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Kapitel 4
Liebe geht durch den Magen
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„Killian, komm rein“, begrüßt Ilaria mich aufgeregt. Sie greift sofort nach meiner Hand und zieht mich in ihre Wohnung. Ich komme kaum dazu, mich zu orientieren, schon bekomme ich einen Kuss auf die Wange.
„Du freust dich wohl sehr, mich zu sehen, hm?“
„Ja“, stimmt sie mir zu. „Zieh deine Jacke aus und mach es dir bequem. Willst du einen Kaffee?“
„Ja, gerne.“
So stürmisch ich begrüßt werde, so schnell tänzelt Ilaria wieder aus meinem Sichtfeld. Sie begibt sich in die Küche. Ich sehe mich um. Heute habe ich einen ungetrübten Blick auf das gesamte Wohnzimmer. Die Umzugskartons sind verschwunden. Auch der Spiegel, der bei meinem letzten Besuch noch von Kartons verdeckt wurde, ist nun in voller Pracht zu sehen. Um den dicken Rahmen ist eine Lichterkette drapiert. Auf der Kommode selbst steht ein Glas, in dem sich Sand, Muscheln und eine blaue Kerze befinden. In einer Muschel daneben liegt Ilarias Schlüsselbund. Das Ozeanbild, das ich letztens für einen Moment betrachtet habe, war wohl ein erstes Indiz auf Ilarias Einrichtungsstil.
Ich schlüpfe aus meiner Jacke. Neben dem Bild sind nun mehrere Haken befestigt. Diese sind Zwillingshaken zum Angeln sehr ähnlich. Allerdings sind sie nicht dazu gedacht, um Fische zu fangen, sondern um Jacken daran aufzuhängen. Meine Jacke findet direkt neben Ilarias Lederjacke, die sie bei unserem gestrigen Date getragen hat, ihren Platz.
Ich höre, dass Ilaria sich bereits um den Kaffee kümmert, während ich erst aus meinen Schuhen schlüpfe und dann Ilarias Wohnbereich betrete. Mein Blick fällt zuerst auf die Schreibtische an der Wand direkt vor mir. Sie erstrecken sich über die gesamte Seite der Wand, außerdem liegen sie unter einem Fenster, das Licht eignet sich also besonders gut zum Arbeiten. Für zusätzliches natürliches Licht sorgen die durchsichtigen Glassteine an der linken Wand, bei der auch eine Staffelei steht. Auf dieser befindet sich ein halbfertiggestelltes Bild. Interessiert an Ilarias kreativer Seite, trete ich auf das Bild zu, dabei gehe ich an einem kleinen Esstisch vorbei, an dem Sessel in Muschelform stehen. Ich ziehe einen Mundwinkel hoch, als ich das Gemälde betrachte. Zu sehen ist der Ozean, das scheint wohl ihr liebstes Motiv zu sein. Ein weiterer Blick über ihre Schreibtische verrät mir, dass Ilaria nicht nur mit Acrylfarben malt, sondern auch einige kleine Aquarelle gefertigt hat. Sie sind bereits getrocknet. Abgesehen von den Bildern entdecke ich noch verschiedene Farben, Pinsel, Spachteln, Muscheln, Sanddollar und Sand in Gläsern, leere Bilderrahmen und einige andere Werkzeuge zum Malen und Basteln. Einige Muschelkettenanhänger scheinen wohl auch schon fertig zu sein. Die Frage, warum Ilaria so einen großen Arbeitsbereich hat, erübrigt sich.
„Du hast mir gar nicht gesagt, dass du malst.“
„Du hast nicht gefragt“, antwortet sie mir aus der Küche.
„Du hättest es mir aber trotzdem erzählen können.“
„Killian, ich male!“, spricht sie etwas lauter, was mich zum Lachen bringt.
„Ach, tatsächlich? Was malst du denn?“
„Landschaften, am liebsten den Ozean.“
„Ach, wer hätte das gedacht.“ Ich betrachte die Aquarelle noch einmal genauer. „Deine Bilder gefallen mir.“
„Wirklich?“
„Ja, du bist ein talentiertes Mädchen.“
Der gesamte Wohnbereich ist recht offen und durch einen eckigen Bogen mit der Küche verbunden, in die ich nun den nächsten Blick werfe. Ilarias Küche ist locker doppelt so groß wie meine. Hier haben wir genug Platz, um zusammen zu kochen. Ilarias kleine Kaffeemaschine ist hellblau, die Pfannen und Töpfe, sowie die restlichen Küchenutensilien passen farblich wunderbar zusammen. Wäre Ilaria eine Puppe, wäre dieses Hellblau wohl ihre Markenfarbe.
„Wie trinkst du deinen Kaffee? Willst du Milch oder Zucker?“, fragt sie mich.
„Nur ein wenig Zucker, danke.“
Sie schiebt mir eine Zuckerdose zu. Als ich sehe, dass auch die farblich vollkommen ins Konzept passt und ebenfalls ein Muschelmotiv aufweist, ziehe ich die Brauen hoch. Als ich dann noch entdecke, dass Ilaria einen bronzefarbenen Oktopus hat, auf dem man seine Tassen hängen kann, kann ich mich nicht mehr zurückhalten und fange an zu lachen.
„Was ist denn?“, fragt sie mich.
Amüsiert deute ich auf den Oktopus neben der Kaffeemaschine. Dass er mir nicht gleich aufgefallen ist, ist eigentlich traurig. „Deine Wohnung ist kitschig, aber ein ganz anderes kitschig, als ich erwartet habe.“
„Dann gefällt sie dir nicht?“, fragt sie schmollend.
„Doch, doch“, antworte ich schnell. „Ich wollte dich nicht beleidigen, entschuldige. Es ist nur nicht das, was ich erwartet habe.“
„Hast du schon mein Bett gesehen?“
„Sag bloß, das ist ein Wasserbett.“
„Wasserbett? Das wäre doch albern“, antwortet sie.
Ja, das Wasserbett wäre albern.
Nicht der tassenschwingende Oktopus oder die Sessel in Muschelform, sondern der Gedanke, dass sie ein Wasserbett haben könnte, ist albern. Amüsiert schüttle ich den Kopf.
„Dann zeig' mir dein Bett, Arielle.“
„Haha, Arielle, den hab' ich ja noch nie gehört.“ Ilaria verschränkt die Arme.
Ich hebe beschwichtigend die Hände. „Entschuldige. Ich halte am besten meine Klappe.“
„Nein, schon in Ordnung.“ Sie lässt ihre Arme wieder sinken. „Ich wurde früher oft so genannt, weil einige dachten, dass sie mich so aufziehen können.“ Sie zuckt mit den Schultern. „Manche Frauen lieben pink, manche lieben Lack und Leder und ich liebe eben das Meer.“
Ilaria schüttelt die trüben Gedanken wohl schnell wieder ab. Sie nimmt mich an der Hand und zieht mich aus der Küche. Auch das Schlafzimmer ist nur durch einen eckigen Türbogen von dem Wohnzimmer getrennt. Ich war so abgelenkt, von dem Schreibtisch, dass ich daran vorbeigelaufen bin. Mit einem Klick schaltet Ilaria eine weitere Lichterkette ein.
Mit leicht geöffnetem Mund sehe ich mir das Bett an. Es ist recht groß, der Kopfteil sieht aus wie eine blaue, gepolsterte Muschel. Was mich so staunen lässt, ist allerdings nicht das Bett selbst, sondern das Fischernetz über dem Bett an der Decke. In diesem Netz hängt nicht nur die Lichterkette, auch einige Muscheln befinden sich darin.
„Wow, äh, ich kann das Meer irgendwie schon rauschen hören.“
„Lustig, dass du das sagst, ich höre nachts Meeresrauschen, um besser einschlafen zu können.“
Da ich nicht weiß, was ich zu all dem sagen soll, sage ich nichts, sondern reibe mir über das Gesicht. In dem Moment fügt sich alles irgendwie zusammen. Das Buch über die Meerjungfrau, die Muschelkette und auch Ilarias gesamtes Styling. Eigentlich hätte mir das viel eher klar sein sollen. Ich werfe einen Blick auf sie. Ilaria sieht mich gespannt an, als würde sie auf etwas warten.
„Im Herzen bist du wohl eine kleine Meerjungfrau, hm?“
Sie sieht mich etwas verlegen an. „Ist dir das alles too much? Das ist meine erste eigene Wohnung und ich wollte sie so gestalten, wie ich es mir wünsche.“
„Solange du mir nicht davon schwimmst, kannst du auch Muscheln an deinen Brüsten tragen.“
Sie kichert. „Ich dachte schon für einen Moment, dass du von meinem Meerjungfrauen-Tick abgeschreckt bist.“
„Es ist girly und kitschig, aber das habe ich ohnehin erwartet. Außerdem ist es nicht ungemütlich.“
Ich ziehe einen Mundwinkel hoch, als ich Ilaria mustere. Durch die vielen Meeresaccessoires hatte ich noch gar keine Gelegenheit, sie mir genauer anzusehen. Auch heute bietet sie mir einen ungetrübten Blick auf ihre schönen Beine, dieses Mal sogar ganz ohne Strümpfe. Das lockere, weiße Top lässt ihren schwarzen BH durchscheinen. Ihre Haare sind heute zu einem geflochtenen Zopf über ihre Schulter gebändigt. Ihr Lächeln ist so wunderschön wie jeden Tag.
Ilaria reicht mir erneut die Hand. „Lass uns in Ruhe Kaffee trinken, bevor wir anfangen zu kochen. Ich freue mich schon den ganzen Tag darauf, dich wiederzusehen.“
Ich nehme auf der fast schon erschreckend normalen Couch Platz. Ilaria stellt zwei Tassen Kaffee auf den Tisch. Ihr Kaffee ist durch Milch deutlich heller als meiner. Ich süße meinen Kaffee mit einem Löffel Zucker und rühre um.
„Woher kommt diese Faszination für das Meer?“, frage ich interessiert.
„Naja, ich bin im mittleren Westen aufgewachsen. Eine Kleinstadt in Indiana ist wahnsinnig langweilig, wenn man sie mit San Francisco vergleicht. Manchmal fühlt man sich beobachtet und auch irgendwie eingesperrt.“ Sie schweigt einen Moment und greift nach ihrer Kaffeetasse, die sie dann in beiden Händen festhält. „Wenn jeder jeden kennt, hast du keine Möglichkeit zu fliehen. Gerüchte ziehen sofort ihre Runden und am Ende wissen alle viel mehr über dich als du selbst.“ Sie sieht zu ihrer Staffelei und lächelt. „Ich habe mir ausgemalt, wie es wohl wäre, wenn ich mir ein Segelboot zulege und einfach abhaue.“
„In Indiana kommt man mit einem Segelboot ja nicht besonders weit“, werfe ich schmunzelnd ein, worauf Ilaria amüsiert kichert.
„Bis ich durch einen Fluss ans Meer komme, dauert das, ja. Das ist einer der Gründe, wieso ich jetzt hier wohnen möchte. In San Francisco ist es nicht zu heiß, es ist nicht zu kalt und ich kann immer ans Meer fahren, wenn ich das möchte“, erklärt sie selbstsicher. „Ich bestimme jetzt den Kurs meines Lebens.“
„Und wohin geht es als nächstes?“
„Zum Killian-Hafen“, antwortet sie mir amüsiert, dann lacht sie, beruhigt sich jedoch schnell wieder, als sie fast ihren Kaffee verschüttet. „Ups. Ich sollte aufpassen, sonst gibt’s hier einen unfreiwilligen Wet-T-Shirt-Contest.“
Ich schnaube. „Schade, das würde mir gefallen.“
Ilaria nimmt einen Schluck von ihrem Kaffee und stellt ihn dann wieder auf den Couchtisch. „Das dachte ich mir. Wenn ich dir eine Show liefere, dann aber lieber nicht mit Kaffee.“
„Ich kann gerne ein Glas Wasser holen, wenn dir das lieber ist“, biete ich scherzhaft an, was Ilaria sofort wieder zum Kichern bringt.
„Das hättest du wohl gerne.“
Sie zieht ihre Beine auf die Couch und tippt mit ihren Fingern auf ihren Oberschenkel. Sie lenkt meine Aufmerksamkeit auf ihre nackte Haut. Da fällt mir das erste Mal das kleine Tattoo an Ilarias Handgelenk auf. Es handelt sich um eine Muschel. Ich denke an die letzten Treffen zurück und überlege, wieso mir das nicht gleich aufgefallen ist, doch dann erinnere ich mich daran, dass sie eigentlich jeden Tag Armbänder getragen hat, die heute nicht ihr Handgelenk zieren.
Gerade, als ich das Tattoo ansprechen möchte, spricht jedoch Ilaria: „Ich habe mir gedacht, dass wir heute Pasta kochen. Bist du damit einverstanden?“
Ich sehe von ihren Beinen zu ihrem Gesicht. „Klar.“
„Sehr schön. Ich habe Garnelen gekauft und ein bisschen Chili, damit du deine Portion schärfer machen kannst. Außerdem habe ich auch Tabasco besorgt, für den Fall, dass wir uns demnächst eine Pizza bestellen“, erzählt sie, wobei sie mich anlächelt. „Ist es verrückt, dass ich schon vorausplane?“
Ich schüttle den Kopf. „Nein, das wird nicht unser letztes Treffen sein. Wenn du möchtest, dann treffen wir uns abends, wenn du von deiner Arbeit nach Hause kommst. Ich kann zu dir kommen, dann hast du keinen Heimweg.“ Ich mache eine ausladende Handgeste. „Am Wochenende ist es für mich nicht immer einfach, aber samstags lässt sich bestimmt etwas einrichten, auch wenn wir es vielleicht nicht jeden Samstag schaffen.“
Ilaria lächelt nun noch breiter. „Das klingt gut.“ Sie steht auf und lächelt mich an. „Lass uns kochen. Ich sterbe bald vor Hunger.“
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Das gesalzene Wasser für unsere Pasta steht bereits auf dem Herd. Die Zutaten liegen bereit und warten darauf, verarbeitet zu werden. Ilaria kümmert sich darum, die Garnelen zu waschen, während ich den Knoblauch fein schneide.
„Kochst du gerne?“, fragt sie mich.
„Ja“, antworte ich ihr knapp.
„Und was kochst du zu Hause so?“
„Pasta, manchmal hau ich mir auch ein Steak in die Pfanne, wenn das Budget es zulässt. Meine Rippchen sind auch ziemlich gut, aber davon hast du nichts.“ Ilaria kichert. Ich widme mich der frischen Petersilie und hacke sie klein. „Ich kann dir aber auch ein paar gute Fischgerichte zubereiten, das ist kein Problem.“
„Dann isst du am liebsten Fleisch, hm?“
„Ja“, stimme ich ihr zu. „Ich bin beim Essen eigentlich sehr aufgeschlossen, solange es nicht zu verrückt ist oder unangenehm riecht. Wackelpudding mag ich auch nicht. Alles, dass diese glitschige Konsistenz hat, ist ungenießbar.“
Ich mische Olivenöl mit etwas Zitronensaft, dem geschnittenen Knoblauch und auch der Petersilie. Das alles verrühre ich gut und warte nun auf Ilaria. Sie ist bereits dabei, etwas Olivenöl zu erhitzen, um die Garnelen anzubraten. Da das Wasser kocht, gebe ich die Nudeln in den Topf, dabei komme ich Ilaria sehr nahe. Sie scheint sich dadurch überhaupt nicht gestört zu fühlen.
„Mein Daddy ist auch so ein Fleischfresser“, erzählt sie. „Im Sommer folgt Barbecue auf Barbecue.“ Sie atmet tief durch und legt die Garnelen vorsichtig in die Pfanne. Das Fett zischt, es ist also heiß genug.
„Verbrenn' dir nicht deine hübschen Finger, du brauchst sie noch.“
„Ich passe schon auf“, sagt sie, wobei sie abwinkt. Ich nehme etwas Abstand, damit Ilaria genug Platz hat. „Jedenfalls ist jedes Sommerwochenende Barbecue angesagt. Daddy macht aus allem eine Wissenschaft. Marinade, selbstgemachte Barbecue-Sauce, Temperatur, Zeit im Smoker. Nichts wird dem Zufall überlassen.“
„Das wäre etwas für mich“, meine ich mit einem leichten Grinsen.
„Ja, das dachte ich mir. Vielleicht lernst du meinen Daddy ja irgendwann kennen.“
„Hoffentlich dauert das noch lange.“ Sie wirft einen Blick über ihre Schulter, ich hebe gleich abwehrend die Hände. „Ich komme nicht besonders gut bei Vätern an. Kein fixer Job, keine Vorzeigekarriere, keine Zukunftspläne, die Hochzeit oder Kinder beinhalten…“
„Daddy hat begriffen, dass das nicht wichtig ist.“ Ilaria beginnt damit, die Garnelen zu wenden. „Für ihn ist es das Wichtigste, dass sein kleines Mädchen glücklich ist. Auch wenn es beinhaltet, dass sie über 2000 Meilen weit wegzieht, um ihr Glück als Künstlerin zu versuchen.“
„Es war sicher schwer für ihn, dich gehen zu lassen, hm?“
„Ja. Es war für beide schwer, aber ich glaube, dass es Daddy schwerer getroffen hat. Er wollte mich gar nicht loslassen, als ich mich am Flughafen von ihm verabschiedet habe. Aber genug von meinem Daddy. Was kochst du am Sonntag mit deiner Mom?“
„Diese Woche machen wir Burger. Die Brötchen macht sie selbst, backen ist nicht meine Stärke. Ich mache aber die Saucen.“ Ich beobachte Ilaria dabei, wie sie die restlichen Garnelen wendet, während ich wieder einen Schritt zum Herd mache, um die Pasta umzurühren. Die Nudeln sollen nicht zusammenkleben. „Wieso isst du eigentlich kein Fleisch? Liegt es an den vielen Barbecues, die dein Dad gemacht hat?“
Ilaria schüttelt den Kopf und nimmt etwas Abstand von der Pfanne. Ich gieße die Ölmischung hinein. Ilaria reicht mir den Pfannenwender. Ich sorge dafür, dass alle Garnelen genug Öl abbekommen, während Ilaria meine Frage beantwortet: „Nein, es schmeckt mir nicht. Früher habe ich ab und zu Hühnchen gegessen, aber das schmeckt mir auch nicht mehr. Ich mag auch die Konsistenz von Fleisch nicht besonders.“
„Verstehe. Dann steckt dahinter also keine verrückte Diät.“
„Nein, ganz und gar nicht. Ich bin von Natur aus schlank. Zunehmen ist beinahe unmöglich. Früher hatte ich damit ein großes Problem, weil ich gerne größere Brüste gehabt hätte.“ Ilarias Worte bringen mich dazu, ihre Oberweite zu betrachten. „Und vor zwei Jahren habe ich mich dann operieren lassen. Seitdem habe ich viel Selbstbewusstsein bekommen und fühle mich in meinem Körper endlich wohl.“ Sie lächelt mich breit an.
„Das sieht man.“ Ich räuspere mich, ehe ich schnell weiterspreche: „Dein Selbstbewusstsein meinte ich.“
Ilaria kichert. „Na ich hoffe doch, dass das nicht alles ist, was man sieht.“
„Der Rest ist natürlich auch nicht zu übersehen. Das will man aber bei so einer schönen Frau auch gar nicht“, antworte ich ihr, was Ilaria zum Lachen bringt.
Als die Pasta fertig ist, gieße ich das Öl mit den Garnelen darüber und vermische alles noch einmal gut. Wir teilen das Essen auf zwei Portionen auf und begeben uns ins Wohnzimmer, wo wir auf einem kleinen Esstisch platznehmen. Die Muschelsessel sind erstaunlich bequem. Ich bin positiv überrascht. Ilaria bringt noch zwei Gläser und stellt auch eine Flasche Wasser und eine Flasche Coke auf den Tisch. Ich würze meine Portion mit einigen Stückchen geschnittener Chilischoten und schon fange ich an zu essen.
Während wir essen, reden wir nicht viel miteinander, wir sind zu sehr damit beschäftigt, unsere gemeinsame Kochkunst zu genießen. Ab und zu schenkt Ilaria mir jedoch ein bezauberndes Lächeln, das ich erwidere.
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Nach dem Essen finden wir uns auf der Couch ein. Mit ein paar Säften und Früchten, hat Ilaria uns alkoholfreie Cocktails gezaubert. Sie zeigt mir die Zeichenmappe, in der sie ihre vielen Aquarelle sammelt. Neben ihren unzähligen Meeresmotiven befinden sich auch andere Kunstwerke in ihrer kleinen Sammlung. Besonders gut gefällt mir eine farbenfrohe 18-teilige Reihe von Fantasylandschaften, die den Namen ‚Eine Reise durch den schimmernden Wald‘ trägt.
Obwohl ich darauf gehofft habe, dass wir uns heute etwas näherkommen, bin ich auch zufrieden damit, es langsamer anzugehen. Ilaria geizt zwar nicht mit ihren Reizen, sie gibt mir aber dennoch das Gefühl, dass ich noch keinen weiteren Schritt machen soll. Sie macht kein Geheimnis daraus, dass sie ein romantisches Herz hat, das erst noch erobert werden möchte.
Als ich auf die Uhr blicke, könnte ich mir selbst in den Arsch treten. Die Zeit mit Ilaria vergeht wie im Flug und ich muss mich langsam auf den Weg machen.
„Oh, schon so spät?“, stellt sie überrascht fest, als auch sie einen Blick auf die Uhr wirft. „Wenn ich mit dir zusammen bin, fühlt sich der Tag noch kürzer an.“
„Wenn ich meine Jungs nicht hängen lassen würde, wenn ich so kurz vor dem Auftritt absage, dann würde ich bei dir bleiben.“
„Kommt gar nicht in Frage“, ermahnt Ilaria mich mit erhobenem Finger. „Du musst San Francisco glücklich machen.“
Ihre Aussage bringt mich zum Lachen. „Ich denke nicht, dass ich San Francisco glücklich mache. Ich stelle mich nur auf die Bühne und klimpere ein bisschen auf meiner Gitarre.“
„Also mich hast du damit gestern sehr glücklich gemacht“, meint Ilaria überzeugt. Sie legt ihre Hand an ihr Dekolleté. „Du hast mich sehr berührt.“
„Danke.“ Verlegen reibe ich mir den Nacken. „Das ist wahrscheinlich das schönste Kompliment, was man bekommen kann, auch wenn der Song nicht von mir war.“
„Beim nächsten Mal spielst du einen deiner eigenen Songs.“
„Das mache ich.“ Ich trinke noch mein Glas leer, ehe ich es zurück auf den Couchtisch stelle. „Danke für den schönen Tag, Ilaria.“
Sie steht ebenfalls auf und begleitet mich zur Tür. „Ich möchte mich bedanken. Deine Gesellschaft ist sehr angenehm.“ Sie lehnt sich gegen die Kommode. „Willst du mir verraten, wie deine Band heißt?“
„Shrimp Attack!“, antworte ich. „Mit einem Rufzeichen am Ende. Ist ein bisschen albern, ich weiß.“
Ilaria lacht. „Ein bisschen, ja. Aber das ist okay. Wo spielt ihr denn heute?“ Eigentlich möchte ich gerade meine Jacke nehmen, doch ich drehe mich wieder zu Ilaria. „Keine Angst, ich will nicht plötzlich auftauchen. Ich wollte euch nur online ein bisschen stalken und vielleicht ein Foto stehlen, damit ich eines von dir habe.“
Ich werfe einen kurzen Blick in den Spiegel, um zu prüfen, ob irgendetwas in meinem Bart klebt, dann sehe ich Ilaria an. „Schnapp dir schnell dein Smartphone, dann machen wir ein Selfie.“
„Uh, das ist sogar noch besser“, antwortet sie aufgeregt.
Eilig hüpft sie zu ihrem Schreibtisch und kommt in Windeseile mit ihrem Smartphone zurück. Ich lege meinen Arm um Ilaria und sie schießt einige schnelle Selfies von uns beiden. Zufrieden drückt sie mir einen Kuss auf die Wange, was mich sofort dazu bringt, wie ein glücklicher Idiot zu grinsen.
„Vielen Dank.“
„Gerne. Schick mir das beste Foto.“
Ich schlüpfe in meine Schuhe und binde sie zu, während Ilaria sich die Fotos ansieht. „Das wird nicht so einfach. Wir sehen zusammen sehr gut aus.“
„Freut mich, dass du deine Freude damit hast.“ Ich greife nach meiner Jacke und ziehe auch die an.
„Sagst du mir trotzdem noch, wo ihr heute Abend spielt? Damit ich ein bisschen stalken kann?“
„Wir spielen in der Swedish American Hall, genauer gesagt im Cafe du Nord.“ Ich kontrolliere, ob ich alles dabeihabe. „Ist eine winzige Bühne im Keller, aber die Leute sind eigentlich immer gut drauf.“
„Vielleicht kann ich mich ja bald selbst davon überzeugen.“
„Ja, vielleicht.“
Zum Abschied umarmt Ilaria mich fest. Auch ich lege meine Arme um sie und streichle sogar ihren Hinterkopf. Für einen ausgedehnten Moment genieße ich es, dass ich Ilaria im Arm halten kann. Ich würde mir zwar einen Abschiedskuss wünschen, doch ich akzeptiere es, dass Ilaria noch nicht so weit ist. Wir wollten ohnehin nichts überstürzen, uns kennenlernen und die Zeit miteinander genießen. Und das habe ich heute auf jeden Fall getan.
Schweren Herzens verabschiede ich mich noch einmal und verlasse Ilarias Wohnung. Nachdenklich begebe ich mich nach draußen. Ich gehe Richtung Straße, doch dann höre ich ein Klopfen am Fenster, was meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Ilaria winkt mir, außerdem haucht sie mir einen Kuss zu. Mit einem breiten Lächeln erwidere ich ihr Winken, doch dann mache ich mich auf den Weg nach Hause.
Bei beinahe jedem Schritt muss ich an Ilaria denken. Es könnte sein, dass ich mich ernsthaft in diese Frau verliebe.