Epilog 2:
"Und dahinter ragt sie empor: Die Zitronenhecke. Heimat der Zitronenratten und letzter Außenposten der bekannten Bumpfwaldwelt. Und kaum, dass sie ihre Deckung verlassen haben, blitzen Augen auf. Und noch viel schlimmer: Ein Kichern. Eines? Fünf, dreizehn, hundert! Der Laut schwillt an, vervielfacht sich und dröhnt auf unsere Kameraden ein, wie eine Welle. Kichern, Gickeln, grölen, gackern. Der Lachschwall schlägt über ihnen zusammen, hüllt sie ein und fegt Sepp und Trari von Annikas Rücken."
Napoleons Hecheln klang ungewöhnlich laut in der Stille, als Ivanka das Buch zur Seite schob und den Chihuahua erwartungsvoll anblickte.
"War das schon alles?", wollte der kleine Hund enttäuscht wissen.
"Net! Natürlich nicht, kleiner Bär." Ihr russischer Akzent wurde mit dem Abend immer stärker. "Aber ich möchte jetzt lieber mit dir kuscheln. Der Tag war lang und anstrengend genug."
Nappi quickte vor Freude und die beiden ungleichen Fellträger rollten sich zu einem bunten Knäuel auf dem gemütlichen Lesesessel zusammen. Außen eine Ring getigertem Katzenfell und mittendrin ein kleiner Klecks cremefarbener Hund mit zwei lustig aufragenden weißen Ohrpuscheln.
Die halbe Nacht hatte Ivanka dem kleinen Hund aus dem Buch vorgelesen. Napoleon war nicht nicht müde geworden, immer wieder begeisterte und verblüffte Zwischenfragen zu stellen.
"Ist Annika wirklich ein Pinscher?", wollte er einmal wissen. Dann wiederum interessierte ihn die Rasse der Mumpf-Katze.
Bei Popel dem Fuchs lachten sie beide herzhaft.
"Ich kann nicht glauben", unterbrach er sie einmal atemlos, "dass sich all das jemand wirklich nur ausgedacht haben soll." Seine staunenden braunen Augen waren groß wie Murmeln.
"Aber sicher", schnurrte Ivanka, "Es war eine Frau, die es zusammen mit ihrer Tochter ersonnen hat. Wortweber ist das Pseudonym, unter dem sie schreibt."(*)
"Ich hätte nie gedacht, dass jemand so viel Fantasie hat." Napoleon verstummte ehrfürchtig.
"Sag mal", wollte er dann nach einiger Zeit von ihr wissen, "ist Kunz wirklich der gefährlichste Wolf der Welt?"
"Da! Natürlich ist er das. Es steht ja so in der der Geschichte."
"Ich glaube, ich möchte auch Kunz heißen." Napoleon seufzte schwer. Ihm wurden nun die Augenlider schwer und schwerer. Auch Ivankas Atmung flachte immer weiter ab.
Mitten in der Nacht erwachte die Katze plötzlich von einem scharfen Schmerz an ihrer Schwanzspitze. Der schlafende Chihuahua hatte seine spitzen Zähnchen hineingeschlagen und schüttelte ihre Rückgratverlängerung knurrend und quietschend im Traum.
"Hey Hey, großer Bär." Sie rüttelte ihn sanft. "Alles ist gut. Aber deine Reißzähne pieksen ein wenig."
Napoleon erwachte mit einem lauten Heulen. "DIE ZITRONENRATTEN WOLLEN MICH IN DIE KOKLATENPFLANZE WERFEN!"
"Sch-sch, beruhigt dich, mein Herz. Du hast nur schlecht geträumt." Die grosse Katze fuhr eine spitze Klaue aus und strich dem Chihuahua ganz sanft über den schmalen Streifen zwischen seinen Augen, bis er wieder selig einschlief.
Ein wenig erinnerte dieses ungleiche Paar den unsichtbaren Beobachter an den Drachen und den Esel aus dem Film Shrek.
Ein unhörbares Kichern erklang in der Bibliothek der irren Katzenlady, umkreiste die Bücher und verschwand dann durch die Katzenklappe in der Nacht.
Aber nun wollen wir das glückliche Paar den Rest der Nacht wirklich lieber allein lassen.
(*)
Invertierte Passagen mit freundlicher Genehmigung von Wortweber.