mi-mi4:
Wer verdammt noch mal schnitzt bitte einen Schlüsselanhänger aus Walnussholz? Und dann noch genau in der Form einer Walnuss? Und warum verdammt noch mal hängt genau dieser dämliche Anhänger dann auch noch an einem Nagel an der Außenwand des Hauses, wo jedes verfluchte Eichhörnchen ihn sofort sieht?
Fragen über Fragen, aber jetzt ist erst einmal keine Zeit zu verlieren. Der erwähnte rostrote Nager hat sich nämlich genau den besagten Anhänger samt Schlüssel daran geschnappt und wir benötigen ihn gerade. Nur rein zufällig.
Den Schlüssel meine ich, nicht den Nager.
Klümpchen und ich setzen zum Sprint an. Wenn es sein muss, dann kann ich sowas noch. Zu unserem Glück flüchtet das Eichhörnchen in die Kleingartenanlage. Wie ein roter Blitz flitzt es schnurgerade den Hauptweg hinauf. Von rechts erklingt aufgeregtes Bellen aus einem der Gärten. Bingo oder Bongo, die sich wieder aufspielen wollen.
Doch das Tier vor uns lässt sich nicht von seinem Weg abbringen. Noch immer trägt es den Anhänger mit dem schicksalhaften Schlüssel bei sich.
Klümpchen und ich laufen Kopf an Kopf, die bepelzten Nasen im Wind. Wir gleiten wie Geparden zwischen dem Hecken über die Pflastersteine.
Mein Jagdinstinkt schlägt nun voll an. Ich sehe nur den Nager vor mir, blende alles unnötige aus. Weder bemerke ich die Schubkarre, die sich mir halb in den Weg schiebt und die ich mit der rechten Schulter tourchiere, noch den Gehstock, den ich mit gesenkter Kopf ramme. (Und auch bemerke ich nicht den Entsetzensschrei, als die zugehörige ältere Dame rücklings in die Hecke fällt) Erst später am Tag kommen die Erinnerungen daran langsam hoch, als ich meine blauen Flecke lecke.
Langsam holen wir auf. Wir passieren das Haupttor kurz nach dem Eichhörnchen. Oben auf dem Parkplatz flitzt der rote Blitz unter den geparkten Autos durch, ein Punkt für die Baumratte.
Als wir die Wagen umrundet haben, sehe ich den Nager genau zwischen den Rädern eines fahrenden LKWs über die Strasse huschen. Die folgende Lücke gehört uns. Damit sind wir ebenfalls auf der anderen Seite, gleiten durch den Zaun auf die Pferdekoppel.
Der Schlüsseldieb hat nun wieder Vorsprung, doch jetzt gebe ich alles.
Entengleich patsche ich über die Wiese, meine Pfoten eiern wie gut geölte Pleuelstangen an einer historischen Eisenbahn, kurz vor den Kesselexplosion.
Ich laufe immer schneller, verliere den Kontakt zum Boden, gleite und fliege dem Eichhörnchen nach. Ich bin eine verdammte Rakete! Meine Ohren flattern wie riesige Segel im Wind. Dann bewegt sich mein anvisiertes Ziel plötzlich ruckartig vertikal nach oben.
Oben? Mist!
Bremse?
WO IST DIE VERDAMMTE BREMSE?
Ich schaffe es noch, den Kopf zu drehen und mein Heck auf den Boden zu pressen, dann springt mich der Baum schon an.
Die Zeit nun steht fast still, läuft in einer unglaublichen Langsamkeit vor mir ab.
Ich sehe Klümpchen, der kurz hinter mir wie ein Leopard 2-Panzer durchs Gras walzt. Hoffentlich nicht ganz so störanfällig. Seine Augen sind schreckensgeweitet. Er versucht, mit einem beherzten Sprung in die Höhe auszuweichen.
Es fühlt sich an wie Matrix, die Szene auf dem Dach.
Bullet-Time!
Der fette Perserkater staucht seinen Körper, verlagert die Speckringe in die hintere Körperhälfte, winkelt die Beine an und katapultiert den wabbeligen Ballast ruckartig Richtung Brust. Das Gewicht der wärmenden Schicht reißt ihn in die Höhe. Er streckt seinen Körper im Flug, gleitet elegant über mir durch die Lüfte.
Dort allerdings federt sein Speckpolster wie an einem Gummiband zu seinem angestammten Platz zurück. Der Flug wird jäh wie von einer unsichtbaren Wand gebremst.
Genau über mir.
Er rollt sich noch zu einer Kugel, prallt dann mit der Wucht eines Ozeankreuzers auf meinen Rücken.
Und damit endet diese ästhetische Filmszene in einem wilden Fellhaufen aus zwei Prof... Amateur-Jägern an den Wurzeln eines Baumes.