösteln durchläuft meinen angespannten Körper. Zwischen dem hohen Gras und den Hecken scheint die Luft auf dieser Seite der Grenze um einige Grad kälter.
Ich bewege mich langsam und geduckt, hoffe dass keine der Katzen in der Nähe ist. Immerhin kann ich keine wittern. Dafür rieche ich etwas anderes.
Das Haus erinnert mich mit seiner Holzvertäfelung und den Schnitzereien an ein Hexenhaus. Anstatt nach Lebkuchen stinkt es hier jedoch nach Fischabfällen und verwesendem Aas.
Efeuranken verdecken halb die dunklen, einfach-verglasten Fenster, aus deren Rahmen alter Kit bröckelt.
Möglichst lautlos umrunde ich den Bau, bemüht, allen morschen Zweigen auszuweichen. Die gruseligen Katzen hier verstehen garantiert keinerlei Spaß. Weder Attila noch Ivan machten gestern den Eindruck, dass sie für eine gemütliche Skatrunde zu begeistern wären. Vielleicht Kniffel? Oder Mikado?
Mist, da war die Sache mit dem opponierbaren Daumen.
An der Seitenwand des Hauses rottet ein alter Kaninchenstall vor sich hin. Eine der unangenehmen Geruchsquellen hier. Ich schaue etwas genauer hin. Eine verblichene Fischgräte hängt halb aus dem Gitter. Wenn das hier das Lebkuchenhaus darstellt, sind dies dann die letzten Überreste von Hänsel?
Ich schüttele mich. Da ist der kalte Schauer schon wieder. Dämliches Kopfkino!
Dieses Haus hat die bessere Zeiten lange hinter sich gelassen. Kevin könnte früher in seiner Kindheit hier im Verschlag ein Kaninchen gehalten haben.
Auf der rückwärtigen Hausseite modert eine zusammengebrochene Veranda. Mäuseleichen in allen Stadien der Auflösung liegen zwischen den rottenden Holzdielen. Durch die großen, halbblinden Panoramafenster sehe ich Dutzende von Regalen voller Bücher. Jede Wand ist bis zur Decke mit Druckwerken gefüllt. Und ich vermute, keines dieser Bücher stammt von Konsalik . Freistehende Regale trennen eine kleine, gemütliche Leseecke ab. Hier erkennt man noch die letzten Spuren von Oma Kleibers früherem Leben als Bibliotheksleiterin in Vorderhausen. Bis zu Dem Zwischenfall. Überhaupt, kaum einer nennt die verrückte Katzenlady noch bei ihrem richtigen Namen.