Ein Spinnennetz legte sich auf Irmas Gesicht, ein Zeichen dafür, dass lang niemand mehr in dem Haus gewesen war. „Widerlich“, murmelte sie und strich sich den Schmutz von den Wangen. Es war noch mitten am Tag, doch der eisige Wind hatte sie gezwungen, ihre Suche nach Sol für heute zu beenden. Nachdem alle Medien und die gesamte Regierung ausgefallen vom einen Moment auf den nächsten verstummt waren, war es in der Stadt zu gefährlich geworden. Also hatte sie sich auf die Suche nach dem Studentenwohnheim gemacht, in dem Sol lebte. Die einzige Familie, die ihr geblieben war.
Heute würde sich sich ihren Unterschlupf offenbar mit Spinnen teilen müssen, doch immerhin schienen hier keine Menschen zu sein, die ihr gefährlich werden konnten. Mit einer Hand vor sich ausgestreckt, um nicht wieder ohne Vorwarnung in Spinnenweben zu laufen, schritt Irma durch den Flur des kleinen Gebäudes. Es stand ein Stück außerhalb der Stadt, mitten auf den Feldern, auf denen schon längst nur noch Unkraut wucherte. Früher mochte es einmal ein Wochenendhaus gewesen sein, als Wochenenden noch eine Rolle gespielt hatten, und im verwilderten Garten drum herum hatte Irma Möhren, Kartoffeln, Zwiebeln und sogar ein paar Äpfel gefunden, die den wilden Tieren auf ihrer Suche nach Wintervorräten entgangen sein mussten. Beinahe hätte Irma in die Leere des Hauses hinein den ehemaligen Bewohnern dafür gedankt, dass sie einen gut gepflegten Gemüsegarten angelegt hatten. Sie hatte wirklich zu lang nicht mehr mit echten Menschen gesprochen. Stattdessen hoffte sie nun, dass sie in der Küche einen Gaskocher zurückgelassen hatten, es wäre ihr erstes warmes Mahl seit Tagen. Wochen? Irma war sich nicht mehr sicher, ob sie zuletzt warm gegessen oder mit Menschen gesprochen hatte.
Ein Rauschen und Fiepen erscholl in der Stille des Raums und riss Irma aus ihren müden Gedanken. Erschrocken stieß sie gegen die Kante des Küchentischs, bevor ihr bewusst wurde, dass das Geräusch von ihrer Hüfte gekommen war. Ihr Handfunkgerät hatte ein Signal empfangen.
„Hallo?“, erklang es zögerlich aus dem Lautsprecher. „Hier ist Hanneke. Weiß da draußen jemand, was hier passiert ist?“
Ein lebender Mensch! Diese Hanneke musste in der Nähe sein, aber sicherlich war es ungefährlich, ihr zu antworten. Niemand wusste, wo genau Irma sich aufhielt.
„Hi! Ich hab keine Ahnung, was passiert ist, aber ich bin Irma! Schön, mal wieder eine Stimme zu hören.“
Ein Knacken ertönte, dann erklang eine neue Stimme. „Irma?! Ich bins, Sol!“
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