CN Erwähnung von Genderdysphorie (feminine Kleidung).
Anm: Genderdysphorie ist ein panikähnliches Gefühl, das viele genderfluide oder nicht-binäre Personen (aber auch binäre Transsexuelle) bekommen, wenn ihr Körper "nicht zum gefühlten Geschlecht passt". Sie kann sehr überraschend auftreten, besonders wenn unerwartet ein Umschwung zwischen verschiedenen Geschlechtsidentitäten stattfindet.
Sophie hatte gehofft, Lexi heute wieder zu sehen. Auf Felix‘ Geburtstag hatten sie sich prima verstanden, aber ihre Nummern nicht getauscht. Sie hätte es gerne getan, aber irgend etwas schien in Lexi vorzugehen, das sie immer einen gewissen Abstand halten ließ. Sie hatte Florian gefragt, ob Lexi überhaupt auf Frauen stand, sich nicht sicher war, oder was sie sonst so vorsichtig wirken ließ. Er hatte jedoch nur gesagt, dass er eine Vermutung hätte, was sie meint, sie Lexi aber selbst fragen müsse, weil ihm das nicht zustünde. Und er hatte recht, solche Sachen sollte man wirklich nicht mit anderen bereden.
Nun saßen sie über Eck in der Kneipe beieinander, aber Lexi schien noch distanzierter zu sein als zuvor. Doch mit ihr konnte das nichts zu tun haben, auch ihren gemeinsamen Freunden schenkte sie an diesem Abend kaum Beachtung.
„Lexi?“, versuchte sie, die Frau auf sich aufmerksam zu machen und stupste sie mit einem Finger an den Oberarm. „Ist alles in Ordnung?“
Lexi sah sie nicht an, guckte nur kurz zu Florian und starrte dann an Sophies Schulter. „Alles gut“, erwiderte sie wenig überzeugend.
Sie kannten sich nicht gut, nur von der einen Party, aber vielleicht war es einen Versuch wert, sie zum Reden zu bringen. „Komm mir raus“, forderte sie Lexi auf, schob sich von der Bank und stapfte aus der Kneipe, ohne auf die junge Frau zu warten.
Draußen drehte sie sich zu ihr um. „Gehts dir nicht gut? Wir können gehen, wenn du möchtest“, sagte sie, ohne sich selbst ganz darüber klar zu sein, was genau sie damit ausdrücken wollte.
Doch Lexi schüttelte den Kopf. „Nein, aber.. naja“, fing sie an, dann holte sie tief Luft und schien ihre Gedanken zu sammeln. „Ich bin genderfluid und wurde gerade von einem Wechsel überrascht und die Dysphorie kickt dermaßen, weil..“, entfuhr es ihr schließlich, ohne noch einmal Atem zu holen. Mit den Händen deutete sie ihren Brustbereich an, der von ihrem – seinem? - Korsett wunderschön zur Geltung gebracht wurde.
Jetzt ergab alles einen Sinn, Lexis Zurückhaltung und warum sogar die Distanz zu ihren Freunden heute größer zu sein schien. Sophie stellte sich vor, wie sie selbst sich fühlen würde, wenn sie nicht wüsste, wie ihr Schwarm auf eine solche Offenbarung reagieren würde.
Sophie schlüpfte aus ihrer Jacke und hielt sie offen vor sich. „Hier, Arme rein!“, forderte sie und es war deutlich, dass jeder Widerstand zwecklos wäre. „Also ab jetzt männliche Pronomen, ja?“, erkundigte sie sich, während sie Lexi die Strickjacke über die Schultern zog.
Lexi hingegen nickte bloß und musterte sie, während sie die Knöpfe vor seiner Brust verschloss. An den oberen zwei Knöpfen hielt sie inne, fasste den Kragen, fing seinen Blick mit ihrem. Hoffentlich überschritt sie gerade keine Grenze. Lexi schien sich zwar allmählich zu entspannen, aber dennoch konnte es mehr als unangebracht sein, jetzt einen Schritt vorwärts zu wagen. Andererseits wollte sie ihn unbedingt wissen lassen, dass sich an ihren aufkeimenden Gefühlen absolut gar nichts geändert hatte.
Mit nur noch einem Hauch frischer Nachtluft zwischen ihren Nasen und Lippen verharrte Sophie. Es wäre zu schnell, zu früh, und gerade in Lexis Situation sicherlich unangenehm, einen körperlichen Schritt zu versuchen. Doch vielleicht konnten sie sich vorsichtig besser kennen lernen. „Geh‘n wir ne Pizza essen?“, hauchte sie mit einem neckischen Lächeln in den Mundwinkeln.
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