„Scheiße“, entfuhr es mir, noch bevor mir klar wurde, dass sie geradewegs auf uns zusteuerte, mit einem fiesen Grinsen auf dem Gesicht. Mann, mussten heute alle Leute so doof grinsen?
„Hey Emily, ich wusste gar nicht, dass du so einen heißen Bruder hast. Aber der sieht dir ja auch so gar nicht ähnlich. Wie Eltern nur zwei so unterschiedliche Kinder bekommen können? Ich meine, guck dir ihn an und guck dir dich an. “ Typisch Anna. Sie ging von vorne herein davon aus, dass ein toller Typ, der sich freiwillig in meiner Nähe aufhielt, mit mir verwandt sein musste. Aber die Genugtuung wollte ich ihr nicht geben und setzte daher schon zu einer Antwort an, von der ich noch nicht wusste, wie sie ausfallen würde, wobei Wes mir allerdings schon wieder zuvorkam.
„Bruder? Ach Quatsch! Ich bin Emilys Freund. Und was deinen Style angeht, kann ich dir sagen, dass Barbiepuppen was für kleine Mädchen sind.“ Dann schenkte er ihr ein strahlendes Lächeln, was sie erröten und zornig abdampfen ließ. Das war eine Premiere. Ich hatte Anna noch nie sprachlos gesehen. Trotzdem konnte ich es mir nicht verkneifen, Wes anzumachen.
„Warum hast du das gemacht? Jetzt denkt sie, du bist wirklich mein Freund und erzählt es bestimmt allen weiter! Die macht mich doch total fertig, wenn sie die Wahrheit erfährt. Und hör endlich auf mit diesem bescheuerten Grinsen. Das macht mich echt wahnsinnig.“ Der Kerl war ja echt knallhart. Grinste der einfach weiter. Geht’s noch?
„Also jetzt hör mir mal gut zu.“, sagte er und sah mir dabei, ohne zu grinsen, tief in die Augen.
„Ich kann es nicht leiden, wenn irgendwelche blondgefärbten Barbiepuppen meinen, sie wären was Besseres. Verbuch es unter Galanterie, aber bei mir kam da eben einfach der Reflex, dich zu beschützen. Und was das Grinsen angeht, das kann ich nicht abstellen. Meine Lehrer denken auch immer, ich würde mich über sie lustig machen. Aber ich bin eben ein gutgelaunter Mensch. Und so schlimm sieht es doch gar nicht aus, oder?“ So ein Idiot. Der wusste genau, wie umwerfend sein Grinsen war. Deshalb empfand ich es als mein gutes Recht, ihn einen Scheißkerl zu nennen darüber zu informieren, dass meine Haare auch blond gefärbt waren, und mich schmollend meinen Pommes zuzuwenden.
„Was hab ich denn jetzt schon wieder falsch gemacht?“ Es dauerte eine Weile, bis mir auffiel, dass er die Frage ernst gemeint haben musste, da er mich total erwartungsvoll und verwirrt anglotzte. Das brach dann irgendwie bei mir den Damm und ich fing an zu lachen. So richtig laut. Die Leute um uns herum fingen schon an uns genervt anzugucken. Aber ich konnte nicht anders. Er sah so lustig aus, wie er mich verdutzt anstarrte. „Du, du müsstest deinen Gesichtsausdruck sehen!“, versuchte ich zwischen zwei Lachanfällen herauszubringen. Dann, als ich mich endlich beruhigt hatte, schaffte ich es, wieder einigermaßen ernst zu werden.
„Du hast nichts falsch gemacht. Nichts. Gar nichts. Ich bin es halt einfach nicht gewohnt, dass jemand auf meiner Seite steht und nicht auf Annas.“ Nun war es auch um ihn geschehen. Gemeinsam lachten wir, bis die Bedienung zu uns kam und uns dezent aufforderte, den Imbissraum zu verlassen.