Die Finsternis wusste, dass sie entdeckt worden war, und der erste Angriff rasch erfolgen musste.
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Ebenso wussten die Verteidiger, dass ihnen nicht viel Zeit blieb. Lupus hatte sie alle bei Trishanku versammelt, doch auf der Lichtung selbst befand sich nur der Innerste Kriegsrat. Außer Lupus waren dies Lynx und Vulpecula, die fünf Späher und die Kinder der drei ersten: Mirfak, an dessen Seite Arae saß, Castor und Pollux sowie Algieba - und Regulus. Vom Verrat des Löwen wussten die Titanen noch nichts. Unglücklicherweise hatte Deneb ihn im Hort der Finsternis nicht gesehen und konnte deshalb nicht von seiner wahren Natur berichten.
Somit waren vierzehn versammelt, die überlegten, wie sie der Bedrohung begegnen sollten. Lynx, der weise Berater, hatte die Idee zu Lichterschilden, die es den Verteidigern ermöglichen würden, ähnlich wie der Stier Aldeban Rubinstern gegen die Dunkelheit auszuharren. Um diese herzustellen, würde drei Lichtquellen gebraucht werden: Eine Blüte von Virgos Schöpfung, eine Feder des brennen Vogels Phoenix und eine silberne Träne des Einhorns Lukida.
Während Lynx überlegte, wie die Verteidiger durchhalten könnten, ersann Vulpecula Listen, um die Dunkelheit zu täuschen. Er schlug gar vor, die Lichtung der Titanen aufzugeben und an einen weniger offensichtlichen und zentralen Ort zu fliehen, der Dunkelheit vielleicht eine Falle in der Lichtung zu stellen, doch Lupus sprach dagegen.
"An diesem Ort bin ich aufgewacht", sagte er. "Die Lichtung Trishanku ist das Zentrum des Lichts. Wenn es fällt, wird das Licht womöglich verschwinden, und vor allem dürfen wir in diesem Kampf nicht den hellsten Ort unserer Welt aufgeben."
Das sahen alle ein, doch Vulpecula und seine Söhne versprachen, noch andere Wege zu finden.
Mirfak sprach dagegen an, dass die Bewohner Andromedas vor allem den Mut nicht verlieren durften. Ihre Leben zu schützen war ebenso wichtig, wie ihre Seelen gegen die Verzweiflung zu wappnen.
Schließlich mussten sie die Beratung beenden und gingen ihrer Wege. Lynx suchte Lukida, Phoenix und Virgo, um mit dem Schmieden der Schilde zu beginnen. Er nahm auch den Schild, den Bootes von Ursa Minor erhalten hatte, um diesen zu verstärken. Vulpecula und seine Söhne schmiedeten Pläne und Mirfak ging an die Arbeit, um den Versammelten Mut zu machen. Lupus entsandte die Späher, um das Vorrücken ihres Feindes im Auge zu behalten. Besonders Corvus schärfte er ein, dass ihnen nichts entgehen durfte.
In jener Nacht stahl sich Regulus aus dem Lager. Der Löwe eilte los zu seiner Herrin, um ihr die Ergebnisse der Beratung mitzuteilen. Zwischenzeitlich war sie vorgerückt und näherte sich der Lichtung. Nur die Schlange Serpens war im Lager der Dunkelheit zurückgeblieben, bei Draco, der noch immer ruhte, doch sein Erwachen rückte näher.
Wie Regulus über die Wiesen lief, erblickte Cygnus ihn. Der Schwan wunderte sich, was der Löwe so weit vom Lager tat, und flog zu ihm, um ihn zu befragen. Da griff Regulus ihn an, denn er konnte sein Verhalten nicht plausibel erklären.
Cygnus wurde von diesem Angriff überrascht, doch der Schwan hatte großes Glück. Zwar erwischte Regulus seine Schwinge, doch Cygnus konnte fliehen.
Nun rannte auch Regulus los, in die andere Richtung jedoch, bis er keuchend vor Erschöpfung vor seiner dunklen Herrin ankam.
"Was hast du erfahren?", fragte sie ihn, und Regulus berichtete von der Versammlung.
"Dieser Lynx erscheint mir gefährlich", stellte die Dunkelheit fest. "Ihn werde ich zuerst töten!" Sie war bereit, ihre Klauen auszusenden, um zu töten. "Seine Schilde könnten uns viele Probleme bereiten."
"Töte ihn. Er ist zu weise", stimmte Regulus zu. "Doch die Schilde könnten auch andere bauen. Deine zweite Klaue muss Phoenix, Lukida oder Virgo treffen."
Die Finsternis überlegte. "Das Einhorn", entschied sie dann. "Ein Vogel ist schwer zu treffen und die Wölfe sehen für mich alle gleich aus."
"Lukida also. Aber einen Vogel musst du töten: Cygnus darf die Diener von Lupus nicht vor mir warnen."
"Es war eine große Torheit von dir, dass du dich hast sehen lassen", tadelte die Dunkelheit. "Dem Schwan werde ich meinen Blick nachsenden. Damit bleibt uns noch eine Klaue und der Zahn. Den giftigen Biss von Pyxis werde ich auf Lupus niedersenden. Er ist der Mächtigste von ihnen allen, er muss fallen. Zu wem rätst du mir dann als Ziel für die letzte Klaue? Eine weitere Lichtquelle für die Schilde?"
"Das wäre vielleicht sicher, aber ich denke, du solltest einen der Füchse ausschalten. Ihre List ist nicht zu unterschätzen."
Die Dunkelheit stimmte zu. Sie erinnerte sich, genau wie Regulus, an den ersten Drachen und sie wusste, dass sie nicht riskieren durfte, dass die Füchse ein ähnliches Wesen erschufen, um Draco zu bekämpfen.
Nachdem diese Entscheidungen alle getroffen waren, entsandte die Finsternis ihre fünf Waffen auf einen Schlag. Drei Klauen, Sculptor, Antlia und Octans, der schreckliche Blick und der gifttriefende Zahn Pyxis.
Die erste Klaue, Sculptor, kam für die Verteidiger aus dem Nichts und durchbohrte geradewegs das Herz des Einhorns Lukida. Ihr Todesschrei ließ die Verbündeten der Titanen vor Angst erstarren.
Die zweite Klaue, Antlia, traf Lynx und fällte den großen Titanen. Die dritte Klaue, Octans, jagte geradewegs auf Vulpecula zu. Der Fuchstitan sah die Gefahr nahen und warf sich zur Erde. Die Klaue verfehlte ihn, doch trotzdem stieß er einen lauten Todesschrei aus und blieb danach reglos liegen - gewillt, die Dunkelheit zu täuschen, doch er wusste, dass er auch seine Freunde täuschen musste. Einzig Castor und Pollux, die bei ihm saßen, durchschauten die Täuschung.
"Ihr müsst trauern", sagte Vulpecula ihnen. "Dieser Angriff zielte direkt auf die Schildschmiede, und das bedeutet, dass es Verräter unter uns gibt. Niemand darf wissen, dass ich lebe. Dies ist vielleicht bald unser einziger Vorteil."
So senkten Castor und Pollux in Wehklagen die Köpfe und ließen ihr Winseln erklingen. Währenddessen sahen die verängstigen Verbündeten die letzten beiden Geschosse herannahen: Den Blick und den Zahn der Finsternis.
Cygnus, wenngleich verletzt, hatte eine Heldentat vollbracht und war beinahe bis zur Lichtung vorgedrungen, als der Angriff erfolgte. Mit lauten Rufen flog er auf alle zu, doch Entsetzen ließ ihn verstummen, als er sah, dass drei Verbündete bereits lagen. Dann holte der Blick der Finsternis ihn ein. Er fiel auf Cygnus wie ein Feuerstrahl und ließ alle Muskeln des Schwans ermatten, und wie eine Sternschnuppe stürzte er aus dem Himmel.
All diese Angriffe erfolgten rasch aufeinander, sodass niemand reagieren konnte, nicht einmal Helden wie Sabik Pfeilstern. So konnten alle nur beobachten, wie der Zahn Pyxis auf Lupus niederfuhr und die Brust des Ersten Wolfs traf.
Sofort riss der Hellste den Stachel aus seinem Fleisch, doch das Gift wirkte und Lupus brach inmitten seiner Verbündeten zusammen. Sodann kehrten die Waffen der Finsternis zurück.
Lange Zeit war es still. Die Verbündeten wagten sich erst langsam vor. Da stellten sie fest, dass Lupus noch lebte, und auch Cygnus atmete noch. Das Gift vermochte den Mächtigsten nicht zu töten, doch es hatte ihn in tiefen Schlaf versetzt. Ähnlich hatte der schwächere Blick Cygnus nun erstarren lassen.
Vulpecula jedoch konnte sich erfolgreich tot stellen und seine Söhne deckten ihn. Lynx und Lukida waren tot, die ersten Opfer des beginnenden Krieges. Pegasus rief lange und schmerzvoll, als er den Tod seiner Gefährtin begriff. Kitalpha und Kentaur, die beiden Kinder, standen zitternd Seite an Seite. Algieba kauerte traurig an der Seite ihres Vaters.
Die Verbündeten betteten Lupus vor der sicheren Lichtung. Als sie Cygnus neben ihn tragen wollten, bemerkten sie die Bisswunde und erkannten sie als die einer Großkatze. Wie sie rätselten, hörte Algieba ihre Worte und erhob sich.
"Regulus fehlt", erkannte sie. "Wo ist mein Bruder?"
"Wir müssen damit rechnen, dass Spione unter uns sind", sagten Castor und Pollux, die die Warnung ihres Vaters nicht vergessen hatten. "Die Finsternis wusste, dass Lynx Schilde bauen wollte."
Dunkle Furcht griff nach Algieba, als ihr Verdacht wuchs. Sie fürchtete, dass Regulus der Verräter - oder einer der Verräter - sein könnte.
"Ich werde herausfinden, wem seine Treue gilt", versprach sie leise.
Das war der einzige Plan, der an jenem Tag noch gefasst wurde. Die Bewohner von Andromeda waren zutiefst erschüttert.
Der Krieg hatte begonnen.