Vorerst schafften sie es allerdings tatsächlich in die Küche. Da André den ganzen Tag im Krankenhaus gearbeitet hatte, sich jedoch regelmäßig über das Essen dort bei Ricky beschwerte, hatte für den heutigen Tag etwas möglichst Leichtes ausgesucht. So fanden sich kurz darauf Salat, Tomaten, bereits bei ihm zu Hause fertig angerührtes Dressing und zwei Putenschnitzel für Geschnetzeltes auf Andrés Arbeitsplatte wider. Schon öffnete der die Dose mit dem Dressing und schnupperte interessiert daran.
„Also wenn das so gut schmeckt, wie es riecht, darfst du davon öfters was auftischen.“
Ricky lächelte. „Ich koche ausgesprochen gern“, gab er etwas verlegen zu.
Mit verschränkten Armen, lehnte André sich neben ihm an die Arbeitsplatte, bevor er mit einem ebenso breiten Lächeln antwortete: „Das trifft sich gut. Ich esse nämlich ausgesprochen gern.“
Lachend schüttelte Ricky den Kopf. Aber das schon wieder aufkommende Flirten brachte erneut die Schmetterlinge zum Flattern. Unsicher schielte er aus dem Augenwinkel zu André, der ihn jedoch nur weiter lächelnd beobachtete. Schnell lenkte Ricky den Blick zurück auf das Fleisch vor ihm, das er eben in passende Streifen geschnitten hatte.
„Kann ich dir etwas helfen?“, fragte André, während er schon einmal eine Pfanne aus dem Schrank holte.
„Hast du eine Salatschüssel?“
Wieder wurde eine Tür geöffnet und kurz darauf stellte er eine Glasschüssel auf der Arbeitsplatte vor ihnen ab.
„Dann kannst du den Salat vorbereiten, wenn du magst.“
Ob André wirklich gern kochte und entsprechend helfen mochte, sagte er nicht, aber er tat es trotzdem – mit einem anhaltenden Lächeln auf den Lippen. Rickys Herzschlag beschleunigte sich für einen Augenblick. Es musste definitiv an den dämlichen Kommentaren von Helena und Annabell liegen. Aber Ricky kam nicht umhin, sich zu wünschen, er könnte diesen Selbstverständlichkeiten wie Kochen, öfter gemeinsam mit André nachgehen. Dabei war die Vorstellung allein so kitschig, dass es Ricky unter anderen Umständen nicht einmal in den Sinn gekommen wäre.
Aber vielleicht war es ja genau das, was Ricky sich schon so lange wünschte: Alltag.
Nach nur zwei Wochen waren solche Hoffnungen allerdings ziemlich dumm, wenn man es genau betrachtete. Wieder schielte Ricky zu André hinüber, der weiterhin zufrieden lächelnd inzwischen den Salat in die Schüssel gab und sich jetzt den Tomaten widmete. Ja, vielleicht war es dumm und unsinnig, kindisch und verträumte, wenn Ricky nach zwei Wochen über etwas wie ‚Alltag‘ zwischen ihnen nachdachte. Letztendlich machte das allerdings keinen Unterschied. Denn sie waren nun einmal da. Und alles, was ihm blieb, war darauf zu vertrauen, dass André es ernst meinte.
„Warum so bedrückt?“, fragte der plötzlich und riss Ricky damit aus den Gedanken.
„Was? Wieso? Bin ich nicht“, versicherte er eilig.
„Hm“, brummte André unzufrieden. Das Lächeln war von seinen Lippen verschwunden. „Du hast eben so nachdenklich und irgendwie besorgt gewirkt. Ist es wegen morgen?“
Ricky errötete. Sah man ihm seine Ängste tatsächlich so deutlich an? Andrés Frage gab ihm allerdings eine gute Ausrede. „Na ja, so ein bisschen nervös macht es mich schon“, gab er verhalten zu.
„Warum?“
„Es ist die Hochzeit deiner Schwester. Ich hab immer noch das Gefühl, als sollte ich nicht da sein“, antwortete er.
„Hm“, brummte André erneut.
Ricky musste lächeln. Inzwischen wusste er nur zu gut, dass dieses merkwürdige Brummen immer dann, wenn André ganz offensichtlich nicht mit einer Antwort einverstanden war. Genau genommen war es Andrés Art, nicht direkt und offen zu sagen, dass Ricky sich um irgendetwas unnötig Sorgen machte, was andere – zumindest André – als ‚trivial‘ bezeichnet hätten.
„Hat Marie wirklich kein Problem damit?“, fragte Ricky sicherlich zum zehnten Mal in den letzten vierzehn Tagen nach.
André lächelte und deutete auf die Pfanne, vermutlich um stumm darauf hinzuweisen, dass irgendjemand noch das Fleisch anbraten musste. Als Ricky danach griff, landete unerwartet ein weiterer Kuss auf seiner Schläfe. Mehr Schmetterlinge. Wo die noch Platz in seinem Bauch fanden, war Ricky allmählich ein Rätsel. Aber vermutlich konnte er sie deshalb so unglaublich deutlich spüren.
„Ich habe Marie zweimal gefragt und sie ist jedes Mal förmlich ausgerastet.“
„Wie bitte?!“
Entsetzt hob Ricky den Kopf. Von ‚Ausrasten‘ war bisher nie die Rede gewesen. André hatte ihm stets versichert, dass weder seine Schwester noch ihre Eltern ein Problem damit haben würden, wenn er zur Hochzeit mitkam.
„Boah, das hättest du hören müssen. Das Gekreische war unerträglich“, fuhr André unbeeindruckt fort, während er das Dressing in die Salatschüssel goss. „Du solltest das Fleisch jetzt anbraten, sonst zieht der Salat zu lange.“
Wie zum Teufel konnte der Kerl über das Essen reden, wenn er Ricky keine vierundzwanzig Stunden vor der Trauung eröffnete, dass er gar nicht willkommen sein würde?
„Im Grunde muss ich mich bei dir dafür eh noch mal extra bedanken“, bemerkte André mit einem anzüglichen Grinsen.
Das Entsetzen, das Ricky vermutlich ins Gesicht gemeißelt war, schien er nicht zu bemerken. Oder er ignorierte es. Stattdessen zog André seinen Kopf zu sich heran und gab ihm einen weiteren flüchtigen Kuss – diesmal allerdings auf die Lippen.
„Immerhin erspart mir deine Begleitung das Hochzeitsgeschenk.“
„Was? Wie das?“, keuchte Ricky, weiterhin fassungslos darüber, dass André ihm offenbar zwei wochenlang vorenthalten hatte, wie wenig willkommen er sein würde.
Irritiert sah der auf und deutete noch einmal auf die Pfanne. „Was ist jetzt mit dem Fleisch? Ich mag ja Salat, aber gegen etwas Protein hätte ich echt nichts einzuwenden.“
„Wieso hast du mir nicht gesagt, dass Marie ein Problem damit hat, wenn ich mitkomme?“
„Hä?“ Verwundert zuckte Andrés Blick über Rickys Gesicht.
Erst jetzt schien er allmählich zu begreifen, dass die gute Stimmung nicht nur gekippt, sondern bereist drei Meter unter der Erde begraben war.
„Wieso ein Problem? Sie ist total begeistert. Konnte es gar nicht erwarten, allen ihren Weibern auf die Nase zu binden, dass der Designer für ihr Kleid auf der Hochzeit sein wird.“
„Was?“
„Ich hoffe, du hast Ohropax eingepackt. Falls nicht, können wir noch welches kaufen. Die kreischen dir sonst die Trommelfelle weg“, antwortete André völlig unbeeindruckt und griff diesmal selbst zur Pfanne. Offenbar traute er Ricky nicht zu, dass das mit dem Fleisch heute sonst noch fertig werden würde.
„Sie ... freut sich?“, keuchte Ricky weiterhin etwas verstört von dem Gedanken, dass er nicht nur geduldet, sondern offenbar sogar willkommen auf der Hochzeit einer völlig Fremden sein würde.
„Klar, was denkst du denn?“, gab André unbeeindruckt zurück, bevor er plötzlich ruckartig den Kopf hob und Ricky breit angrinste. „Außerdem bist du schließlich mein Date. Da hat sie eh nicht mitzureden.“
Das Schmunzeln bei dem Anblick dieses im Grunde überhaupt nicht charmanten und dennoch ausgesprochen anziehenden Grinsen, konnte Ricky nicht zurückhalten. Diesmal war er es, der sich zu André hinüber beugte und ihm in die Seite knuffte.
„Gib es zu! Wenn es sie ärgern würde, wäre das erst recht ein Grund für dich, mich einzuladen“, murrte Ricky gespielt beleidigt.
Andrés Grinsen wurde breiter und das kurze nach oben Zucken seiner Augenbrauen sagte eindeutig genug. Seine Worte jedoch etwas völlig anderes: „Auch wenn wir ständig streiten, ich liebe meine Schwester und würde ihr die Hochzeit nie versauen.“ Mit einem Mal verwandelte sich das Grinsen und wurde zu einem Lächeln. „Da sie mich allerdings für den Rest meines Lebens abgöttisch dafür verehren wird, dass ich dich zu ihrer Hochzeit schleppe, erübrigt sich die Frage.“
Ricky lachte und kniff André erneut in die Hüfte, der daraufhin protestierend einen Schritt zur Seite wich. „Hey! Nicht kitzeln!“
Das konnte Ricky sich natürlich nicht zweimal sagen lassen. Erneut ging er zum Angriff über und stieß mit spitzem Zeigefinger, André in die Hüfte. Der sah ihn geradezu entrüstet an, bevor er lachend mit dem Kochlöffel drohte, und erneut darauf bestand, dass Ricky gefälligst die Finger von ihm lassen sollte.
„Also das klang vorhin aber noch ganz anders“, meinte Ricky mit einem verschmitzten Grinsen, während er sich eine der verbliebenen Tomate in den Mund steckte und genüsslich daran lutschte, bevor er sie herunterschluckte.
Es war ausgenommen erheiternd zu sehen, wie Andrés Blick förmlich an seinen Lippen klebte. Vergessen das bereits in der Pfanne brutzelnde Fleisch, das Abendessen und vermutlich alles, was damit im Zusammenhang stand. Der einzige Hunger, der in diesem Augenblick in Andrés graublauen Augen zu sehen war, bezog sich ganz sicher nicht auf die Mahlzeit, die sie hier zubereiteten.
„Dein Fleisch“, bemerkte Ricky entsprechend amüsiert und deutete auf die Pfanne.
„Hab grad Lust auf was ganz anderes bekommen“, murmelte der versonnen, während er weiter auf Ricky starrte.
„Wir hatten gesagt, erst das Essen“, ermahnte er, konnte aber ein erneutes, leises Lachen nicht zurückhalten.
André seufzte, schaffte es allerdings augenscheinlich – wenn auch unter Anstrengung – sich von Rickys Anblick loszureißen und stattdessen das Fleisch in der Pfanne zu wenden. Nach und nach reichte Ricky ihm ein paar Gewürze, die er aus den Schränken geholt hatte. Auch wenn André gern behauptete, dass er so gut wie nie selbst kochte, war seine Küche dafür ausgesprochen gut ausgestattet, was Gewürze und Ähnliches anbelangte.
Etwas irritiert betrachtete Ricky die Gewürzdose in seiner Hand. Bisher war ihm dieser Widerspruch nicht aufgefallen. Allerdings war er in den letzten zwei Wochen zwar häufiger hier gewesen, gekocht hatte er für André bisher aber immer nur in den eigenen vier Wänden. Jetzt, wo Ricky sich dessen bewusst geworden war, erschien es ihm jedoch reichlich merkwürdig, dass in einer Küche, in der niemand kochte, so viele Gewürze herumstanden. Verwundert drehte Ricky die Dose hin und her und stellte schließlich fest, dass sie sicherlich nicht erst seit ein paar Wochen im Schrank stand.
„Du kochst wirklich nicht oft, oder?“, bemerkte Ricky er mit einem Grinsen und hielt André die Dose vor die Nase.
Der hatte zumindest die Größe, beschämt mit den Schultern zu zucken. „Ach komm schon, so trockenes Zeug wird doch nicht schlecht.“
Ricky lachte und stellte die Dose auf die Arbeitsfläche. „Heißt ja schließlich ‚Mindesthaltbarkeitsdatum‘, richtig?“
„Genau! Ich sehe, du verstehst mich.“
Weiterhin lachend suchte Ricky das Besteck heraus und deckte den Tisch im Wohnzimmer. Als er wieder in die Küche trat, verteilte André bereits Salat und Fleisch auf zwei Teller. Einen Augenblick lang konnte Ricky nur auf den breiten Rücken starren. Es kostete nicht einmal sonderlich viel Überwindung, den Blick nicht allzu tief nach unten gleiten zu lassen.
Es fühlte sich so normal an, so einfach und damit auch gleichzeitig verdammt verlockend. Erneut musste Ricky sich daran erinnern, dass es gerade einmal zwei Wochen waren, die sie zusammen waren. Im Grunde gar nichts. Ein Fliegenschiss auf der Geschichte der Zeit, wie seine Oma zu sagen pflegte.
„Fehlt noch etwas?“, fragte André in diesem Moment und trat mit den Tellern auf ihn zu.
Ricky lächelte. „Das Essen. Du.“ Zwei, drei freie Hirnzellen, da der Rest zu sehr mit dummen Überlegungen beschäftigt waren, die ihn davon abhielten, diesen Abend einfach zu genießen. So wie er es geplant hatte.
„Na dann!“
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„Danke, dass du vorbei gekommen bist“, murmelte André, während er es sich, nicht ganz eine Stunde später, auf dem Sofa bequem machte.
„War nicht wirklich uneigennützig“, gab Ricky lächelnd zu und blickte nach links, um André ansehen zu können. Der hatte den Kopf in den Nacken gelegt und die Augen geschlossen. „Du siehst müde aus“, bemerkte Ricky leise.
Anstatt zu antworten, ließ André sich nach rechts fallen und schlang die Arme um Rickys Hüften. Es folgte ein kurzes hin- und herrücken, bei dem er sich immer mehr wie ein weiteres Sofakissen vorkam. Eher Ricky es sich versah, fand sich er sich auf dem Rücken wieder, mit André zwischen den Beinen. Der Haarschopf auf seinem Bauch fühlte sich etwas ungewohnt an, aber deutlich angenehmer, als er vermutet hätte.
Langsam ließ Ricky die Finger durch die braunen Strähnen gleiten. Als André sich eben zu ihm herübergebeugt hatte, war Rickys erste Annahme gewesen, dass der ihm direkt an die Wäsche gehen würde. Stattdessen brach offenbar gerade wieder die deutlich sanftere Seite aus André hervor. Die, bei der es nicht nur um körperliche Aspekte ging. Damit allerdings auch genau der Teil, den Ricky immer mehr zu mögen schien.
„Manchmal hab ich das Gefühl, ich würde dich schon viel länger kennen“, murmelte André plötzlich und sprach damit aus, was Ricky auch eben gedacht hatte.
Diese Worte von André zu hören, ließ sein Herz schon wieder schneller schlagen. „Kommt noch“, antwortete Ricky mit einem Lächeln – und der Hoffnung, dass er damit recht behalten würde.
„Versprochen?“
Diesmal schwieg Ricky, denn solche Versprechen wollte und konnte er nicht geben. So sehr er es sich wünschte, in die Zukunft schauen konnte er nicht. Obwohl Ricky sich eben diese immer deutlicher gemeinsam mit André vorstellen konnte.
„Wir sollten ins Bett gehen“, meinte er stattdessen.
„Ich bin nicht müde“, grummelte André geradezu trotzig. Lächelnd strich Ricky ihm erneut über die Haare. Ein verhaltenes Gähnen strafte die Worte auch schon kurz darauf Lügen. „Es sei denn, du willst aus anderen Gründen ins Bett. Dann bin ich gern dabei ...“
„Ich glaube nicht, dass du dafür heute noch fit bist.“
Das leise, entrüstete Schnauben ließ Rickys Lächeln breiter werden. Allerdings zeigte es auch, dass seine Einschätzung durchaus richtig war. Anstatt zu antworten, schob André Rickys Hemd ein Stück nach oben, sodass er einen Kuss auf seinen nackten Bauch pressen konnte.
„Für dich kann ich mich garantiert aufrappeln.“
Mit einem Mal war der Knopf an Rickys Hose offen und selbige wurde ein Stück hinunter gezogen, sodass André mehr freie Haut fand, auf die er seine Lippen legen konnte.
„Jeder Teil von mir, wohlgemerkt.“
Leider war diese Position nicht wirklich dazu geeignet, dass André seinem erklärten Ziel näher kommen konnte. Also lenkte der seine Küsse wieder in die entgegengesetzte Richtung. Als das Hemd sich ebenso dagegen sträubte, weiter hochgeschoben zu werden, drückte André kurzerhand einen Knopf nach dem anderen durch das zugehörige Knopfloch. Erst als keiner mehr übrig war, schob er mit einem zufriedenen Grinsen eine Seite des Hemdes beiseite.
„Viel besser“, murmelte André diesmal aus Brusthöhe, wo er es sich inzwischen bequem machte.
„Willst du dich nicht lieber ins Bett legen?“, fragte Ricky mit einem Schmunzeln, das man garantiert hören konnte.
Nicht, dass es sonderlich unangenehm wäre, hier so zu liegen, aber der Eindruck, dass André jeden Moment einschlafen könnte, wurde zunehmend stärker. Und ob diese Position die ganze Nacht angenehm bleiben würde, war äußerst fragwürdig.
„Nein.“
Ricky wartete noch ein paar Sekunden, aber mehr Erklärung schien nicht zu kommen. Wären da nicht die Finger, die sanft über die rechte Seite seines Oberkörpers wanderten, hätte er den Eindruck bekommen können, André wäre eingeschlafen. Der Daumen, der immer wieder über Rickys Brustwarze strich, sorgte jedoch äußerst effektiv dafür, dass er selbst ausgesprochen weit von Schlaf entfernt war. Mit jeder Berührung wurde das Kitzeln unerträglicher, trotzdem konnte Ricky es nicht unterbinden. Das Kribbeln, das daraus entstand, wanderte direkt südwärts in Regionen, wo es mehr als willkommen war.
André streckte sich irgendwann, damit er Rickys Halsbeuge erreichen konnte. Gleichzeitig glitt seine Hand an Ricks Seite hinab zur Hose. Fuhr unter den Bund und schob sie damit ein Stück runter.
„Wir sollten definitiv ins Bett gehen“, presste Ricky heraus, darum bemüht, sich weiter unter Kontrolle zu behalten.
Sie mussten morgen schließlich frühzeitig raus, um es rechtzeitig zur Trauung zu schaffen. Marie wollte nicht hier in der Stadt heiraten, sondern in irgendeinem Kaff. Laut Andrés Planung war das mindestens eine Stunde Fahrzeit von hier entfernt. Glücklicherweise hatte der Bräutigam ihnen seinen Wagen geliehen, sodass sie wenigstens nicht auch noch einen Leihwagen vorher holen mussten.
„Ich bring dich jederzeit gern ins Bett, Ricky“, raunte es neben seinem Ohr.
Die Stimme allein, brachte schon wieder alles in ihm zum Vibrieren. Die Art und Weise, wie André seinen Namen aussprach, hatte allerdings stets eine zusätzliche Wirkung, der Ricky sich selbst kaum entziehen konnte. Das, was sich da im gleichen Moment gegen seinen Schritt presste, war außerdem mindestens ebenso eindeutig, wie die Antwort seines eigenen Körpers darauf.
Ricky stöhnte und schloss die Augen. Dabei hatte er sich doch vorgenommen, dass es heute mal nicht um Sex gehen würde. Jedenfalls nicht nur. Nun ja, das Essen hatten sie immerhin hinter sich gebracht, ohne dass dabei irgendwelche Kleidungsstücke abhandengekommen waren. Trotzdem kam Ricky sich mies vor bei dem Gedanken, dass er André aus rein egoistischen Gründen, um seine wohlverdiente Ruhe gebracht hatte.
„Du solltest dich ausruhen“, murmelte Ricky halbherzig.
„Wie gesagt ... Für dich raffe ich mich jederzeit auf“, wisperte André stattdessen, während seine Lippen eine kribbelnde Spur über Rickys Hals zogen.
Der drehte schmunzelnd den Kopf und stahl sich dabei einen Kuss, bevor er antwortete: „Hast du’s wirklich so nötig?“
„Dich hab ich immer nötig“, murmelte André gegen seine Lippen.
Die Hand in Rickys Rücken verschwand erneut unter dem Bund der Hose, kam von dort aber nicht mehr wirklich weiter. Was vermutlich der Grund für das kurz darauf ertönende, ungeduldige Grummeln war.
„Wie wäre es, wenn wir das hier so oder so ins Schlafzimmer verlagern“, schlug Ricky mit einem leisen Lachen vor.
André murmelte zwar etwas vor sich hin, was wenig begeistert klang, gab allerdings nach und erhob sich. Ricky ließ er dabei jedoch nicht los, zog ihn stattdessen von der Couch und in die eigenen Arme.
„Schön, dass du vorbeigekommen bist“, flüsterte André, während er zu einem weiteren Kuss ansetzte.
Anstatt zu antworten, drängte Ricky ihn zurück und Richtung Bad. Dort hätte er zwar gern mehr erledigt, als Zähneputzen. Wie er sich schon mehrmals in Erinnerung gerufen hatte, war das allerdings nicht der Grund seines heutigen Besuchs. Und so war es zwar nicht sonderlich einfach, die Hand, die sich immer wieder über seinen Po schob zu ignorieren, irgendwie gelang es am Ende aber doch.
Wie genau Ricky es geschafft hatte, wenigstens die Unterhose anzubehalten und ein T-Shirt überzustreifen, konnte er nachträglich nicht mehr sagen, als er kurz darauf neben André im Bett lag. Der war in dieser Angelegenheit jedenfalls nicht sonderlich hilfreich gewesen.
Lächelnd beobachtete Ricky, wie André darum kämpfte wach zu bleiben. Ein nur zu offensichtlich zum Scheitern verurteilter Versuch.
„Ich bin noch nicht müde“, murmelte André erneut, trotzig wie ein kleines Kind.
„Natürlich nicht ... Mach die Augen zu.“
Auf der Seite liegend, griff André blind nach Ricky und erwischte dabei das T-Shirt, das er zum Schlafen drüber gezogen hatte. Von dort glitten Andrés Finger die Brust herunter, am Arm entlang, bis sie Rickys Hand fanden und diese ergriffen.
Die Worte waren kaum noch zu verstehen, aber Ricky war sich ziemlich sicher, dass André sagte: „Morgen mach ich es wieder gut.“
Das eigene Lächeln wurde breiter, während Ricky im Halbdunkel des Zimmers beobachtete, wie Andrés Atem immer gleichmäßiger wurde. In seiner eigenen Brust breitete sich ein Gefühl aus, das Ricky nicht benennen konnte, nicht einmal beschreiben. Leichtigkeit, Glück, vielleicht auch einfach nur Zufriedenheit. So genau war das nicht zu sagen.
Deshalb hatte Ricky herkommen wollen. Um sich so fühlen zu dürfen. Und sich vorzustellen, es könnte für immer so sein. Langsam zog er seine Hand aus Andrés inzwischen schlaffen Fingern und legte sie dem stattdessen vorsichtig an die Wange. André schlief tief und fest und schien die Berührung nicht einmal zu merken. Ja, es wäre tatsächlich zu schön, um wahr zu sein, wenn dieses Gefühl hier auf Dauer anhalten könnte.
„Dafür näh ich Isa tausend Kleider“, flüsterte Ricky leise und schloss lächelnd die Augen.