╭─━ · • ✤ • · ━━━━━━━━━━━─╮
Kapitel 14
Scheinwerferlichter
╰─━━━━━━━━━━━ · • ✤ • · ━─╯
„Ich brauche deine volle Aufmerksamkeit!“, bittet Ilaria mich aufgeregt. Dass ich ihr die nicht geben kann, verdeutliche ich mit einem müden Blinzeln.
Letzte Nacht ist es später geworden. Sehr viel später, da Ilaria doch noch Lust auf Sex hatte. Schon mittags wieder aus den Federn zu sein, war nicht geplant, doch meine aufgedrehte Freundin sieht das wohl anders. Vorsichtig puste ich in meine Kaffeetasse. Ilaria steht zwar in Unterwäsche vor mir, trotzdem fällt es mir schwer, ihr meine volle Aufmerksamkeit zu schenken. Eigentlich ist dieses Outfit sogar ziemlich kontraproduktiv, wenn man mit mir sprechen möchte. Mein Gehirn ist nicht wach genug, um klar zu denken. Die zusätzliche Ablenkung macht es mir schwer, mich auf ihre Worte, anstatt auf ihren Körper zu konzentrieren. Es ist unglaublich, wie sexy sie ist.
„Also“, beginnt Ilaria ihren Satz, dann tänzelt sie zu ihrem Kleiderschrank und öffnet ihn. „Gestern Abend habe ich überlegt, was ich heute zu deinem Auftritt anziehen will. Ich habe einige Outfits zusammengestellt und du musst mir helfen, eine Entscheidung zu treffen.“ Ich brumme zur Antwort und nehme dann einen Schluck meines Kaffees. Das ist absolut nicht meine Baustelle. „Killian?“
„Kannst du da nicht eine Freundin fragen?“, antworte ich teilnahmslos. „Mir ist das vollkommen egal.“
Ilaria sieht mich aus großen Augen an. Ihre gesamte Körperhaltung zeigt sofort, wie enttäuscht sie ist. Sie lässt die Schultern hängen und schiebt ihre Unterlippe vor. „Aber ich wollte dich fragen, weil wir das erste Mal zusammen weggehen.“ Sie macht eine ausladende Handgeste. „Bis jetzt hat sich das ja noch nie so wirklich ergeben. Ich möchte einen guten Eindruck machen. Es werden bestimmt auch Freunde von dir da sein. Ich will unbedingt, dass sie mich mögen und dass ich nicht overdressed oder underdressed bin. Für den ersten Eindruck hat man nur eine Chance und ich will einen guten Eindruck machen. Mir ist das wichtig.“
Ein tiefsitzendes Seufzen kommt über meine Lippen. „Entschuldige. Ich bin ein Arschloch.“ Nachdem ich mir über das Gesicht gerieben habe, stelle ich meine Tasse auf den Nachttisch. Herzhaft gähne ich, dabei halte ich mir die Hand vor. „Ich bin noch nicht ganz da.“
Ich breite meine Arme aus. Ilaria versteht den Wink sofort und klettert zu mir ins Bett. Sie drückt mich sofort in die Matratze, sodass ich wieder liege. Sie hingegen bleibt auf meiner Hüfte sitzen. Meine Prinzessin beugt sich über mich und küsst meine Lippen, dann meine Wange.
„Entschuldige, ich wollte dich nicht überfordern, Killian. Manchmal vergesse ich, dass du morgens viel länger brauchst, um wachzuwerden.“ Sie küsst meine Wange erneut und richtet sich dann auf. „Hilfst du mir, mich zu entscheiden, sobald du wach bist?“
„Zieh irgendwas Schwarzes an, das passt schon“, antworte ich und schließe meine Augen.
„Das schränkt meine Auswahl nicht besonders ein.“
„Du siehst ohnehin immer wunderschön aus, es ist egal, was du anziehst.“ Müde genieße ich Ilarias Streicheleinheiten. Sie zieht Kreise an meiner Brust.
„Das ist lieb, danke.“ Nun spüre ich, dass ihre Finger ein Herz formen und muss ein wenig grinsen. „Willst du noch schlafen oder wärst du bereit, von mir geweckt zu werden?
Ilaria klettert von meiner Hüfte und schlüpft zu mir unter die Decke. Sie liebkost meine Wange mit Küssen, dabei fährt sie durch meinen Bart und krault mich. Selbstverständlich lasse ich mir diese Behandlung zu gerne gefallen. Ich brumme genüsslich, als Ilaria sich meinem Hals widmet und mich liebevoll küsst. Ihre Hand wandert von meiner Wange zurück zu meinem Brustkorb. Ich werde weiterhin gestreichelt. Stück für Stück wandern ihre Finger zu meiner Hüfte. Ich grinse breit, als sie über meine Boxershorts fährt.
„Hilft dir das bei einer Entscheidung?“
„Du bist auf einem guten Weg, Prinzessin.“
Mit zwei Fingern streiche ich über ihre Schulter und ihr Schulterblatt und schließlich komme ich bei ihrem Spitzen-BH an. Ich taste mich zum Verschluss vor und versuche erfolglos, ihn zu öffnen, was Ilaria zum Lachen bringt.
„Schon gut, ich erledige das selbst.“
Ilaria setzt sich auf und entledigt sich ihrer Unterwäsche. Ich fasse nach ihrer Brust, doch sie fängt meine Hand ab und legt sie zurück auf meinen Brustkorb. Mit zusammengezogenen Brauen sehe ich sie an. Ilaria stupst gegen meine Wange, dann schlüpft sie aus ihrem Höschen und bleibt neben mir sitzen. Sie streckt ihre Arme über ihren Kopf und schließt ihre Augen. Während sie ihren Körper streckt, nehme ich mir die Zeit, sie ausgiebig zu betrachten. Auf den ersten Blick wirkt sie makellos, doch dann entdecke ich kleine Muttermale an ihrer Haut und auch weiße Dehnungsstreifen an ihrer Hüfte. Ilaria anzusehen, bringt mich zum Lächeln. Sie ist eine wunderschöne Frau. Als Ilaria ihre Augen öffnet, lässt sie sich neben mich in ihr Kissen sinken. Sie zieht ihre Decke über ihren Körper.
„Ist irgendetwas?“, fragt sie.
Ich schüttle den Kopf. „Nein.“ Zufrieden ziehe ich einen Mundwinkel hoch. „Ich habe nur gerade festgestellt, wie schön du bist.“
Ilaria wirkt überrascht, doch dann lächelt sie und rutscht näher zu mir. Ich hebe meine Decke an und Ilaria kommt der unausgesprochenen Einladung nach. Unsere bloße Haut berührt sich, als ich mein Mädchen in den Arm nehme und sie küsse. Wir lösen uns jedoch schnell wieder voneinander. Ilaria beißt sich auf die Unterlippe, als sie mir in die Augen sieht.
„Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, gibt sie ruhig von sich.
Ich lache leise, dann schüttle ich den Kopf. „Nichts.“
Ilaria bettet ihren Kopf auf meiner Schulter. Sie streicht über meine Brust und küsst meine Wange. „Ich bin wirklich sehr glücklich mit dir.“
„Und ich mit dir“, stimme ich ihr zu.
„Ich habe darüber nachgedacht, was du gestern zu mir gesagt hast.“
„Okay.“
Sie trommelt mit ihren Fingern gegen meinen Brustkorb. „Über meinen Schmuck.“
Ich erinnere mich und nicke. „Mhm, und? Hast du dich für etwas entschieden?“
„Ja, ich habe ihnen abgesagt, aber ich habe geschrieben, dass ich noch an meiner eigenen Marke arbeite, mein Sortiment erweitere und dass ich in der Zukunft gerne auf sie zurückkommen werde.“
„Und wie kam das an?“
„Das weiß ich, sobald ich eine Antwort bekomme.“ Ilaria lächelt breit. „Und ich habe mir das mit den Auktionen überlegt. Vielleicht kann ich das in einem Live Video machen. So kann ich auch meine Reize ein wenig einsetzen.“
Ilaria bringt mich zum Lachen. Mit so einer Aussage habe ich nicht gerechnet. „Das ist clever. Sex sells, das weiß man ja. Hey, wenn das gut läuft, könntest du für meinen nächsten Song auf dem Cover posieren. Vielleicht nackt auf einem Cabrio?“
„Wenn das gut läuft, bin ich so reich, dass du dir meine Gage nicht leisten könntest“, antwortet sie amüsiert.
Ich schüttle den Kopf. „Wenn es so weit ist, tausch mich bitte nicht gegen ein junges Fitnessmodel aus.“
Nun lacht Ilaria herzlich. Sie fällt mir in die Arme und drückt mich fest. „Niemals! Du bist genau der Kerl, den ich an meiner Seite haben will. Niemand kann dir das Wasser reichen.“ Ich bekomme einen Kuss auf die Wange. Zufrieden grinse ich vor mich hin. „Also, du bist wach. Was soll ich heute Abend anziehen?“
Ich zucke mit meiner freien Schulter. „Ich mag das, was du jetzt anhast.“
Mit meinem Vorschlag bringe ich Ilaria ein weiteres Mal zum Lachen. „Das kann ich nicht machen, ich würde dir die Show stehlen.“
„Nicht, wenn du bei mir auf der Bühne auf meinem Schoß sitzt.“
„Und was für eine Art Show soll das werden?“, fragt sie lachend.
Grinsend antworte ich ihr: „Ich würde sagen, dass wir uns da an die Publikumswünsche halten.“
„Du bist so ein Idiot.“ Meine frechen Antworten bringen mir einen Klaps gegen die Brust ein, als Wiedergutmachung für diesen brutalen Gewaltakt bekomme ich jedoch noch einen Kuss auf die Wange. Eigentlich ist so ein Morgen gar nicht schlecht, auch wenn ich viel lieber ausgeschlafen hätte.
· • ✤ • ·
Mit meinem Mädchen am Arm finde ich mich Backstage ein. Die Formulierung ‚Backstage‘ zu benutzen, klingt etwas glamouröser, als Umkleide oder Abstellkammer mit Spinden. Im Prinzip trifft es das letztere am besten.
„Das ist das Leben als Musiker?“, fragt Ilaria mich, worauf ich mit den Schultern zucke.
„Ja, ein Spind, in dem ich meinen Rucksack packen kann. Das bedeutet, ich bin VIP, ich muss nicht an der Garderobe dafür bezahlen.“
„Das ist sehr sexy“, antwortet Ilaria mit einem Schmunzeln. Sie sieht sich in dem kleinen Raum um. „Und? Hast du hier schon einmal etwas angestellt?“
„Was meinst du mit angestellt?“, frage ich nach.
„Wie man sich das so vorstellt?“ Sie zuckt mit den Schultern. „Alkohol, Groupies, Drogen. Du weißt schon.“
„Würde ein ja zu allem deine Meinung über mich ändern?“, frage ich nach, worauf Ilaria mir intensiv in die Augen sieht. Ich nehme ein wenig Abstand, da wird ihr Blick noch ernster.
„Nein“, antwortet sie bestimmt. „Wenn man als Single Spaß hat, ist dagegen nichts einzuwenden, aber Drogen finde ich nicht gut. Wenn du sie zusammen mit dem Alkohol abgesägt hast, dann wäre mir das sehr recht.“
Ich ziehe einen Mundwinkel hoch und küsse Ilarias Stirn. „Mach dir darüber keine Sorgen. Die Drogen habe ich lange hinter mir. Meine Mom hat mir deswegen den Arsch aufgerissen, ich bin froh, dass ich wieder sitzen kann.“
Ilaria kichert, dann gibt sie mir einen leichten Klaps gegen die Brust. „Gut so. Erinnere dich an das Gefühl, ich werde auch nicht nett zu dir sein, wenn du etwas anstellst.“ Nach der Drohung gibt sie mir einen Kuss, dann lächelt sie mich zuckersüß an.
„Soll ich meine VIP-Mächte nutzen und deine Tasche in meinem Spind einsperren?“, frage ich nach. „Du wirst sie ja nicht die ganze Zeit brauchen, oder?“
„Oh, das wäre eine wunderbare Idee, danke.“ Sie reicht mir ihre Tasche, die sie sich passend zu ihrem schwarzen Kleid ausgesucht hat. Ich überlege einen Moment, wie ich sie in den schmalen Spind bekomme, doch dann schiebe ich sie in das obere Fach, in dem wie immer einige Flyer liegen.
„Lass mich nicht vergessen, dass ich deine Tasche habe.“
„Oh, glaub mir, die vergesse ich nicht. Die hat ein Vermögen gekostet“, erklärt Ilaria mir.
„Echt? Das kleine Ding?“
„Ja“, bestätigt sie sich. „Das ist ein Designerstück.“
„Hoffentlich erwartest du nicht, dass ich dir sowas zum Geburtstag schenke. Ich müsste vorher einen Käufer für meine Niere finden.“
Ilaria lacht. „Ach, Killian. Kein Grund, albern zu werden. Zum Geburtstag hätte ich gerne etwas Zuwendung, mehr will ich nicht.“
So wie sie das Wort Zuwendung betont, klingt es doch fast so, als wäre sie an ihrem Geburtstag nicht die Einzige, die ein Geschenk bekommt.
„Das lässt sich einrichten“, antworte ich ihr zuversichtlich und schließe den Spind ab. „Bis ich dran bin, dauert es noch eine Weile. Wir haben aber einen Tisch. Ich kann uns ein paar hübsche alkoholfreie Cocktails besorgen, wenn du möchtest. Du kannst dir aber auch etwas Anderes aussuchen.“ Ilaria hakt sich bei mir ein, während wir den Backstagebereich verlassen. Sie scheint zu überlegen.
„Kann ich mir eine Karte ansehen?“
„Selbstredend.“
Wir setzen uns an den reservierten Tisch. Meine Freunde sind noch nicht da. Ich muss zugeben, dass ich etwas nervös bin, Ilaria hingegen wirkt sehr locker. Sie sieht sich interessiert um und lächelt mich dann an.
„Die Karte?“, erinnert sie mich.
„Oh, natürlich.“ Auf mein Gehirn ist heute wohl kein Verlass. Ich habe die Getränkekarte schon wieder ganz vergessen. „Hier, bitte.“ Ich reiche ihr die Karte, die sich auf dem Tisch befindet, und Ilaria macht sich sofort daran, sich ein Getränk auszusuchen. Meine Prinzessin rutscht näher zu mir. Ich lege meinen Arm um ihre Schultern und küsse ihre Schläfe.
„Die Cocktails klingen aber eigentlich auch nicht übel“, erzählt Ilaria nachdenklich. „Ist ewig her, dass ich einen getrunken habe.“
„Wenn du einen willst, dann kannst du einen bestellen. Das macht mir nichts aus.“
„Nein, das muss nicht sein. Ich habe es dir noch nicht erzählt, aber ich habe auch kein besonders gutes Verhältnis zu Alkohol.“ Sie nimmt die Karte hinunter und sieht mich an, als sie erklärt: „Bevor ich nach San Francisco gekommen bin, habe ich auf Partys ziemlich viel getrunken. Das erste Mal war auf dem College. Da war ich allerdings auch noch beeinflussbarer als jetzt und habe mich überreden lassen zu trinken, damit ich niemandem den Spaß verderbe.“
Den Kopf schüttelnd streiche ich über ihren Oberarm. „Dann wollten die College-Kids dich abfüllen, um dich anzumachen, hm?“
„Ja, aber selbst dem bedürftigsten Macho vergeht die Lust, wenn ein Mädchen ihm den Drink auf die Brust spuckt.“
Ich schnaube. „Du hast dich übergeben?“
„Viel zu oft. Beinahe jedes Mal, wenn ich zum Trinken animiert wurde. Nach dem College wurde es dann aber besser, weil ich meine Grenzen besser verstanden habe und mich danach richten konnte.“
„Ja, bei Alkohol ist es gut zu wissen, wo seine Grenzen sind. Alles andere kann gefährlich werden.“
„Ja, aus Langeweile zu Champagner zu greifen, um sich sein Leben schöner zu trinken, ist auch nicht besonders empfehlenswert.“ Ich sehe Ilaria verwirrt an, doch sie winkt ab. „Wie war deine College-Zeit? Als Musiker hast du doch bestimmt Spaß gehabt und viele Mädchen abgeschleppt, hm?“
Ich reibe mir den Nacken. „Ich war nie auf dem College. Ich wollte zwar, aber das Geld war knapp. Und einen Studienkredit hätte ich nicht stemmen können.“
„Oh, entschuldige. Ich wusste das nicht.“
„Schon okay, ich bin darüber hinweg. Ich habe viel gelesen und mir unzählige Dokus angesehen. Mit dem Internet kann man seinen Wissensdurst ganz gut stillen. Außerdem hatte ich nach der High School einen richtig gut bezahlten Job im Silicon Valley. Ich habe Actionfiguren designt. Die Firma hat allerdings viele Leute abgebaut und auch mich rausgeworfen, ist aber Schnee von gestern.“ Ich ziehe einen Mundwinkel hoch, als ich Ilaria ansehe. „Kunst war dein Hauptfach, richtig?“
„Richtig“, bestätigt Ilaria meine Annahme. „Früher wollte ich eigentlich Sozialarbeiterin werden, aber mein Daddy meinte, dass das kein Job für ein Mädchen wie mich ist.“
„Was meinte er denn damit?“, frage ich irritiert, dabei ziehe ich meine Brauen zusammen.
„Er meinte, dass ich mir die Schicksale zu sehr zu Herzen nehmen würde und dass das System nicht immer fair ist. Daddy hat außerdem gesagt, dass ich lieber etwas Schönes mit meinem Leben anfangen sollte. Und so habe ich mich dafür entschieden, Kunst zu studieren und das zu machen, was mir Freude bereitet.“
„Hm“, gebe ich nachdenklich von mir. „Eigentlich kein schlechter Rat. Bist du denn zufrieden mit deiner Arbeit?“
„Mit dem Job, mit dem ich Geld verdiene, ja. Die Kollegen sind nett und die Arbeit macht Spaß. Mit meinem Schmuck und meinen Bildern hätte ich gerne mehr Erfolg, aber wem sage ich das? Außerdem bin ich erst ein paar Monate hier. Ein weiser Mann hat mir gesagt, dass ich Geduld haben muss.“
„Kluger Kerl.“
Ilaria kichert, dann legt sie die Karte weg. „Ich weiß nicht, was ich will. Überrasch mich einfach.“
„Okay.“ Ich möchte gerade aufstehen, doch Ilaria hält mich am Arm fest. Sie legt ihre Hand an mein Kinn und krault mir den Bart, dann gibt sie mir einen sanften Kuss.
„Lass mich nicht zu lange alleine“, bittet sie mich mit einem Lächeln.
„Ich versuche es. Lauf nicht mit einem anderen Musiker davon.“ Nach einem Zwinkern verlasse ich den Tisch und begebe mich zur Bar.
Ich begrüße die üblichen Verdächtigen, Stammgäste, Angestellte und unterhalte mich schließlich noch mit Bob, während ich auf die Cocktails warte. Er erzählt mir davon, dass der Verstärker, mit dem es letzte Woche ein Problem gab, ausgetauscht wurde. Zu meiner großen Erleichterung versteht sich. Obwohl ich gerne Musik mache, bin ich doch sehr nervös, sobald ich auf der Bühne stehe. Technische Schwierigkeiten verschlimmern meine Nervosität und machen mir das ohnehin schon unangenehme Bühnenerlebnis zu meiner persönlichen Hölle. Mit ein paar Sprüchen sind die Gäste meistens recht schnell belustigt und sie sind auch verständnisvoll bei technischen Schwierigkeiten, meine Unsicherheit lässt sich jedoch trotzdem nicht so leicht abschütteln.
Mit zwei hübschen alkoholfreien Cocktails komme ich zurück zu unserem Tisch. Zu meiner Überraschung sitzen einige meiner Freunde bei Ilaria und unterhalten sich bereits ausgelassen mit ihr. Meine Prinzessin lacht herzlich, als Marc irgendetwas zu ihr sagt. Es ist offensichtlich, dass es Ilaria leichter fällt, Kontakte zu knüpfen und auf Fremde zuzugehen, als es bei mir der Fall ist. Zu sehen, dass sie sich scheinbar ganz gut eingliedert, bringt mich dazu, zu lächeln.
Als meine Freunde mich bemerken, reden sie wie immer durcheinander. Ich begrüße sie und stelle die zwei Cocktails ab. Ilaria sieht strahlend zu mir auf. Schnell setze ich mich wieder neben sie und lege einen Arm um ihre Schultern. Meine Bedenken, dass sie sich vielleicht ausgeschlossen fühlen könnte, sind wie weggeblasen.
„Ich hab' sie grade gefragt, ob sie nicht zufällig eine Schwester hat“, erklärt Marc amüsiert. Ich schüttle den Kopf.
„Du musst dir schon selbst ein Mädchen suchen“, antworte ich ihm.
„Sag mir, woher man so eine Schönheit bekommt und ich gehe auf der Stelle“, entgegnet Marc mir, was Ilaria wieder zum Lachen bringt.
Sie winkt ab. „Hör auf, du machst mich ganz verlegen.“
Ich ziehe Ilaria näher zu mir. Mir ist natürlich klar, dass Marc niemals ernsthaft mein Mädchen anbaggern würde, aber ich bin trotzdem etwas eifersüchtig. Meine Eifersucht ist etwas schlimmer geworden, nachdem meine Ex mich für ihren Ex abserviert hat. Auch wenn ich es nicht möchte, kommen diese Erinnerungen in Situationen wie dieser immer wieder hoch. Ilaria streicht über meinen Schenkel. Sie sieht zu mir auf und lächelt mich an. Nach einem sanften Kuss spüre ich, dass meine Mimik sich wieder aufhellt. Wahrscheinlich sah ich gerade ziemlich unzufrieden aus. Ilaria widmet sich ihrem Glas. Sie betrachtet das hübsche, blaue Getränk und kostet dann einen Schluck. Sie nickt, scheinbar ist sie zufrieden.
Meine Freunde unterhalten sich mit Ilaria. Sie versteht sich nicht nur mit Marc, sondern auch mit Angus und seiner Freundin Lauren ausgesprochen gut. Die beiden Frauen quatschen sofort über Mode und scheinbar ist das Kleid, das Ilaria sich für heute Abend ausgesucht hat, eine gute Wahl gewesen.
Da ich immer tiefer in meine eigenen Gedanken abrutsche, bekomme ich von den Gesprächen am Tisch sehr wenig mit. Je näher mein Auftritt rückt, desto nervöser werde ich. Dieses Problem hatte ich immer schon. Meine Unsicherheit und Nervosität sind der Grund, wieso ich angefangen habe, zu trinken und es war auch der ausschlaggebende Grund, wieso ich vor einigen Auftritten zu Kokain gegriffen habe. Es hat geholfen, war jedoch alles andere als gut für mich und nun stehe ich wieder alleine da. Ich werde beinahe von Panik überrollt.
Ich komme wieder in der Realität an, als Bob mich anspricht.
„Komm, du bist dran“, spricht er mit fester Stimme, worauf ich nicke.
„Danke, Bobby“, entgegne ich ihm und möchte schon aufstehen, doch da hält Ilaria mich wieder fest.
„Ich kann es kaum erwarten, dich spielen zu hören“, gibt Ilaria sehnsüchtig von sich. Sie gibt mir einen Kuss, der mir Glück bringen soll. Am liebsten würde ich bei ihr bleiben, doch meine Gitarre ruft nach mir.
Bob hat sich wie immer um die Technik gekümmert. Routinemäßig sorge ich dafür, dass ich verkabelt bin, dann nehme ich auf der Bühne auf einem Hocker Platz. Der Scheinwerfer, der in mein Gesicht leuchtet, sorgt dafür, dass ich kaum jemanden sehen kann. Es hilft mir, mit meiner Nervosität klarzukommen. Ein einzelner Schweißtropfen läuft von meiner Stirn meine Schläfe entlang. Als ich nach meiner Gitarre greife, spüre ich meine Finger nicht mehr. Mit festem Griff halte ich mein Plektron zwischen meinen schweißnassen Fingern.
Ich werfe einen kurzen Blick in die Menge, sehe aber dann auf meine Gitarre und bringe sie in Position, dabei spreche ich in das Mikrophon: „Für die, die mich noch nicht kennen, ich bin Killian Smith und ich habe heute die Ehre, euch mit ein paar Songs den Abend zu verschönern.“ Während ich spreche, mache ich einen kurzen Line-Check. Bob gibt mir einen Daumen hoch, also kann meine Show beginnen. Ich wende mich wieder dem Publikum zu. „Falls euch gefällt, was ihr heute hört, findet ihr mich und alle Songs dieses Abends auch auf Spotify. Ich bin für jeden Follower dankbar.“
Immer noch nervös beginne ich damit, meinen ersten Song zu spielen. Das Gefühl, dass mir meine Gitarre jeden Moment aus den Händen gleiten könnte, lässt sich nicht ablegen. Ich schließe meine Augen, während ich spiele. So entkomme ich nicht nur den Blicken der Menschen im Publikum, sondern auch den blendenden Scheinwerfern, die auf mich gerichtet sind und die Bühne ausleuchten. Als ich meine Augen wieder öffne, erblicke ich Ilaria in der ersten Reihe. Sie wirkt wie verzaubert, als sie mich ansieht. Meine Prinzessin lächelt, ehe sie mir einen Kuss zu haucht. Wäre das hier ein Märchen, würden meine Sorgen vollkommen von mir abfallen, doch leider funktioniert das im richtigen Leben nicht.
Ich höre den Applaus des Publikums. Erleichtert trete ich von der Bühne. Marc tätschelt sofort meinen Oberarm und schenkt mir einen Daumen hoch. Ilaria drückt mir eine Flasche eiskaltes Wasser in die Hand. Ich bekomme einige Komplimente, für die ich mich etwas verlegen bedanke. Es dauert noch einen Moment, bis ich wieder richtig in der Realität ankomme.
Backstage stelle ich die Wasserflasche auf eine der herumstehenden Kisten. Aus meinem Rucksack nehme ich ein Handtuch, um damit mein verschwitztes Gesicht abzutrocknen. Ich ziehe außerdem mein Shirt aus, um es gegen ein trockenes auszutauschen.
„Es ist traurig, dass die Welt noch nicht dein Talent entdeckt hat“, erklingt Ilarias Stimme hinter mir. Ich drehe mich in ihre Richtung. Dass sie mir gefolgt ist, habe ich gar nicht mitbekommen.
„Ja, äh, danke“, gebe ich überrumpelt von mir. „Wenn ich nicht so nervös wäre, könnte ich das alles viel besser genießen.“
Ilaria tritt auf mich zu, sie lächelt breit. „Du hast gar keinen Grund, nervös zu sein. Du weißt, was du tust und deine Stimme ist unglaublich. Ich hätte dir beinahe mein Höschen auf die Bühne geworfen.“
Verdutzt sehe ich Ilaria an. Nun bin ich vollkommen sprachlos. Mein Kopf braucht einen Moment, um zu verarbeiten, was sie gerade gesagt hat, doch dann beginne ich zu lachen. Sie grinst mich stolz an und ich nehme sie fest in den Arm. „Danke, das brauchte ich, um wieder lockerer zu werden.“
„Gerne, aber lass mich los, du klebst.“
„Oh, Entschuldigung.“