In der Ferne erklang ein Donnern. Nicht auch noch das. Es jagte einen Schauder über ihren Rücken. Ein Gewitter wirkte nur umso unheilsverkündender.
Da war wieder ein Knarzen. Was auch immer auf der Treppe war, bewegte sich diese nur langsam hinauf, vorsichtig. Vielleicht war es ja nur ein Bär. Genau. Sie hatte mehrfach davon gehört, dass neugierige Bären sich zu Menschengebäuden wagten, in der Hoffnung Fressen zu finden. Vielleicht hatte der Bär ja einfach nur den Ramen gerochen und war auf der Suche nach einem Abendessen. Mit einem Bären kam sie klar.
Sie zog das Gewähr wieder zu sich. Denn auch einem Bären wollte sich nicht unbewaffnet gegenüber stehen.
Innerlich flehte sie, dass was es auch war einfach umdrehte. Es waren nur noch drei, vier Stunden, bis jemand zu ihr kam. Vielleicht mit einem Helikopter. Dann wäre sie in Sicherheit und dann … Nun, dann konnte sie zumindest zu einem Krankenhaus oder so.
Ein Blitz zuckte über den Himmel direkt hinter dem Fenster. Er zeigte nichts. Nur leere Nacht. Doch was folgte – noch vor dem Donnern – war der gellende, markzerreißende Schrei so unglaublich nahe. Das Monster war hier!
Sofort zog Cyan die Tür des Badezimmers zu und krabbelte, so gut es ihr möglich war, zu der Wand gegenüber. Zwischen Toilette und Waschbecken eingequetscht saß sie da an das Gewehr geklammert und starrte im Dunkeln auf die Tür.
Sie wagte es nicht, das Licht anzumachen. Es könnte sie verraten.
Wie hatte das Monster sie nur gefunden? War es ihr die ganze Zeit gefolgt? Hatte es sie mit irgendeinem magischen Sinn geortet?
Ein weiteres Knarzen, als es sich die Treppe weiter hinauf bewegte. Donner rollte über den Wald draußen hinweg.
Tränen standen in Cyans Augen. Sie wollte einfach nur von hier fort, wollte in Sicherheit. Sie konnte nicht einfach sterben. Sie wollte nicht von dieser Bestie zerrissen werden, wie der kleine Junge.
Das Monster würde nicht reinkommen. Das Monster kam nicht herein.
Aber wenn sie ehrlich mit sich war, wusste sie, wie leicht es wäre, das Glas des Fensters zu zerbrechen. Diese Außenposten waren nur gerade so beständig gebaut, wie es notwendig war.
Weiteres Knarzen, Regen, Donner. Der Wind pfiff um das Haus. Dann das nächste Knarzen. Gleich wäre es hier. Gleich wäre es oben und dann …
Sie hielt es nicht mehr aus. Sie wollte nicht so sterben. Der Gedanke daran so zerrissen zu werden war allein schon zu viel. Und sie wusste nicht einmal, ob das Gewehr etwas gegen das Biest tun würde. Vielleicht sollte sie es besser anders verwenden …
Aber das würde bedeuten die Hoffnung aufzugeben.
Wieder knarzte das Holz der Treppe. Dann erklang ein anderes Geräusch. Es war wie ein Kreischen, doch nicht wie das Geschrei des Monsters, sondern wie Nägel auf einer Tafel. Waren es Krallen an der Scheibe?
Sie konnte nicht nachschauen. Sie würde nicht nachschauen. Sie würde hier im Zimmer bleiben, warten, hoffen.
Vielleicht ging das Monster von allein. Vielleicht …
Klirrend zersprang das Fensterglas, ehe etwas Schweres auf dem Boden des Hauptraums aufkam. Dann hörte sie Schritte.