Es dauerte etwas eine halbe Stunde, bis Heath soweit war, dass er gehen konnte. Es war offensichtlich, dass es ihm nicht gefiel, zumal es draußen bereits Dunkel geworden war.
Natürlich gefiel es Cyan nicht besser. Sie hasste beide Teile dieser Gleichung: Sowohl den Gedanken daran, fünf, sechs Stunden alleine hier auszuharren, als auch die Vorstellung, dass Heath allein durch einen Wald, in dem ein Monster hauste, gehen würde. Aber es war die einzige Möglichkeit. Wirklich die einzige. Selbst die Leuchtmunition ... Die Chancen, dass es jemand sah, waren nicht besonders groß. Dennoch feuerte Heath eine Runde ab, bevor er ging. Immerhin suchten auch zumindest zwei Helikopter nach dem toten Jungen - die hatten wenigstens eine Chance, es zu entdecken.
„Hilfst du mir auf?“, fragte Cyan, während Heath sich seine Jacke wieder überzog.
„Was hast du vor?“ Er musterte sie.
Sie atmete tief durch: Ich dachte, ich verstecke mich im Bad. Das hat kein Fenster nach draußen.
Für einen Augenblick musterte Heath, nickte aber dann. „Klingt nach einem Plan. Dann mache ich das Licht aus, wenn ich gehe.“
Dabei wussten sie nicht einmal, welche Wirkung Licht auf das Ungeheuer hatte: Wurde es davon angezogen oder vertrieben? Cyan wollte ersteres jedoch nicht riskieren.
So zog sich Heath ihren Arm über die Schulter und half ihr auf, so dass sie neben ihm her bis zur Tür des winzigkleinen Badezimmers humpeln konnte. Darin ließ sie sich in die Wanne der Duschkabine gleiten, die so ziemlich die einzige Möglichkeit bot, mit ausgestrecktem Bein zu sitzen. Dann verschwand Heath kurz, ehe er wiederkam, um ihr erst zwei Kissen und dann ihren Rucksack reinzureichen. Erst danach holte er das Gewehr und die Munition für sie.
Cyan zog das Gewehr an sich. Es war ein beruhigendes Gefühl, selbst wenn sie nicht daran glaubte, dass es etwas brachte.
„Ich bemühe mich, so schnell es geht Hilfe zu holen“, versprach Heath. „In fünf Stunden bin ich wieder da, okay?“
Cyan nickte. „Pass auf dich auf, ja?“
Er lächelte. „Immer.“ Dann wandte er sich ab und schloss die Tür zu dem kleinen, fensterlosen Zimmer. Für eine oder zwei Minuten noch hörte Cyan seine Schritte auf dem knarzenden Boden, dann wurde im Hauptraum das Licht ausgemacht und die Tür geschlossen.
Sie war allein.
Als hätte es drauf gewartet, erklang einen Moment später ein weiteres Kreischen im Wald.
Ihr Herz raste. Hoffentlich geschah Heath nichts. Hoffentlich schaffte er es Hilfe zu holen. Hoffentlich ...
Sie lauschte. Doch nun war wieder alles still.
Was sollte sie tun?
Zu gerne hätte sie Musik gehört, hätte sich damit abgelenkt, doch ohne Internetempfang würde auch Spotify nicht funktionieren. Jetzt bereute sie, keine MP3s mehr zu haben. Was ein seltsamer Gedanke ihn ihrer Situation.
Sie klammerte sich an die Waffe. Hoffentlich fand das Monster sie nicht.