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Kapitel 31
Ein Umschlag voller Träume
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Ich muss zugeben, dass ich verdammt nervös bin. So nervös, dass selbst der Gedanke an ein köstliches Steak mich nicht auflockern kann. Ich mache mir Sorgen, dass ich mich blamieren könnte. Vielleicht stelle ich mich vor Nervosität so dumm an, dass Dan sein Angebot zurückzieht. Wenn der heutige Abend nicht gut läuft, dann wird mir nichts anderes übrigbleiben, als meinen Traum endgültig an den Nagel zu hängen. Diese Enttäuschung würde ich nie wieder verkraften. Ich würde mit meiner Couch verschmelzen und nie wieder aufstehen.
Bevor ich das Restaurant betrete, atme ich tief durch. Für den heutigen Abend habe ich mich schick gemacht. Hemd, Jackett und Stoffhose. Ich habe sogar meine schönen Schuhe ausgegraben. Ich war mir gar nicht sicher, ob ich die noch habe. Die Krawatte habe ich weggelassen, das wäre vielleicht doch zu formell gewesen. Da Ilaria mein Outfit abgesegnet hat, muss ich mir zumindest darum keine Sorgen machen. Jetzt darf ich mich nur nicht dumm anstellen. Ich spüre, dass meine Finger ungewohnt kalt sind, meine Handflächen schwitzen, als wäre ich kurz davor, auf die Bühne zu steigen. Eines Tages werde ich vor Aufregung einen Herzinfarkt bekommen. Dieser Tag sollte nur nicht heute sein, denn die Krankenhausrechnung könnte ich nicht bezahlen, falls ich überleben sollte.
Als der Host mich nach meiner Reservierung fragt, erkundige ich mich nach Dan Black. Nach einem verblüfften Blick, gefolgt von einem Lächeln werde ich in einen Nebenraum geführt, vermutlich ist dieser Raum für Privatveranstaltungen gedacht. Mein Hals ist so trocken, dass ich kaum sprechen kann. Ich bin nervös. Verdammt nervös.
„Hey, Killian!“, begrüßt Dan mich fröhlich, als er auch schon aufsteht, um mir die Hand zu geben. Auch heute ist er wieder gut gekleidet. Mir fällt sofort die große Uhr an seinem rechten Handgelenk auf. Ich bemerke außerdem, dass wir vollkommen alleine sind. Die restlichen Tische sind unbesetzt. Zur Begrüßung reicht er mir seine Hand, sein Händedruck ist fest, aber angenehm. Mit einer freundlichen Geste bittet er mich, mich zu setzen. „Mach’s dir bequem. Willst du einen Drink zum Auflockern?“
Ich setze mich und atme erneut durch. „Nein, ich trinke nicht, aber ein Wasser wäre für den Anfang nicht schlecht.“ Ich räuspere mich mehrere Male, da meine Stimme nicht so möchte, wie ich.
„Alles okay?“, fragt Dan mich. Er greift nach seinem Drink und trinkt einen Schluck. „Du hast doch nichts an den Stimmbändern, oder? Das würde mich in eine tiefe Depression stürzen.“
„Nein, nein, alles gut, ich bin nur verdammt nervös. Mein Hals ist so trocken wie Death Valley.“
Dan schnaubt amüsiert, dann schenkt er mir ein Glas Wasser ein. Die Flasche ist nun leer. Er war wohl auch sehr durstig. „Du musst nicht nervös sein, Killian. Bleib einfach du selbst und mach dir keinen Kopf. Die Liste, von den Dingen, die du heute falsch machen kannst, ist sehr kurz.“ Er lächelt mir aufmunternd zu.
Ein Kellner kommt zu uns an den Tisch und reicht uns beiden die Karte, außerdem stellt er eine große Flasche Wasser auf den Tisch. Auch bei ihm lehne ich es ab, etwas zu trinken zu bestellen. Heute reicht mir Wasser. Er nimmt die leere Flasche wieder mit, bevor er unseren Tisch wieder verlässt.
„Also, bevor wir essen, haben wir noch ein wenig zu erledigen. Normalerweise mache ich das erst nach der Jamsession, aber ich beschleunige das heute. Ich habe einen Standardvertrag hier, den ich dir mitgeben will. Du kannst ihn durch einen Anwalt prüfen lassen und dir mit dem Unterzeichnen Zeit lassen. Ich bin die nächsten zwei oder drei Wochen an der Ostküste und recht schwer zu erreichen, aber wenn du irgendwelche Fragen hast, kannst du sie meinem Assistenten Ryan mailen, der ist ein kleines Arbeitstier und fast immer erreichbar.“ Ich greife nach meinem Glas und nehme einige Schlucke. Aus einer Aktentasche nimmt Dan einen Umschlag, den er mir reicht. Immer noch nervös, wenn nicht sogar noch aufgeregter als vorhin, nehme ich den A4-Umschlag an mich. Er ist schwerer, als ich es vermutet hatte. „Wenn dein Anwalt keine Einwände hat, unterzeichnen wir. Eine Jamsession ist aber unbedingt notwendig, bevor wir ein Team zusammenstellen.“ Er macht eine ausladende Handgeste. „So können wir uns kennenlernen und ich kann abschätzen, mit wem die Zusammenarbeit flüssig laufen könnte. Das ist auch kein Test, du wirst nicht bewertet, da geht es schlicht um die Chemie und die Vibes, also mach dir keine Sorgen darum. Sobald die Musik ins Spiel kommt, werden selbst die nervösen Jungs wieder lockerer und darum geht’s hauptsächlich.“ Mit einem freundlichen Lächeln greift er wieder nach seinem Glas, um zu trinken. Whiskey ist wohl sein Ding.
Ich öffne den Umschlag und ziehe einen Stapel Papiere heraus. Schon der Briefkopf mit dem Logo des Labels lässt mein Herz höherschlagen. DRS Records.
„Das fühlt sich alles noch so unecht an.“
Dan lacht. „Manchmal zweifle ich meine Existenz an, so oft wie mir gesagt wird, dass meine Angebote einem Traum gleichen.“
Ich schnaube amüsiert. „Soll ich dir ans Bein treten, damit wir sehen, ob du echt bist? Ein Reality-Check würde mir auch guttun.“
„Gute Idee“, meint Dan amüsiert und wirft dann einen Blick in die Karte. „Warst du schon einmal hier?“
„Ja, ist aber schon eine Weile her, das Geld ist aktuell ziemlich knapp. Ich musste sogar meine Wohnung aufgeben. Das Leben wird immer teurer.“ Ich lege den Umschlag zur Seite. Wenn ich damit gerechnet hätte, dass ich den Vertrag bereits heute bekomme, hätte ich auch eine Tasche mitgenommen.
Dan sieht von seiner Karte auf. „Was für eine Scheiße. Hast du jemandem, bei dem du unterkommen kannst oder brauchst du Hilfe?“
„Es ist zwar nicht der Schritt, den man mit 30 machen will, aber ich wohne wieder bei meiner Mom. Die meiste Zeit verbringe ich allerdings bei meiner Freundin.“
Dan nickt. „Ein Glück, dass man sich immer auf seine Eltern verlassen kann, hm?“
„Ja, meine Mom ist die Beste.“ Ich studiere die Karte. Ich bin zwar eingeladen und ziemlich sicher, dass es Dan nicht an Geld mangelt, trotzdem bin ich unschlüssig, was ich bestellen soll. Ich möchte nicht gierig erscheinen.
„Bestell dir, was du möchtest. Das Surf’n’Turf soll gut sein, vorausgesetzt du magst Meeresfrüchte.“
„Ich liebe Surf’n’Turf, das ist das Beste aus beiden Welten.“
Dan grinst. „Als würde man eine Meerjungfrau essen“, scherzt er, worauf ich schnaube.
„So habe ich das noch nie gesehen. Den Spruch klaue ich, und bringe ihn, wenn ich mit Ilaria zusammen esse.“
„Nur zu.“ Dan klappt die Karte zu, dann richtet er seinen Blick wieder auf mich. „Deine Freundin ist übrigens sehr nett. Ich habe mich gut mit ihr unterhalten. Sie ist deine größte Fürsprecherin.“
„Ja, sie hat mir davon erzählt.“ Ich ziehe einen Mundwinkel hoch. „Es ist schön, wenn man unterstützt wird, aber mich daran zu gewöhnen ist nicht ganz so einfach.“
„Jeder braucht einmal Hilfe. Sie anzunehmen ist nie ein Zeichen von Schwäche, das wird uns Männern immer nur eingebläut“, meint Dan, ehe er einen weiteren Schluck trinkt.
„Es ist trotzdem nicht so einfach.“
„Meinem Sohn fällt das auch nicht so leicht“, antwortet Dan, ehe er mit den Schultern zuckt. „Naja, er wird seinen Weg schon finden und wenn’s schiefläuft, dann nehme ich ihn wieder bei mir auf, wenn er 30 wird.“
Amüsiert sehe ich von der Karte auf. „Ich weiß nicht, ob ich es gut finde, dass du dich jetzt schon über mich lustig machst.“
„Dann wird dir die Klausel, in der steht, dass ich das darf, nicht gefallen“, antwortet Dan mir grinsend. Da ich mit der Antwort nicht gerechnet habe, muss ich lachen. Eines muss ich ihm zugestehen, ich bin schon deutlich lockerer und das ganz ohne Alkohol zu trinken.
Ich überlege hin und her, doch dann entscheide ich mich doch für das Surf’n’Turf. Das Gespräch zwischen Dan und mir verläuft locker und je länger es dauert, desto wohler fühle ich mich. Wir sprechen über Musik, über unsere persönlichen Einflüsse und ich erfahre über ihn, dass auch er vor ungefähr 20 Jahren in einigen der Clubs gespielt hat, in denen auch ich schon aufgetreten bin.
Nachdem ich das Restaurant schließlich verlasse, bin ich nicht nur satt, sondern auch guter Dinge. Mit dem Vertrag in meiner Hand, spaziere ich die Straße entlang. Ich fische mein Smartphone aus der Innentasche meines Jacketts und rufe meine Mom an, um ihr, wie versprochen, Bericht zu erstatten. Mein Herz klopft schneller. Ich kann es kaum erwarten, die guten Neuigkeiten mit ihr zu teilen. Es dauert einen Moment, doch dann erklingt ihre Stimme.
„Killian. Hi. Warte einen Moment.“ Ich nicke, auch wenn sie das gar nicht sehen kann. „So, jetzt.“
„Hey, Mom, hab' ich dich geweckt?“
„Nein, nein, ich war nur gerade in der Dusche. Und? Erzähl schon! Wie war dein Essen? Was hast du gegessen? Was habt ihr besprochen? Was hat er gesagt?“ Moms freudige, aufgedrehte Stimme bringt mich zum Lachen.
„Tief durchatmen, Mom“, bitte ich sie breit grinsend.
Ich höre ein Rauschen. „Durchgeatmet. Los, erzähl mir alles.“
„Also gut, ähm, das Gespräch verlief echt gut. Wir haben uns ein wenig kennengelernt. Dan scheint doch recht nett zu sein. Das Essen war auch ausgezeichnet. Ich hatte ewig kein so gutes Surf’n’Turf.“
„Und was sagt er sonst so? So karrieretechnisch? Kann ich Debbie endlich eins reinwürgen und ihr sagen, dass nicht nur ihr toller Sohn Karriere macht?“
Die Frage erwischt mich eiskalt, ich fange an zu lachen, da ich alles, nur nicht das erwartet habe. „Wow, Mom, das klingt, als hättest du nie Grund gehabt, um mit mir anzugeben. Das ist traurig.“
„Es ist schwer, diesen konservativen Müttern klarzumachen, dass ein glückliches Kind immer besser ist, als ein überarbeiteter Arzt, der ein kleines Pillenproblem entwickelt hat. Außerdem kann ich ihr das ja schwer so sagen. Auch wenn sie es ein wenig verdient hätte, wieder auf den Teppich zu kommen.“
„Mom, du driftest gerade ab, lästern kannst du später, ich muss dir noch etwas sagen.“
„Oh, natürlich, Schatz, erzähl mir alles.“
„Rate, was ich in der Hand halte.“
„Dein Smartphone“, antwortet sie trocken. Ich schnaube, denn die Antwort war doch ziemlich offensichtlich.
„Die andere Hand, Mom.“
„Ein Doggybag.“
„Tz, ich lasse mich doch nicht zum Essen einladen und mache dann schlapp“, antworte ich fast schon beleidigt. „Steak muss man gleich essen, sonst schmeckt es nicht mehr.“
„Hör auf herumzualbern und erzähl schon!“
„Okay, bereit?“, frage ich frech grinsend nach.
„Ja-ha!“
„Ein Umschlag mit einem Plattenvertrag.“
„Was? So schnell? Nicht, dass ich an dir zweifeln würde, aber dass das so schnell geht, überrascht mich.“ Ihre nächsten Worte kann ich nicht richtig verstehen. Ich verstehe allerdings, dass Mom außer sich vor Freude ist. Ihre aufgeregten Laute lassen gar keinen anderen Schluss zu. Erst knistert es in der Leitung, dann erklingt wieder Moms Stimme: „Ich bin so unendlich stolz auf dich, Killian. Das musst du unbedingt feiern!“
„Ja, heute aber nicht mehr. Eigentlich will ich es nicht überstürzen. Ein Anwalt muss sich das noch ansehen. Ich will lieber, dass das alles noch unter uns bleibt, irgendwie habe ich immer noch Angst, dass diese Blase von einer Sekunde auf die andere platzt.“
Moms Stimme ist wieder ruhiger, als sie mir antwortet: „Ich weiß, dass dir das Angst macht, aber du darfst auch kleine Siege feiern. Mach dir heute einen schönen Abend mit Ilaria. Und wenn du morgen aufwachst und deine ersten zehn Kaffee hattest, dann nimmst du den Vertrag aus dem Umschlag und nimmst dir einen Moment, um ihn dir anzusehen. Du hast es dir verdient. Du hast vor über 20 Jahren angefangen, den ersten Schritt zu gehen. Jetzt ist es an der Zeit, dass du den Ausblick genießt.“
„Wow, Mom, das ist ziemlich clever. Danke.“
„Ich hab' dich lieb, mein Schatz. Komm gut nach Hause, hörst du?“
„Mhm, mach ich. Schlaf schön, Mom.“
Ich lege auf und stecke mein Smartphone in meine Hosentasche. Kopfschüttelnd gehe ich weiter, dann fahre ich durch meine Haare. Wie lange es wohl dauert, bis ich tatsächlich begreife, dass das alles wirklich passiert? Und wie lange kann ich es dann auch wirklich genießen, bevor die Angst einsetzt, dass mir alles wieder genommen wird…
Ich atme tief durch. Sorgen kann ich mir immer noch machen, wenn es soweit ist. Mom hat Recht, ich muss die Aussicht genießen.
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Aufgeputscht, als hätte ich eine Palette Red Bulls intus, suche ich meinen Schlüssel und schließe Ilarias Wohnungstür auf.
„Und? Und? Und? Wie war dein Essen mit dem großen Meister?“, fragt Ilaria aufgeregt. Sie klettert von der Couch, doch ihr Bein bleibt in ihrer Decke hängen, also springt sie auf einem Bein auf und ab, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Der Anblick bringt mich zum Lachen, dabei lege ich den Vertrag auf die Kommode. Besonders elegant war das ja nicht.
„Tu dir nicht weh, Prinzessin“, gebe ich amüsiert von mir und reiche ihr die Hand, sodass sie nicht doch noch hinfällt und sich vielleicht sogar verletzt.
„Doofe Decke“, antwortet Ilaria, als sie ihr Bein befreit und mir anschließend um den Hals fällt. „Was hast du da mitgebracht?“
„Nur ein Plattenvertrag, den kann man leider nicht essen.“ Quietschend lässt Ilaria von mir ab. Ich nehme einen Schritt Abstand von ihr und reibe mir das Ohr. „Ich brauche mein Gehör noch.“
„Entschuldige, ich bin nur so aufgeregt! Ein Plattenvertrag!“ Ilaria springt auf und ab wie ein Gummiball. Ich ziehe erst einmal meine Schuhe aus und hänge mein Jackett an einem Kleiderbügel auf. „Und? Was steht in dem Vertrag? Ich habe so etwas noch nie zu Gesicht bekommen. Ach, das ist so aufregend.“ Sie greift nach dem Umschlag und tippelt auf der Stelle.
„Ganz ruhig, Kleines“, antworte ich amüsiert, worauf Ilaria mir aufgeregt den Umschlag reicht.
„Ich habe selbst noch nicht hineingesehen. Wahrscheinlich blicke ich ohnehin nicht durch, deswegen ja der Anwalt.“
„Oh, Anwalt, genau!“, antwortet Ilaria mir, ehe sie schon ins Wohnzimmer stürmt. „Ich habe ein paar Anwälte herausgesucht und auch schon telefoniert. Die, die unsympathisch ausgesehen haben, liegen auf einem extra Stapel. Ich war mir nicht sicher, ob du so jemanden haben willst. Manchmal ist das ja ganz gut, von einem Arsch vertreten zu werden.“
Ich schnaube. „Ilaria, heute passiert gar nichts mehr.“ Ich nehme den Vertrag mit zur Couch, um ihn durchzulesen. „Dan wird die nächsten Wochen nicht hier sein, wir haben also Zeit, uns um einen Anwalt zu kümmern und den Vertrag zu prüfen.“
„Entschuldige, ich bin nur so aufgeregt“, antwortet Ilaria mir und setzt sich schwungvoll neben mich. Sie greift sich eine Schüssel mit Chips und steckt eine Handvoll in ihren Mund. Ob sie ihren Stress mit Essen unterdrücken will oder dafür sorgen will, dass sie ruhig bleibt, weiß ich nicht genau. Alles, was ich weiß, ist, dass ich ihre Aufregung niedlich finde. Ihre Freude ist echt und dass sie mir die Arbeit abgenommen hat, einen Anwalt zu finden, weiß ich sehr zu schätzen. „Dieser Dan scheint übrigens ein guter Kerl zu sein. Ich hab' recherchiert, weißt du?“
„Ach, hast du das?“, frage ich nach, wohlwissend, dass Ilaria sich gerne auf alle Eventualitäten vorbereitet.
„Ja, ich will ja wissen, mit wem du so zusammenarbeiten wirst. Dan macht viel Charity, vor allem für Obdachlose. Er kauft alte Hotels, renoviert sie und macht Obdachlosenunterkünfte daraus. Scheint ein cooles Konzept zu sein.“
Ich nicke verstehend. Nun macht seine Frage, ob ich Hilfe brauche, sogar Sinn. Beim Essen kam es mir noch seltsam vor, gefragt zu werden. „Was hast du sonst noch gefunden?“
„Seine Social Media Seiten. Er arbeitet wohl mit vielen berühmten Leuten zusammen, aber er unterstützt auch kleine, unbekannte Musiker. In New York arbeitet er aktuell an einer Art Jugendtreffpunkt für Musiker. Dort soll es dann sogar ein kleines Tonstudio geben. Oh, und er hat einen niedlichen Sohn mit einer süßen Katze. Ihr Name ist Muffin.“
Amüsiert sehe ich von dem Vertrag auf. „Du hast deinen Beruf verfehlt, die beim FBI könnten jemanden wie dich gut gebrauchen.“
„Ja, das denke ich auch“, antwortet Ilaria mir. Sie wischt sich mit der Hand über den Mund, beugt sich dann zu mir, um mich zu küssen. „Du duftest total gut.“
„Oh, dann magst du den Duft?“, frage ich nach. „Der, den ich sonst kaufe, war leider ausverkauft.“
„Schade, aber der Duft gefällt mir sogar fast besser, als der andere“, antwortet Ilaria mir. „Ich könnte dich auf der Stelle vernaschen.“
Ich schnaube amüsiert und tätschle ihren Schenkel. „Vielleicht lieber nach einer Dusche, hm? Ich bin ein bisschen verschwitzt.“
„Finde ich gut.“ Sie springt auf, wischt sich die Chipskrümel von ihrem Shirt und reicht mir dann die Hand. „Lass uns das beschleunigen.“
„Ich wollte eigentlich erst den Vertrag lesen“, antworte ich ihr.
„Das Ding hat eine Millionen Seiten, dafür solltest du es dir bequem machen.“
„Du hast doch irgendetwas vor“, antworte ich ihr skeptisch, doch Ilaria blinzelt mich nur unschuldig an. „Gut, okay, überredet. Wenn du mich so ansiehst, kann ich dir ohnehin nichts abschlagen. Du bist viel zu süß, das ist deine Superkraft.“
Ich stecke den Vertrag zurück in den Umschlag und stehe auf.
„Du siehst übrigens sehr sexy aus, wenn du ein Hemd trägst.“
„Ach ja?“, frage ich grinsend nach.
„Mhm.“ Ilaria beginnt damit, meine Knöpfe zu lösen. „Da macht das Auspacken gleich mehr Spaß. Als hätte ich einen sexy Musiker als Geschenk bekommen.“ Ich beobachte Ilaria, sie leckt sich über die Lippen.
„Da kann es wohl jemand kaum erwarten, mich ins Badezimmer zu entführen“, stelle ich amüsiert fest, als sie mit einem der Knöpfe kämpft.
„Ja, für meine Geduld bin ich eher nicht so bekannt“, antwortet sie und sieht zu mir hoch. Sie spitzt ihre Lippen und ich gebe ihr einen Kuss. Als mein Hemd dann schließlich offen ist, streicht sie sanft über meine Brust, dann greift sie nach meiner Hand, um mich zu entführen. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob der Vertrag und das gute Essen das Beste an diesem Tag gewesen sind.
Wir entkleiden uns gegenseitig und steigen schließlich unter die Dusche. Bevor ich mich von Ilaria antatschen lasse, wasche ich mich unter den Armen, um halbwegs angenehm zu riechen. Zu meiner Überraschung drückt Ilaria sich gegen mich und verwickelt mich in einen Kuss. Das Wasser, das auf uns fließt, macht es mir schwer zu atmen, doch ich umgehe das Problem, indem ich sie gegen die kalten Fliesen drücke.
Verlangend sieht Ilaria zu mir auf. Sie wischt sich die klitschnassen Haare aus dem Gesicht und beißt sich auf die Unterlippe. Ich bin glücklicherweise nicht der Einzige, der auf ein Vorspiel unter der Dusche steht. Ilaria schiebt mich sanft von sich, um nach dem Duschgel greifen zu können. Sie drückt etwas davon in ihre Hand und reicht mir dann die Flasche. Ehe ich mich versehe, fasst sie zwischen meine Beine, um mich einzuschäumen. Ich taste mich nach der Einbuchtung in der Wand, um das Duschgel zurückzustellen, dabei schließe ich schon die Augen und genieße Ilarias Berührungen.
„Gefällt dir das?“, fragt sie mich, worauf ich brummend nicke. „Gut. Das ist ein kleiner Vorgeschmack auf das, was dich heute Nacht erwartet. Ich werde noch einiges mit dir anstellen, mein Liebster.“
„Ich habe nichts dagegen einzuwenden“, antworte ich ihr und verwickle sie in einen tiefen Kuss.
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Verausgabt durch eine intensive Runde Sex schläft Ilaria an meiner Schulter ein. Da es nicht so einfach ist, den Vertrag zu lesen, wenn man nur eine Hand frei hat, widme ich mich meinem Smartphone, genaugenommen meinen Social Media Profilen. Ich habe eine Art Hausaufgabe von Dan bekommen. Heutzutage ist es wichtig, überall präsent und aktiv zu sein, um gesehen zu werden. Ich soll vier- bis fünfmal pro Woche etwas posten. Ob es sich nun um ein Selfie oder ein Video handelt, ist dabei zweitrangig. Gesehen zu werden, ist im Moment das Wichtigste.
Ich streiche durch Ilarias Haar und entscheide mich dafür, ein Selfie von uns beiden hochzuladen. Am Samstag habe ich frei, da werde ich mir die Zeit nehmen und einige Videos drehen, um einen kleinen Puffer zu haben. Noch kann ich leider nicht auf meinen Job bei Whole Foods verzichten, aber sobald es soweit ist, kann ich mir die Zeit für diese Social Media Geschichte besser einteilen. Vielleicht will Ilaria mir dabei helfen. Hübsche Mädchen kommen immer gut an.
Meine Prinzessin murmelt im Schlaf, ich verstehe nicht ganz, was sie sagt, doch sie gibt mir einen sanften Kuss auf die Brust. Sie sieht zufrieden aus, als sie sich wieder gemütlich an mich schmiegt. Ich lege das Smartphone kurz zur Seite, um Ilaria besser zuzudecken, dann nehme ich es wieder zur Hand.
Überlegend, was ich tun kann, um meine Social Media Präsenz aufzubauen, sehe ich auf den Bildschirm. Ich entschließe mich dazu, eine kleine Recherche zu starten und tippe Dans Namen in die Suchleiste ein. Ich scrolle durch Fotos mit weltbekannten Musikern, Videos, die auf Partys gefilmt wurden, die obligatorischen Starbucks-Fotos und das ein oder andere Selfie. Dan scheint das Leben nicht nur zu genießen, sondern auch viel zu arbeiten. Als ich das Smartphone wieder weglege, schließe ich mich Ilarias Meinung an. Mit ihm zusammenzuarbeiten wird mir bestimmt viel Spaß machen.
Jetzt brauche ich nur noch einen passenden Anwalt. Das alles fühlt sich immer noch so unglaublich an. Es wird wahrscheinlich noch einige Zeit dauern, bis mein Kopf versteht, dass mir tatsächlich etwas Gutes passiert. Träume können wohl doch wahrwerden, wenn man nur lange genug an ihnen festhält. Ich hoffe nur, dass ich nicht allzu schnell wieder aufwache.