Die Zeit verging nur langsam. Umso schwerer abzuschätzen, da sie nun hier in diesem kleinen Zimmer saß, das ihr den Blick nach außen verwehrte. Die Dusche war alles andere als bequem, doch der Gedanke daran, dass es in ein paar Stunden vorbei wäre …
Es wäre doch vorbei, oder? Oh, wenn sie nur sicher wüsste, dass Heath in Sicherheit war, dass er nicht schon von diesem Monster ermordet worden war. Doch sie wusste nichts. Alles was Cyan sagen konnte, war, dass der Wind draußen zunahm und dass von Zeit zu Zeit das markterschütternde Geschrei erklang.
Jedes Mal zog sich ihr Magen zusammen. Vor allem dann, wenn es näher klang. Sie hatte keinerlei Möglichkeit davonzulaufen, wenn das Monster sie fand. Aber es würde sie nicht finden. Es war bisher nicht hier drin gewesen, also hatte es auch keinen Grund hier herein zu gehen. Immerhin hatten sie extra das Licht nach draußen ausgemacht. Ja. Es würde sie nicht finden. Sie war hier sicher. Überhaupt konnte die Bestie ja nicht die Tür öffnen, käme also selbst wenn nicht hier herein. Das machte es sicher. Genau.
Doch so sehr sie es sich auch einredete, so sehr zweifelte sie auch an diesen Gedanken. Sie wussten immerhin nichts über diese Kreatur. Nur in einer Sache war sich Cyan absolut sicher: Dieses Monster war nicht von dieser Welt. Es war eine Kreatur aus einer anderen Dimension oder vielleicht aus der Hölle. Und niemand würde ihnen je glauben, was sie gesehen hatten. Selbst wenn unter anderen SAR-Mitgliedern immer solche Geschichten herumgegangen waren. Ja, es kam immer vor, dass Leute seltsame Dinge in den Wäldern fanden.
Aber von so einer Kreatur hatte sie nicht gehört.
Sie sah auf ihr Handy. Mittlerweile war Heath seit knapp eineinhalb Stunden unterwegs.
War es nicht ironisch: Wäre der Junge nicht verschwunden, hätten sie heute nicht rausgemusst. Dann wäre sie mittlerweile unterwegs mit ihrer Schwester zu einer Halloweenfeier. Das war eigentlich der Tagesplan gewesen. Es wäre ein weit besserer Tag gewesen. Den Jungen hätten sie eh nicht retten können.
Sie hasste sich ein wenig für diesen Gedanken, doch es war wahr. Das Monster hatte ihn wahrscheinlich geschnappt und ab da war er verloren gewesen.
Ein Knarzen ließ sie zusammenzucken. War es nur der Wind, der das Holz zum Knarzen brachte?
Mittlerweile prasselte auch der Regen laut gegen das einfache Dach des Hauses.
Ja. Es musste der Wind sein.
Dennoch zog sie die Flinte näher an sich heran. Dabei wusste sie nicht mal wirklich, wie man damit schoss.
Wieder hämmerte ihr Herz gegen ihren Brustkorb, setzte dann aus, als ein weiteres Knarzen erklang. War jemand auf der Treppe draußen? Nein. Heath konnte noch nicht zurück sein und die Wahrscheinlichkeit das eins der anderen Teams hierher kam, ging gegen null.
Sie klammerte sich weiter an die Waffe, als ein neues Knarzen erklang.
Nein. Bitte. Was auch immer es war, es sollte die Treppe nicht hochkommen. Sie wollte es nicht. Sie wollte in Sicherheit sein.
Was auch immer auf der Treppe war, störte sich nicht an ihrem inneren flehen, denn auch die nächste Stufe gab ein Knarzen von sich.
Sollte sie schauen? Doch wenn es das Monster war, würde es sie sehen, würde das Licht sehen. Dann verriet sie sich. Und wenn sie das Licht ausmachte? Sie hasste den Gedanken daran, aber etwas besseres fiel ihr nicht ein.
Sie streckte eine zitternde Hand nach dem Lichtschalter aus und legte ihn um. Dunkelheit umgab sie, auch wenn für einen Moment komische Punkte vor ihren Augen schwebten. Sie wartete, bis ihre Augen sich an die Finsternis gewöhnten, ehe sie zur Tür hinüberrückte und sie vorsichtig, ganz vorsichtig einen Spalt breit öffnete.
Sie spähte zur Haupttür hinüber und zu der gläsernen Front, gegen die ebenfalls der Regen prasselte. Soweit war hier nichts. Auch wenn es in der Dunkelheit schwer zu sagen war.
Ihr Blick glitt zu ihren Schuhen hinüber. Vielleicht sollte sie … Aber nein. Es machte keinen Sinn. Sie bekam den Schuh eh nicht über den Fuß hinüber. Sie konnte von hier nicht entkommen.