CN: Tote Mollusken
di-mi1:
Vor mir, auf der anderen Seite der Bundesstraße stolpert die wasserstoffblonde Mandy Müller hinter ihren beiden Boxern her. Noch haben mich die zwei Blödmänner nicht gewittert. Das kann natürlich auch an der penetranten Duftwolke liegen, mit der sich die Sonnenstudiobesitzerin heute wieder umgibt. Zur Sicherheit halte ich mich halb im Gras des Seitensteifens verborgen und bin im vollen Schleichmodus.
Mandy trägt wieder ihre Jacke aus Jaguarfell-Immitat, tot-chiq. Solariumsgetoastet, in Kombination mit der pinken Leggins bestimmt das modische Highlight auf jedem Manta-revival-Treffen. Um es abzurunden an den Füßen noch ein Paar mörderischer Highheals, Marke Stelzenläufer. Also genau das richtige Outfit, um zwei unerzogene Hunde an der Leine zu führen. Oder heißt das, geführt zu werden?
Immerhin Bongo ist mit einer eingegipsten Pfote leicht gehandicapt und humpelt beim Zerren an der Leine.
Der Schulbus rauscht aus Vorderhausen heran. Jetzt wird es spannend.
Er hält quietschend einige Meter vor uns, die Räder rappeln über den Schotter am Rand. Mit einem prostestierenden Schnaufen öffnen sich die Türen. Mandy bleibt panisch mit ihren beiden Pöbelbrüdern stehen, als eine Horde Schulkinder aus dem alten Kindertransporter springt.
Die Boxer stehen steil in den Leinen, welche Frauchen in weiser Voraussicht um einen Pfosten an der Pferdekoppel geschlungen hat. Laut lachend und kreischend schlagen die Kinder einen Bogen um die beiden kläffenden Tiere und ihrer hektisch kaugummikauende Leinenhalterin im 80er Jahre Porno-Outfit.
Ein gezielter Ruck von Bingo löst seine Leine vom Pfosten. Mandy kann sie gerade noch einfangen. Hoffen wir mal, das ihr dabei keiner der kunstvoll verzierten Acryl-Nägel abgebrochen ist.
Laut kreischt sie ihre zwei Hunde an, fleht, bettelt und droht ihnen, damit sie sich endlich benehmen.
Fast schon witzig, wie die beiden sich dabei heimlich gegenseitig zuzwinkern, sich über das alberne Verhalten der offensichtlich geistesgestörten Frau lustig machen und die Augen verdrehen.
Trotzdem schafft Mandy es, die beiden soweit abzubremsen, dass die Tiere sich nicht auf die Kinder stürzen.
Auch Arthi und Schnodder gehören zu der Gruppe Heimkehrer. Die beiden Jungen lassen sich zurückfallen, spielen mit ihren Handys. Schnodder beißt immer wieder von seiner Dönertasche ab, verteilt dabei die Hälfte geistesabwesend auf dem Schotter.
Die beiden Boxer haben natürlich schon längst die kleinen Zwischenmahlzeiten gerochen. Sie führen ihr störrisches Frauchen zielsicher zu den Fleischresten. Durch den Gips an der Pfote ist Bongo etwas langsamer als sein Bruder. Bingo schnappt ihm jedes einzelne Stück Dönerfleisch vor der Nase weg.
Ich folge der Gruppe in einigem Abstand, halte mich auf der anderen Straßenseite und amüsiere mich bei der Show köstlich.
An einer Stelle, kurz vor dem Bauernladen, liegt die von mir gestern zertretene und inzwischen vertrocknete Nacktschnecke. Vermutlich stinkt sie jetzt noch schlimmer. Die Viecher sind dieses Jahr wirklich eine Seuche.
Bongo allerdings kann sie in seiner Gier und dank Frauchens Duftwolke nicht riechen, nur sehen.
Hier greift das Prinzip Hoffnung: bevor sein Bruder Bingo sich dieses vermeintlich köstliche Fleischstück schnappen kann stürzt er vor und saugt sich die zermatschte Wegschnecke gierig in den Rachen.
Schade, das ich jetzt keine Kamera bedienen kann.
Ehrlich!
Der Vollpfosten hat die Schnecke erst verschluckt und dann festgestellt, dass es dabei offensichtlich nicht um gutes Dönerfleisch handelt.
Schnecken sind für uns Hunde nämlich so ziemlich das ekelhafteste, dass wir uns vorstellen können. Und dementsprechend ist nun auch der Gesichtsausdruck der Boxers.
Die Zunge hängt ihm aus dem Hals, die Augen verdreht hechelt, hustet und würgt er herzerwärmend.
Habe ich schon erwähnt, das ich Schadenfreude empfinden kann?