Von einem Schatz ich jüngst erzählte
Dem legendärsten auf der Welt
Der allerzeiten selbst erwählte
Wer ihn in seinen Händen hält
Dieser Tag', ganz unversehen,
Erhielt ich Kund', verbrieft fürwahr!
Von weit'rem solcherlei Geschehen
Und biet euch meine Kunst nun dar
So folgt, ihr Leute, auf das Dritte
Mir ins dunkle Sagenreich
Senkt die Stimmen, dämpft die Schritte
Die Geschicht' beginnt sogleich
Ein junger Alb, des Königs Sohn
Mutig, gütig, selbstlos, weise
Der folgen sollte auf den Thron
Machte einst sich auf die Reise
Die dunkle Kraft der Blutmagie
Der Bücher allerprächtigstes
Den Schatz des Irrsinns, der Manie
Verbot'ner Schriften Mächtigstes
Auf Yrdia für alle Zeiten
Zu besiegen, zu vernichten
Zu verbrenn' die finstren Seiten
Und die Wächter recht zu richten
Zu zerstör'n den Blutkristall
Kerker zahlenloser Seelen
Retten und befrei'n sie all
Die sich seit Äonen quälen
An seiner Seit', die rechte Hand
Treu ergeben seit jeher
Der beste Freund, den er je fand
Führer seines Vaters Heer
Dritte mut'ge Seel' im Bunde
Mit des Bogens Meisterschuss
Ihm in Zeremonienrunde
Versprochen jüngst mit Liebeskuss
Mit der Ahnen hehrer Macht
Und dem Segen der Natur
Von den Meistern gut bewacht
Taten sie den heil'gen Schwur
Nicht zu ruhen, noch zu rasten
Bis das all' verderbend Böse
Dem solch Grauen anzulasten
Dahingesunken mit Getöse
Stark im Geiste, rein im Herzen
Hielt kein Hindernis sie auf
Scheuten weder Qual noch Schmerzen
Trotzten aller Dinge Lauf
Rätsel lösen, Karten lesen
Leicht den Dreien all dies fiel
Kaum ein' Lenz sie fortgewesen
Erreichten sie bereits das Ziel
Schaurig Wächter, hungrig' Mahre
Harrten schon voll Ungeduld
Doch der Freundschaft Bund, der wahre
Schenkt' den Kämpfern Ahnenhuld
Stück um Stück sie vorwärts schritten
Die Dämonen wütend schrieen
Zum Kristall sie hoch geritten
Von Turmes Spitz dann Feuer spieen
Doch der Zauberworte Schutz
Einen magisch' Schild erschuf
Unsichtbarer Mauer Trutz
Da erklang des Buches Ruf
Heißungsvoll es lockt' die Helden
Das Versprechen schierer Macht
Wollt' es jenem nur vergelten
Der die andern niederschlacht'
Forschen Schritts, mit festem Willen
Irrten sie durchs Labyrinth
Lasen Spuren, folgten Rillen
Die in Stein gehauen sind
Finsternis umfing sie all
Längst vergessen Raum und Zeit
Hörten einzig auf den Hall
Des Bösen in der Dunkelheit
Herz und Ohren führten sie
Fingerspitzen rastlos tastend
Doch der Bund, er zerbrach nie
Obschon sie kämpfend oder hastend
In der irren Wege Herzen
Fanden sie zu guter Letzt
Erhellt vom Schein uralter Kerzen
Was sie durch dies Bauwerk hetzt'
Der Ledereinband tief nachtschwarz
Das magisch' Siegel ungebrochen
Geruch verströmend wie Jungharz
Bereit, sie all' zu unterjochen
Im Kreis sie standen, Hand in Hand
Des Albenprinzen treu Begleiter
Schauten an ihn unverwandt
Und sein Blick, der wandert' weiter
Hin zum Buche, das da ruhte
Auf dem sündigen Altar
Getränkt in altem, schwarzem Blute
Gebracht als Opferrituale dar
Mit der Liebsten warmem Halt
Und des Freundes starker Kraft
Stellt' er sich den Mächten alt
Seine Schultern stolz gestrafft
Ohne Zaudern, ohne Zittern
Sprach er jene Worte laut
Die das Siegel jäh zersplittern
Die da fahr'n unter die Haut
Zischend ward es aufgeschlagen
Zauberbann der leeren Seiten
Und die Last war kaum zu tragen
Zag ließ er die Finger gleiten
Über unsichtbare Zeichen
die sehr wohl waren zu spüren
Begierde wollt' die Hand ihm reichen
Langsam schleichend ihn verführen
Doch des Prinzen Geist hielt Stand
Mit der Freunde Kraft und Glück
Drängt' er die Machtgier an die Wand
Und in den Foliant zurück
Des Buches Mächte, die geweckten
Sein Innerstes darauf durchstrichen
Und im Herzen sie entdeckten
Feine Narben wie von Stichen
Ein winzig kleiner Spalt sich fand
Scheinbar verheilt, doch nie vergessen
Dort, wo der Liebsten Name stand
Zu nah dem Freunde, welch Vermessen!
Plötzlich stieg auf dunkler Rauch
Vom Buche in des Prinzen Mund
Macht' von seiner Schwäch' Gebrauch
Den Spalt riss auf bis zum Abgrund
Dunkel ward des Alben Licht
Finster ward das leuchtend' Herz
Da sein Dolch den Freund ersticht
Unter unsäglichem Schmerz
Die triefend' Klinge glühend weiß
Vom Blute seines Blutes blau
Auf der dunklen Macht Geheiß
Dreht' er langsam sich zur Frau
Tiefes Grauen rührt' sie an
Ob der Fratz abominabel
Die nun ziert' den lieben Mann
Vordem ohne Fehl' und Tadel
Der Flucht beraubt gab's kein Entrinnen
Entschlossen sie den Schwertgriff packte
Kämpft' mit konzentrierten Sinnen
Bis ihr Nacken leise knackte
Hände, denen Tod fern lag
Gnad'los ihren Hals zerdrückten
Von Gram gebeugt sie ihm vergab
Ihre Blicke weit entrückten
Die letzten Wort' hat er verlesen
Die Seel' sich aus dem Leibe spaltet'
Zu Boden sackt' das schöne Wesen
Im Wimpernschlage greis veraltet
Doch in ihrem Herz sodann
Wie auch in des Freundes Brust
Hob ein Funk' zu strahlen an
Warf sich gegen Mordeslust
Größer werdend, immer heller
Drängt' die Finsternis es Stück für Stück
Immer stärker, immer schneller
Ins unheil'ge Buch zurück
Schaudernd ward der Prinz gewahr
Seiner Hände sünd'ge Tat
Griff das Buch und schwört' fürwahr
Sühne für den Hochverrat
Dunkle Macht ihn zwie verfluchte
Ihn zu knechten, ihn zu zwingen
Und so sehr er auch versuchte
Widerstand wollt' kaum gelingen
Mit letzter Kraft, verzweifelt' Klang
Zauberworte, die da preisen
Die Toten wie ein Formelsang
Schutz in alter Zunge Weisen
Blut'ger Regen fiel hernieder
Fraß sich ätzend durch die Haut
Blind schon schloss der Prinz die Lider
Ganz auf der Ahnen Führung baut'
Ein greller Blitz, dann wie von Sinnen
Rannt' mit lodernd' Schopf er los
In Windeseile auf die Zinnen
Stürzte sich in Todes Schoß
In seinen Händen leichenstarr
Das Buche aufgeschlagen ruhte
Ein jedes Zeichen nun sichtbar
Tat sich's gut an seinem Blute
Bis auch seine Seel' entschwunden
Und was einstmals war so rein
Hoch im Blutkristall gefunden
Ewigwährend' Joches Pein
Euer Schweigen, liebe Leute
Euch zu Lob und Ehr gereicht
Enden will ich drum für heute
Und sag leis: bis bald, vielleicht
© Noia, 17.03.2021
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Liebe Leser,
wer meint, des Barden zweite Weise verpasst zu haben, der hat recht. ;-)
Diese findet sich nicht in dieser Sammlung, sondern in "Des Diebes Gut", da sie im Rahmen der "Steal my line"-Challenge entstanden ist. Der Vollständigkeit halber sei sie hier für alle jene, die allen Weisen lauschen möchten, verlinkt: https://belletristica.com/de/books/32731-des-diebes-gut/chapter/160684-1-des-barden-zweite-weise-.
Die erste Weise findet sich übrigens unter dem Namen "Sangra Sacria" vier Gedichte vor diesem. ;-)
Liebe Grüße
Noia